Profi Thomas Broich im Film "Der Fußball ist so aufgeblasen"
27.07.2011, 09:37 Uhr
Thomas Broich genießt den Fußball am australischen Strand.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der Film "Tom meets Zizou – Kein Sommermärchen", der am Donnerstag in den deutschen Kinos anläuft, ist die einzigartige Langzeitstudie des Grimme-Preis-Träger Aljoscha Pause, in deren Mittelpunkt der frühere Bundesliga-Profi Thomas Broich steht. Pause begleitet den früheren U-21-Nationalspieler Broich, der als kommender Star gilt, neun Jahre lang hautnah mit der Kamera vom oberbayrischen Burghausen über mehrere Bundesligastationen bis ins australische Brisbane. Der Film offenbart einen tiefen, offenen und schonungslosen Blick hinter die Kulissen des Fußballgeschäfts, dessen Mechanismen Broich nicht akzeptiert und woran er fast daran zerbricht. Im Interview mit n-tv.de redet Broich über diese schwere Zeit.
n-tv.de: Herr Broich, was hat Sie an diesem Projekt so fasziniert?
Thomas Broich: Die Möglichkeit, abseits des Tagesgeschäftes Interviews zu geben. Es ist so langweilig, sich von den Spielern immer die gleichen Phrasen anhören und Klischees bedienen zu müssen. Ich fand es spannend, dass mir Aljoscha die Möglichkeit gab, laut über das Geschäft nachdenken zu können.
Das scheint als aktiver Profi nicht möglich zu sein.
Auf keinen Fall. Wenn das, was ich in dem Film zum Beispiel Kritisches über Christoph Daum gesagt habe, ausgestrahlt wird, bin ich meinen Job los.
Im Film wird sehr deutlich, dass Sie sich den Mechanismen der Branche widersetzen. Was genau verachten Sie am Fußballgeschäft?

Thomas Broich hört gerne Klassik und liest Sartre: Das bringt ihm den Spitznamen "Mozart" ein.
(Foto: picture alliance / dpa)
Im Fußball ist alles so aufgeblasen, so wichtig. Die Egos sind so massiv …
Können Sie ein Beispiel nennen?
Das möchte ich nicht, ich will nicht nachkarten. Jeder kann sich ein Bild machen: Je höher man in der Gesellschaft oder im Profifußball kommt, desto gröber wird es.
Was hat Sie von Ihren Kollegen unterschieden?
Ich hatte andere Interessen als die meisten meiner Mitspieler. Das, was geschrieben wurde, stimmt: Ich spiele Klavier, ich lese gern und viel. Meine Isolation kam dadurch zustande, dass ich dieses Anderssein überbetont habe. Ich habe nur gesehen: oh, der liest keinen Dostojewski oder keinen Sartre. Das kam bei einigen bestimmt arrogant rüber. Ich hätte die Gemeinsamkeiten betonen müssen. Das war die Leidenschaft für den Fußball.
Gab es in der Fußballwelt keinen Freund oder Mitspieler, mit dem Sie sich verstanden haben?
Klar gab es die, Dariusz Kampa in Mönchengladbach oder Päddi Helmes in Köln. Ich muss mich nicht unbedingt mit jemanden über Philosophie unterhalten, um mit ihm klarzukommen. Doch durch meine Herangehensweise habe ich mich selbst isoliert. Eigentlich ist es leicht, mit 20 Jungs, die den gleichen Beruf haben, auf einen Nenner zu kommen. Man kann sich aber auch so gebärden, wie ich es gemacht habe. Mein Verhalten war destruktiv - und das ist mir im Nachhinein peinlich.
Sie sagen, es motiviert Sie, gebraucht zu werden. Heißt gebraucht werden gleichzeitig, nicht in Frage gestellt zu werden?
Total, es heißt oft so platt: das Vertrauen, das man braucht. Ich habe es mehr gebraucht als andere. Wenn ich vom Trainer das Vertrauen gespürt habe, fiel es mir leichter, mit dem äußeren Druck und den Erwartungshaltungen umzugehen. Durch diese Erwartungshaltung von außen fühlte ich mich oft fremdgesteuert.
Mit Ihrem damaligen Gladbacher Trainer Dick Advocaat kamen sie überhaupt nicht zurecht. Wäre Ihre Karriere ohne Advocaat anders verlaufen?
Wahrscheinlich hätte der Verweigerungs-Prozess später eingesetzt. Das ging mit Köppel, Latour und Daum ja so weiter. Vielleicht hätte es einen Unterschied gemacht, wenn die erfolgreiche Phase zu Beginn in Gladbach länger angehalten und ich ein A-Länderspiel gemacht hätte.
Ärgert es Sie im Nachhinein, beim WM-Sommermärchen 2006 nicht dabei gewesen zu sein?
Ganz ehrlich, die Nationalmannschaft war nie mein großes Ziel. Wenn man in der Bundesliga gut spielt, erzählen alle, für Deutschland spielen zu wollen, und man plappert das nach. Mein Traum war das aber nicht, ich wollte bloß immer Bundesliga-Profi werden.
Warum wollten Sie Fußball-Profi werden?
Die Bayern-Profis wie Aumann, Jorginho oder Matthäus waren große Idole für mich. Als kleiner Pimpf wollte ich auch so sein. Da habe ich natürlich noch nicht gewusst, was in diesem Geschäft für ein Druck und eine Medienlandschaft herrscht.
Sie haben Ihr Glück nun in Australien gefunden. Was unterscheidet das Fußball-Business in Australien von dem in der Bundesliga?
In Australien ist der Fußball die Sportart Nummer drei oder vier. Wir haben so gut wie nie Presse beim Training dabei. Wenn wir ein Spiel verlieren, wird das nicht an einzelnen Personen festgemacht. Es ist unaufgeregt und angenehm, dort zu spielen. Das ganze Leben in Australien ist extrem entspannt. Ich habe das ganze Jahr lang ein Urlaubsgefühl.
Welche Erkenntnis ziehen Sie aus dem Film?
Der Film ist wie eine Lektion für mich. Ich habe sehr viel über mich selber erfahren. Es stellen sich wieder die Gefühle ein, die ich damals hatte. Wenn ich manche Ö-Töne oder Szenen sehe, ist das schmerzhaft. Es ist die Geschichte meines Lebens, und es nicht immer schön, die so vor Augen geführt zu bekommen. Außerdem ist es krass, dass jetzt viele Leute verdammt viel über mich wissen.
Mit Thomas Broich sprach Matthias Bossaller
Quelle: ntv.de