Sechs Dinge, die wir bei Bayern vs. Real gelernt haben Der "Kaiser" wird haarig, Müller elektrisiert
24.04.2014, 15:18 Uhr
Thomas Müller war Bayerns effektivster Offensivspieler. Dummerweise durfte er nur in den letzten 20 Minuten mitspielen.
(Foto: imago/Action Plus)
Teil 1 des Gigantenduells zwischen Bayern und Real ist gespielt, die Frage nach dem Finalteilnehmer bleibt offen. Dafür steht fest, wer im Rückspiel der X-Faktor sein kann. Und, viel wichtiger: Was Franz Beckenbauer für modisch hält.
"Wir stehen selbst enttäuscht und sehen betroffen/der Vorhang zu und alle Fragen offen." So heißt es am Ende des Stücks "Der gute Mensch von Sezuan" von Bertolt Brecht, der die Zuschauer auffordert, selbst zu entscheiden: War die Hauptfigur nun wirklich gut oder nicht? Nun, da der erste Akt des Champions-League-Halbfinals zwischen dem FC Bayern München und Real Madrid vorbei ist, stellt sich eine ähnliche Frage: War das wirklich ein guter Auftritt des Deutschen Meisters, wie die Münchner unisono beteuerten? Und war der 1:0-Sieg der "Königlichen" nur ein sportlicher Irrtum, eine Laune des Fußballgottes, ein harmloser Stolperer der Bayern auf dem Weg ins Finale von Lissabon? Klare Antworten gibt es nicht. Wichtige Erkenntnisse brachte das Halbfinal-Hinspiel trotzdem.
1. Die Super-Bayern bringen ihr Kryptonit selbst mit
Die Bayern ließen sich an diesem Tag von Real überrumpeln, auch wenn sie das hinterher nur kleinlaut zugaben. Arjen Robben sagte, er sei "schon überrascht, dass eine Weltklassemannschaft wie Real Madrid sich hinten reinstellt im eigenen Stadion." So sah es teilweise auch aus: In einigen Szenen stand Arjen Robben mit dem Ball am Fuß nahe der Außenlinie und wartete, dass die Verteidiger sich bewegen würden. Nicht einmal den Gefallen taten sie ihm. Sie wussten um die Verwundbarkeit der Bayern: Wenn sie im Vorwärtsgang den Ball verlieren, sind sie ein paar Sekunden lang anfällig. Nun könnten die Münchner das Risiko minimieren, gerade auswärts, und einfach nur lange Bälle schlagen. Aber es widerstrebt ihnen, es widerstrebt ihrem Trainer Josep Guardiola, und so nehmen sie den Ballbesitz an, der Stärke und Dominanz verleihen kann – sich aber in Kryptonit verwandelt, sobald sich ein einziger Fehler in die endlosen Passfolgen schleicht. Dann stehen die Bayern hinten offen – und mit Real Madrid treffen sie auf einen Gegner, der die spielerische Klasse hat, um das in Tore umzuwandeln. Auch im Rückspiel.
Pressestimmen zum Hinspiel
"Sport": "Der FC Bayern ist eine Kopie von Barça ... ohne Messi. Guardiola kann schon jetzt die kugelsichere Weste anziehen, denn er wird sicher von Kritik überhäuft werden."
"Marca": "Das war eine Bestie, die man nicht fürchten musste. Die Bayern sind doch eine irdische Mannschaft."
"El Mundo": "Guardiola hat seine Jungfräulichkeit verloren. Als Trainer hat er bei seinem achten Gastspiel im Bernabéu erstmals verloren."
"La Stampa": "Königliche Blitze. Die Deutschen fangen besser an, doch dann zeigt sich die Qualität Madrids."
"Corriere della Sera": "Bayern attackiert, macht aber kein Tor, das Spektakel liefern dann Reals Konter."
"La Repubblica": "Gewonnen hat die Elf, die bestens in der Lage war, so zu spielen, wie sie es auch am besten kann: Abzuwarten, ohne sich verbissen zu verteidigen, um dann mit den bekannten Schlachtrössern loszulegen."
"Guardian": "Bayern hatte den Ball öfter, sie haben bloß einfach nichts damit gemacht. Sie haben jede Art von Pass gespielt, bloß den tödlichen nicht."
2. Thomas Müller muss spielen
"Sport": "Der FC Bayern ist eine Kopie von Barça ... ohne Messi. Guardiola kann schon jetzt die kugelsichere Weste anziehen, denn er wird sicher von Kritik überhäuft werden."
"Marca": "Das war eine Bestie, die man nicht fürchten musste. Die Bayern sind doch eine irdische Mannschaft."
"El Mundo": "Guardiola hat seine Jungfräulichkeit verloren. Als Trainer hat er bei seinem achten Gastspiel im Bernabéu erstmals verloren."
"La Stampa": "Königliche Blitze. Die Deutschen fangen besser an, doch dann zeigt sich die Qualität Madrids."
"Corriere della Sera": "Bayern attackiert, macht aber kein Tor, das Spektakel liefern dann Reals Konter."
"La Repubblica": "Gewonnen hat die Elf, die bestens in der Lage war, so zu spielen, wie sie es auch am besten kann: Abzuwarten, ohne sich verbissen zu verteidigen, um dann mit den bekannten Schlachtrössern loszulegen."
"Guardian": "Bayern hatte den Ball öfter, sie haben bloß einfach nichts damit gemacht. Sie haben jede Art von Pass gespielt, bloß den tödlichen nicht."
Und zwar immer. Josep Guardiola wird genau gewusst haben, warum er den Stürmer zunächst auf der Bank ließ. Nur verstanden hat es niemand, und Thomas Müller wollte es selbst nicht sagen: "Begeistert bin ich nicht. Aber ich bin nicht dazu da, das zu kommentieren." Tatsächlich soll er Tore schießen. Auch wenn er das nicht geschafft hat: Als Müller in der 74. Minute seine Arbeit aufnahm, wurde es erstmals so richtig gefährlich für Real. Der 24-Jährige nahm dem Offensivspiel diese Umständlichkeit, die sich in den letzten Wochen bei den Bayern breit gemacht hat. Beinahe holte er einen Elfmeter in der Nachspielzeit heraus. Als die Pfeife von Howard Webb stumm blieb, hatte man für einen Moment das Gefühl, die lodernden Augen des wütend heranstürmenden Müller würden den Engländer umstimmen. Diesen Energieschub könnten die Münchner auch im Rückspiel gebrauchen. So Guardiola will, gleich vom Anpfiff weg. "Wir haben nächste Woche eine Riesenaufgabe. Ich denke und hoffe, dass ich der Mannschaft da helfen kann", sagte Thomas Müller diplomatisch. Seine Bewerbung hatte er schon auf dem Platz abgegeben.
3. Die Galacticos sind tot, es lebe der Coloso
Natürlich, die "Galaktischen" um Ronaldo (den "echten", wie Lukas Podolski sagen würde), Figo und David Beckham sind längst Geschichte, aber die Einstellung der Königlichen lebt weiter: Die Besten der Besten und die Teuersten der Teuersten sollen in Weiß spielen. Aber der Sieg gegen die Bayern, es war nicht der Sieg von Cristiano Ronaldo oder Gareth Bale. Sondern der von Pepe, Luka Modric und Fabio Coentrao. Der Italiener Carlo Ancelotti hat eine Mannschaft geschaffen, die zunächst einmal auf Stabilität aus ist, die über Modric und Xabi Alonso das Spiel kontrollieren will – um dann in der richtigen Situation den Ball in die brillante Offensivreihe zu geben. Hinten steht mit Pepe und Sergio Ramos das wohl beste Innenverteidigerpaar dieser Saison. Keine einzige der 15 Bayern-Ecken brachte sie ins Wanken, die Flanken aus dem Halbfeld hatten sie ebenfalls weitgehend im Griff. Der einstmal unbeliebte und unberechenbare Pepe ist mittlerweile sogar zu einem Liebling der Fans aufgestiegen, die Sportzeitung "Marca" bezeichnete ihn heute schlicht als: "Coloso".
4. Kaiser Franz wird zu Stilikone
Beim Barte des Propheten, was war denn da los? Eines der wichtigsten Spiele der Saison stand an, und womit beschäftigten sich die sozialen Netzwerke? Mit dem neuen Style von Franz Beckenbauer. Der TV-Experte trägt seit neuestem Bart, Modell Heribert Faßbender. Sofort musste ein Hashtag auf Twitter her, unter #franzbart diskutierten die User sich die Finger heiß. Ohne jeden Tweet gesehen zu haben: Jeder einzelne war gehaltvoller als das, was den geschätzten Kollegen der "Bild"-Zeitung zu dem Thema einfiel. Kostprobe? "1990 führte uns Beckenbauer zum WM-Titel - ganz ohne Gesichtsbehaarung. Jetzt versucht er es ganz anders." Ähm ... häh? Aber halt, da kommt ja noch ein Satz: "Ob das den Bayern in der Champions League hilft?" Puh. Also, schätzungsweise … nein!?
5. Für ein Opernpublikum sind die "Madridistas" ganz schön laut
Madrid, Estadio Santiago Bernabeu, eine Stunde vor Anpfiff. Während sich der Großteil der 4000 Bayern-Fans warmsingt, lungern höchstens ein paar hundert Madrilenen in den Sitzen der Betonschüssel. Klar, verwöhntes Opernpublikum, wie sollte es anders sein. Was man von der Pressetribüne aus nicht sehen kann: Vor dem Stadion empfangen tausende Madridistas lautstark den Mannschaftsbus. Als sich die 80.000-Zuschauer-Arena gefüllt hat, und die Mannschaften vorgestellt werden, geben die Fans eine erste akustische Kostprobe ab: ein ohrenbetäubendes Pfeifkonzert gegen Hassfigur Josep Guardiola, an Lautstärke erst übertroffen vom Torjubel nach Karim Benzemas Treffer zum 1:0. Einen "Hexenkessel" nannte Bela Rethy das Bernabeu im ZDF. Dafür fehlten die Pyro-Effekte, aber die will ja bei der Uefa und im ZDF keiner sehen.
6. Don't mix politics and the game
Fast alle 4000 mitgereisten Bayern-Fans standen rund zwei Stunden vor dem Spiel vor dem Eingang zum Gästeblock, die Polizei war mit Mannschaftswagen und einigen Beamten vor Ort. Auf einmal kam Unruhe unter einigen Fans auf, einige Beamte schubsten sie wieder in ihre Reihen zurück. Offenbar hatten einige herumstehende Spanier ihren Unmut über die deutsche EU-Politik geäußert. Ein Mann trug ein Schild mit der Aufschrift: Berlin ruiniert zum dritten Mal Europa. Die kollektive Antwort aus tausenden Kehlen: "Deutschlaaaand, Deutschlaaaand"-Rufe. Es geht auch sympathischer.
Quelle: ntv.de