Wie wertvoll ist er für den BVB? Der neue Götze ist nicht mehr der alte
19.11.2016, 10:53 Uhr
Etwas Ablenkung vom Fußball tut auch Mario Götze gut.
(Foto: REUTERS)
Mario Götze verlässt den FC Bayern, kehrt zum BVB und will wieder Freude am Fußball finden. Hat geklappt, sagt er. Wer das verstehen will, muss sich vor dem Topspiel gegen die Münchner von alten Erinnerungen verabschieden.
Noch dürfte sich der FC Bayern bestätigt fühlen: Mario Götze im vergangenen Sommer wieder an Borussia Dortmund abzugeben, sozusagen im Tausch gegen Mats Hummels - wenngleich die Transfers völlig unabhängig voneinander gelaufen sind - war keine so ganz schlechte Idee. Denn weder wird der Dribbler im Münchner Spiel vermisst, noch hebt er das des BVB so offensichtlich auf ein neues Level, dass sie sich an der Säbener Straße fragen lassen müssten: Was habt ihr eigentlich drei Jahre mit ihm gemacht? Das große Versprechen des deutschen Fußballs hat in München keine Spuren hinterlassen, hat die Leichtigkeit und Spielfreude aus erfolgreichen Dortmunder Tagen verloren - und sie auch in Dortmund noch nicht wiedergefunden.
- Mario Götze wurde am 3. Juni 1992 in Memmingen geboren.
- Im Jahr 2009 begann er seine Profikarriere bei Borussia Dortmund.
- Für den BVB absolvierte er bis zu seinem Wechsel im Sommer 2013 83 Bundesligaspiele und schoss 22 Tore.
- In München traf er in drei Jahren ebenfalls 22 Mal, in allerdings nur 73 Spielen.
- Sein größter Erfolg ist der WM-Titel 2014, bei dem er das entscheidende Tor zum 1:0-Erfolg im Finale gegen Argentinien erzielte.
- Mit dem BVB und dem FC Bayern wurde er fünfmal Deutscher Meister und gewann dreimal den DFB-Pokal.
An diesem Samstag nun treten die Bayern zum Topspiel des elften Spieltags bei der Borussia (ab 18.30 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) an. Und eine der großen Fragen vor dem Duell der beiden Bundesliga-Schwergewichte lautet: Was haben drei Jahre München aus dem Fußballer Mario Götze gemacht? Er selbst sagte erst vor zwei Wochen - nach sechs Bundesligaspielen, alle ohne Torbeteiligung - in einem Interview bei dfb.de: "Für mich läuft es sehr gut. Ich habe meine Aufgabe, der Trainer sagt mir genau, was er von mir fordert. Ich glaube, es wird immer besser. Ich bin fit, bin gut drauf. Wenn die eine oder andere Situation noch besser ausgespielt wird, und wenn ich noch mehr in diese gefährlichen Räume komme und die entscheidenden Punches setzen kann, dann ist das für mich persönlich noch besser. Aber ich bin guter Dinge und auf einem guten Weg."
Er kann's schon noch
Wer das verstehen will, muss sich von alten Erinnerungen verabschieden. Götze strahlt seit seiner Rückkehr kaum noch Torgefahr aus. Er zeigt auch nur noch ganz selten das, was ihn in den Jahren 2011 und 2012, als er mit dem BVB Deutscher Meister wurde und die Bayern arg piesackte, zu einem der größten Versprechen im deutschen Fußball machte: Antritt, Tempo, Dribblings. Diese spektakulären Momente sind rar, aber rs gibt sie noch: Vor drei Wochen etwa, als er im Revierderby gegen Schalke, in der 73. Minute so elegant und anspruchsvoll in und durch den Strafraum der Königsblauen dribbelte, wie in seinen besten Dortmunder Zeiten.
Und prompt kam wieder die Frage auf, die Götze selbst so sehr nervt. Ob er denn nun wieder der "Alte" sei. Das sei, so betonte er erst vergangene Woche gegenüber der "Bild"-Zeitung noch einmal "absoluter Quatsch. Soll ich mich jetzt wieder zum 18-Jährigen machen? Ich habe inzwischen fast 60 Länderspiele, sechs Jahre Erfolg bei Bayern und Dortmund gehabt, bin fünfmal Meister geworden - das sind Fakten." Jeder Fußballer entwickele sich weiter, sagt er. Doch ausgerechnet in seinem Fall ist das besonders schwer nachzuvollziehen - weil sich sein Wert im Live-Modus mittlerweile kaum noch erschließen lässt, ganz anders als während seiner ersten Dortmunder Zeit.
Bei der Borussia indes loben sie ihren Heimkehrer. Seinen Wert für die Mannschaft merke man erst dann, wenn er nicht spielt. Dann nämlich verliere das BVB-Spiel Struktur. Beim 2:2 gegen Real Madrid sei das nach seiner Auswechselung durchaus so gewesen, befand Trainer Thomas Tuchel. Und gegen Ingolstadt, beim spektakulären 3:3, habe die Borussia erst richtig funktioniert, als Götze beim Stand von 1:3 eingewechselt worden sei, urteilte Klubboss Hans-Joachim Watzke – ohnehin einer der größten Verteidiger des 24-Jährigen. Der neue Götze spielt häufiger den Pass vor dem entscheidenden Anspiel. Er öffnet damit Räume für seine Mitspieler. Eine solche Art des Spiellenkens ist extrem schwer zu bewerten. Was sich auch in den externen Beurteilungen über die Leistung des Dortmunders niederschlägt, die selbst in nur einem Spiel mitunter maximal voneinander abweichen.
Eine gute Geschichte! Wirklich?
Bei allen Komplimenten und Verteidigungsreden wissen aber auch die Verantwortlichen bei der Borussia, das ihr Spielmacher noch mehr zeigen kann – und muss. Mitte Oktober erklärt Watzke daher: "Mario lebt von der Selbstverständlichkeit in seinem Spiel. Davon, dass er im Gegensatz zu anderen gar nicht darüber nachdenken muss, was er mit dem Ball macht. Bei ihm ist das eine einzige fließende Bewegung. Dafür braucht er totales Selbstbewusstsein, das ihm durch seinen Wechsel nach München abhandengekommen ist. Ich bin sicher: Das wird eine gute Geschichte mit ihm."
Wie gut sie wirklich wird, wird sich jetzt zeigen, wo die komplette Offensivreihe der Dortmunder wiedergenesen ist. Ohne den lange verletzten Weltmeister André Schürrle und den vielleicht schon am Samstag gegen die Bayern comebackenden Nationalelf-Kollegen Marco Reus hatte Götze in der Mittelfeldzentrale neben Gonzalo Castro oder Portugals Europameister Raphael Guerreiro noch nicht den ganz großen Konkurrenzdruck. Die in dieser Saison bisher so stark aufspielenden und in die Startelf drängenden Talente Christian Pulisic und Ousmane Dembéle haben ihren Platz noch auf den Außenpositionen.
Aber mit den beiden Rekonvaleszenten wird sich die Statik des Dortmunder Spiels wieder komplett ändern. Schürrle hat vor seiner Verletzung voll überzeugt, ist absoluter Stammelf-Kandidat und ein fitter Reus ohnehin gesetzt. Was also macht Götze? Der "Alte" will er ja nicht mehr sein. Der allerdings würde ohne Zweifel immer spielen. Und die Bayern vielleicht doch noch ins Grübeln bringen, ob's so eine gute Idee war, ihn ziehen zu lassen.
Quelle: ntv.de