Toppmöller zum 70. Geburtstag Der Abstieg des (fast) Triple-Trainers
12.08.2021, 13:16 Uhr
So nah und doch so fern: Toppmöller schreitet nach dem verlorenen Champions-League-Finale 2002 am Henkelpott vorbei.
(Foto: imago images/Pressefoto Baumann)
Klaus Toppmöller schießt zu seiner aktiven Zeit Tore am Fließband. Als Trainer begeistert er ganz Europa mit Offensivfußball, bis er mit Bayer Leverkusen dramatisch scheitert. Dann wird er eine Marionette im Wettskandal um Robert Hoyzer - und berappelt sich nie wieder richtig von der "Enttäuschung".
Klaus Toppmöller war (fast) ganz oben auf dem europäischen Klubfußball-Olymp. Dann fiel er tief. Nun feiert der dreimalige deutsche Fußball-Nationalspieler seinen 70. Geburtstag. Als Profi schoss der Lockenkopf allein für den 1. FC Kaiserslautern 108 Treffer und ist damit heute noch Rekordtorschütze des Klubs, für den er zwischen 1972 und 1980 204 Spiele bestritt. Toppmöller zählt zudem zur Jahrhundert-Elf des pfälzischen Traditionsvereins. Er selbst bezeichnete sich einst als "Tier" auf dem Platz.
Nach seinem Engagement bei den Roten Teufeln lief es sportlich nicht mehr sonderlich für Toppmöller. 1980 wagte er den Sprung über den Großen Teich und wechselte zu Dallas Tornado in die North American Soccer League und anschließend zu den Calgary Boomers, bevor er beim damaligen Zweitligisten FSV Salmrohr 1987 seine Spielerkarriere beendete. Als Vereinstrainer durfte Toppmöller dann aber weitere Frühlinge erleben. Bei Eintracht Frankfurt (1993/94) gewann er die Herbstmeisterschaft und der fulminante Jay-Jay Okocha erzielte unter seiner Regie das Tor des Jahres 1993, mit dem VfL Bochum (1994 bis 1999) erreichte er sogar das Achtelfinale des UEFA-Cups 97/98. Weitere Stationen waren anschließend der 1. FC Saarbrücken (1999/2000), Bayer Leverkusen (2001 bis 2003) sowie der Hamburger SV (2003/04).
"Vizekusen" statt Triple-Trainer
"Mich können Sie nachts um zwölf anrufen, da würde ich kommen und auf dem Hartplatz mitkicken", sagte Toppmöller einmal. Er war in seiner Laufbahn als Spieler und als Trainer stets ein Fußballverrückter. Aber auch abseits des Platzes sorgte der Skat-Kumpane des ehemaligen SPD-Kanzlerkandidaten Rudolf Scharping für Aufsehen. 1976, genau neun Tage nach seinem Länderspieldebüt, jagte der 24-jährige Toppmöller in der Nähe Kaiserslauterns seinen Ferrari nachts in einen Wagen des US-Militärs. "Ich suche nach Hilfe", soll der damalige Profi zu seiner Beifahrerin gesagt und sich davon gemacht haben. Die Polizei suchte die ganze Nacht und einen halben Tag nach Toppmöller, der erst am nächsten Nachmittag verwirrt wieder auftauchte. Die Fahrerflucht kostete ihn wohl auch die Teilnahme an der EM 1976.
Gut 25 Jahre später war Toppmöller dank eines äußerst schön anzuschauenden Offensivstils zu einem der besten Trainer Deutschlands gereift. 2002 gelang ihm mit Leverkusen das zweifelhafte Kunststück, sowohl die Meisterschaft als auch den DFB-Pokal und die Champions League jeweils als Zweiter zu beenden. Statt Triple-Trainer wurde er zum Coach des belächelten "Vizekusens". Drei Spieltage vor Saisonende führte Toppmöller noch mit fünf Punkten die Bundesligatabelle vor Borussia Dortmund an. Dann verlor Bayer am 32. Spieltag mit 1:2 gegen Werder Bremen und am 33. mit 0:1 gegen den FC Nürnberg - und die Schmach nahm ihren Lauf.
In Leverkusen wurden Erinnerungen wach an die dramatisch in letzter Sekunde verspielte Meisterschaft 2000. Dortmund zog vorbei an die Spitze und siegte auch am letzten Spieltag. Immerhin gelang Bayer dazwischen gegen Manchester United der Einzug ins Champions-League-Finale, musste das Endspiel aber teuer bezahlen, weil Kapitän Jens Nowotny sich im Rückspiel das Kreuzband riss. Toppmöller sagte unter Tränen: "Ich würde unseren Finaleinzug dafür hergeben, wenn Jens wieder gesund wäre." Der Trainer verlor nach Zinédine Zidanes legendärem Kunstschuss nicht nur das Finale gegen Real Madrid, sondern auch das DFB-Pokalfinale gegen Schalke 04. Die Stützpfeiler Michael Ballack und Zé Roberto verließen Leverkusen im Sommer - und in der nächsten Saison stürzte Toppmöller mit seinem Verein ab. Der Abstieg drohte und der Coach wurde in der Rückrunde vor die Tür gesetzt.
Talfahrt nach Hoyzer-Skandal
Das nächste Engagement Toppmöllers, beim HSV, verlief nicht weniger dramatisch. "Ich habe schon nach wenigen Minuten gesagt: Das ist doch gesteuert", erklärte der Trainer einmal über jene Partie seines Klubs gegen den SC Paderborn, die auf unrühmliche Art und Weise in Deutschlands Fußballgeschichte eingehen sollte. Es war das berüchtigte Erstrundenspiel im DFB-Pokal 2004 gegen den Drittligisten, das Schiedsrichter Robert Hoyzer manipuliert hatte. Toppmöller habe "voll auf die Fresse gekriegt", sagte er, nachdem er seinen Verdacht direkt nach dem Spiel ausgesprochen hatte. "Auch beim DFB wollte niemand hören, dass das manipuliert war. Mir wurde regelrecht gedroht, mich zurückzuhalten." Die manipulierte Niederlage markierte den Beginn einer Talfahrt des HSV, nur sieben Wochen danach wurde der Trainer entlassen.
"Und noch heute denke ich sehr oft daran", sagte Toppmöller einmal: "Eine solche Enttäuschung geht nie wieder aus dem Kopf. Vor allem, weil ich das im deutschen Fußball nicht für möglich gehalten hatte." Der Wettskandal nahm den Trainer mit, sein Ruf wurde beim HSV beschädigt, obwohl er nur wenige Jahre zuvor mit dem begeisternden Offensivfußball Bayer Leverkusens halb Europa entzückt hatte. Toppmöller zog ernsthafte Konsequenzen. Trotz Angeboten aus Deutschland verließ er seine Heimat und wurde von 2006 bis 2008 Nationalcoach von Georgien. Anschließend arbeitete er nie wieder als Trainer.
Quelle: ntv.de