Fußball

Alle gut, Müller am besten Der brutalste FC Bayern, den es je gab

Was für eine unfassbare Show des FC Bayern: Im Viertelfinale der Champions League nimmt die Mannschaft von Coach Hansi Flick den FC Barcelona brutal auseinander. Die Leistung gegen die Katalanen lässt den sonst so zurückhaltenden Trainer überraschend forsch werden.

Es ist ja fast ein wenig ungehörig mit dieser Phase dieses historischen Fußballspiels zu beginnen. Aber es ist Teil der frühen Wahrheit, dass auch der FC Bayern, die Mannschaft, die den ruhmreichen FC Barcelona am Freitagabend im Viertelfinale der Champions League in aller Brutalität gedemütigt hatte, ein winziges bisschen Glück hatte. Nachdem Abwehrchef David Alaba eine Hereingabe von Jordi Alba unglücklich und spektakulär per Grätsche und Lupfer zum 1:1 abgefälscht hatte (7.), scheiterte kurz darauf Luis Suárez freistehend vor Manuel Neuer, ehe Lionel Messi den Ball an den Pfosten schlenzte - auch weil vier seiner erneut freistehenden Kollegen in majestätischer Ehrfurcht ein erfolgreiches Abfälschen verweigerten.

Für vier Minuten war der FC Barcelona tatsächlich das, was man einen Gegner nennen darf. Vier Minuten! Eine Peinlichkeit, eine Schande. Eine, die in einem aberwitzigen 8:2 (4:1) der Münchner gipfelte. Kein Spiel sei das in Lissabon gewesen, sondern "kaltblütiger Mord", raunzten die wieder einmal unerbittlichen Medien aus der spanischen Heimat. Tatsächlich war es eine selten gesehene fußballerische Perfektion. Der womöglich spektakuläre Beginn einer neuen Ära beim FC Bayern. Und gleichzeitig das sehr schmerzhafte Begräbnis einer alten Ära (beim FC Barcelona). Niemals in einem Duell zwischen zwei Teams dieser Qualität wurde die Diskrepanz zwischen Gier und Idee sowie Ermattung einer großen Generation und Planlosigkeit so sehr deutlich wie an diesem Abend im leeren Estádio da Luz.

Mit nahezu jeder Aktion taten die Münchner ihrem Gegner weh. Mit ihrer Power, mit ihrem Tempo, mit ihrem brutal aggressiven und effektiven Pressing. Der FC Barcelona, er wurde vom deutschen Rekordmeister in eine Reihe mit dem FC St. Pauli und dem Hamburger SV gestellt, die in den vergangenen Jahren ja ebenfalls mit acht Toren amtlich verdroschen wurden. Aber es waren eben St. Pauli und der HSV, zwei Klubs also, die bereits seit vielen Jahren keine tragende Rolle mehr im deutschen Fußball spielen. Aber Barça? Die Mannschaft, die Europa einst mit ihrem legendären Tiki-Taka in zwei Lager spaltete. In Bewunderer (der Dominanz). In Verächter (der Dominanz). Nun, was da am Freitagabend passiert war, es war ein Jahrhundertsieg.

Die gleichen Protagonisten wie 2014

FC Barcelona - Bayern München 2:8 (1:4)

Barcelona: ter Stegen - Nelson Semedo, Pique, Lenglet, Jordi Alba - Busquets (70. Fati) - Roberto (46. Griezmann), de Jong - Messi, Suarez, Vidal. - Trainer: Setien
München: Neuer - Kimmich, Jerome Boateng (76. Süle), Alaba, Davies (84. Hernandez) - Thiago, Goretzka (84. Tolisso) - Thomas Müller - Gnabry (75. Coutinho), Lewandowski, Perisic (67. Coman). - Trainer: Flick

Schiedsrichter: Damir Skomina (Slowenien)
Tore: 0:1 Thomas Müller (4.), 1:1 Alaba (7., Eigentor), 1:2 Perisic (21.), 1:3 Gnabry (27.), 1:4 Thomas Müller (31.), 2:4 Suarez (57.), 2:5 Kimmich (63.), 2:6 Lewandowski (82.), 2:7 Coutinho (85.), 2:8 Coutinho (89.)
Zuschauer: keine (in Lissabon)
Gelbe Karten: Suarez, Jordi Alba, Vidal - Jerome Boateng, Davies, Alaba, Kimmich

Ein Sieg wie damals, am 8. Juli 2014, als die deutsche Nationalmannschaft Brasilien bei der Heim-WM in Rio mit 7:1 vorführte. Damals wie auch nun mit gleichen Protagonisten. Mit Thomas Müller, der damals wie nun, den ersten Treffer erzielte. Mit Jérôme Boateng, der grätschte und kaiserliche Eröffnungen spielte. Mit Manuel Neuer, der da war, wenn er da sein musste. Und mit Hansi Flick, der damals als Co-Trainer großen Einfluss hatte. Und nun als Chef noch so viel mehr. Der 55-Jährige, der sich bei den Bayern eiligst vom Assistenten über die Stationen Mini-, Midi- und Maxi-Interim zum Hauptverantwortlichen hocharbeitete, erzählt die absolut erstaunlichste Geschichte der Saison. Es ist eine Geschichte von Empathie, von Idee, von Vertrauen (vor allem bei den abgeschriebenen Helden Müller und Boateng) und von Vehemenz. Es ist eine Geschichte, die nun mit dem zweiten Triple der Vereinsgeschichte enden soll.

"Jetzt geht es darum, das sacken zu lassen und uns dann auf das nächste Spiel so vorzubereiten, um das, was wir wollen, auch zu schaffen: Ganz oben zu stehen", sagte Flick nun in ungewöhnlicher Deutlichkeit. Es ist eine Deutlichkeit, die sich die Bayern leisten können. Oder sogar müssen. Denn nach dieser Gala ist die Favoritenrolle im Wettbewerb klar vergeben. Selbst wenn im Halbfinale Manchester City mit Ex-Coach Josep Guardiola (ein Sieg am Abend gegen Olympique Lyon vorausgesetzt) und im Finale Paris St. Germain oder tatsächlich RB Leipzig warten könnte. Ausgerechnet Leipzig, das der Mannschaft von Flick in den 24 bisherigen Pflichtspielen des Jahres den einzigen Punktverlust (!) abgetrotzt hatte. Und das sehr verdient. Sogar ein Sieg wäre möglich gewesen. Auch das durchaus verdient.

Brutaler Fokus, brutale Dominanz

Seither sind die Bayern aber noch mal konzentrierter. Noch mal aggressiver. Noch mal mehr mia san mia. Zweifel an ihrer Mission gab und gibt es seit Monaten nicht. Weder die Corona-Zwangspause brachte das Team außer Rhythmus noch die lange spielfreie Zeit zwischen Pokalsieg und Wiederaufnahme der Champions League. "Wir haben wirklich mit einem brutalen Fokus gespielt", befand Joshua Kimmich, der als Rechtsverteidiger wieder einmal eine überragende Leistung ablieferte und diese mit einem Tor nach sensationeller Vorarbeit von Alphonso Davies veredelte.

Überragend, das ist eine Beurteilung, die sich fast auf das ganze Team übertragen lässt. Auf Thiago, der das Spiel perfekt orchestrierte. Auf Leon Goretzka, der dem FC Barcelona keine Räume zum Spielen bot. Auf Ivan Perišić, der mit seiner Wucht nochmal hinterlegte, warum die Bayern aus seiner Leihe unbedingt einen Kauf machen sollten. Und ganz besonders auf Thomas Müller, der nach sehr vielen sehr guten Spielen in den vergangenen Monaten nun sein wohl bestes bestritt. Zwei Tore waren nur der sichtbarste Beleg seiner Dominanz. "Thomas ist Man of the Match, das hat er sich auch verdient", schwärmte Flick. "Er war für uns immer wieder Signalgeber für unser Pressing. Das macht er einfach hervorragend." Und Müller selbst? Der lobte: "Wir waren brutal dominant." Der womöglich brutalste FC Bayern, den es je gab.

Quelle: ntv.de

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