Fußball

Experte stimmt zu Deutsche glauben nicht an die Macht der WM

Wenige Tage vor dem Beginn der umstrittenen Fußball-Weltmeisterschaft glaubt ein großer Teil der Deutschen nicht, dass das Turnier die Menschenrechtssituation verbessern wird. Ein Experte stimmt zu - und warnt, dass sich vor allem die Situation der LGBTIQ+-Community sogar verschlechtern werde.

Am kommenden Wochenende startet die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL und ntv* geben insgesamt 45 Prozent der Befragten an, dass sie sich während der WM Live-Übertragungen der Spiele ansehen wollen. 28 Prozent der Befragten wollen nur Spiele mit deutscher Beteiligung, weitere 17 Prozent auch Spiele ohne deutsche Beteiligung sehen.

Über die Hälfte (54 %) aller Befragten hat nicht vor, WM-Spiele in der Live-Übertragung zu verfolgen. Der Anteil derjenigen, die sich überhaupt Spiele - ob mit oder ohne deutsche Beteiligung - ansehen wollen, ist somit deutlich geringer als noch vor vier Jahren bei der WM 2018 in Russland: Damals wollten noch drei Viertel (76 %) aller Befragten zumindest einen Teil der Spiele ansehen. Auch von denjenigen, die sich generell für Fußball interessieren, will mehr als jeder Vierte (28 %) keine WM-Spiele verfolgen.

Von den Befragten, die sich keine Live-Übertragungen der WM-Spiele ansehen wollen, geben jeweils ähnlich viele Befragte an, dies nicht vorzuhaben, weil sie sich grundsätzlich nicht für Fußball interessieren (43 %) oder weil die WM in diesem Jahr in Katar stattfindet (45 %). Bezogen auf alle Bundesbürger bedeutet dies, dass fast jeder vierte Bundesbürger (23 %) die Spiele aufgrund des Austragungsorts nicht ansehen möchte.

82 Prozent glauben nicht an Verbesserungen

Die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar steht wegen der dortigen Menschenrechtslage in der Kritik. Neben Korruptionsvorwürfen und der Situation der ausländischen Bauarbeiter wird zum Beispiel auch die Diskriminierung von Homosexuellen in Katar beanstandet. Dennoch findet es fast die Hälfte der Befragten (47 %) in Ordnung, dass Fußball-Fans aus Deutschland, trotz der Menschenrechtsverletzungen in Katar, zur WM fahren. Ähnlich viele (46 %) finden dies nicht in Ordnung.

Dass die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar dazu beiträgt, die Menschenrechtssituation in dem Land zu verbessern, glauben nur wenige Befragte (16 %). Mehrheitlich (82 %) glauben die Bürgerinnen und Bürger nicht daran. Auch der Islamwissenschaftler Dr. Sebastian Sons, der am CARPO-Institut in Bonn forscht, befürchtet für die Zeit nach der Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar sogar eine Verschlechterung der Lage für Menschen aus der LGBTIQ+-Community im Land. "Wenn der Scheinwerfer WM wegfällt, dann hat die Regierung hier vor Ort eigentlich nicht mehr die Notwendigkeit einem internationalen Publikum gerecht werden zu müssen", urteilt Sons und erklärt: "Deswegen befürchte ich, dass Menschen, insbesondere aus der LGBTIQ-Community größere Probleme bekommen werden, weil Identitätspolitik in den Golfstaaten einfach eine ganz wichtige Rolle spielt."

Zur politischen Identität des Landes gehöre es demnach, die gesellschaftlichen Vorgaben der Regierung zu befolgen, die Homosexualität mehrheitlich ablehne. Dementsprechend könnte die Zeit nach der WM dazu führen, "dass Repressionen zunehmen, dass Marginalisierung zunimmt, dass soziale Ausgrenzung weiter zunimmt und dass diese Menschen noch viel mehr in Bedrängnis geraten und eventuell dann auch das Land verlassen müssen", so die Einschätzung des Islamwissenschaftlers. Die Haltung des Landes gegenüber der LGBTIQ+-Community sei trotz anderslautender Beteuerungen zudem nicht vordergründig kulturell, sondern politisch begründet: "Diese LGBTIQ-Frage, das ist keine kulturelle, das ist auch keine religiöse, das ist eine politische Frage. Es geht hier um Macht und wer hat Macht und wer gibt auch Macht ab. Und in autoritären Regimen ist das eben ganz, ganz schwer, weil man dann vielleicht auch oppositionellen Gruppierungen sehr schnell Tür und Tor öffnet und damit seine eigene Macht untergräbt."

"Sehr vorsichtig sein"

"Rote Karte statt Regenbogen – Homosexuelle in Katar"

ntv zeigt die aktualisierte 25-minütige Reportage "Rote Karte statt Regenbogen – Homosexuelle in Katar" am 18. November um 19.30 Uhr erstmals in voller Länge. Zeitgleich steht sie auf RTL+ zum Abruf bereit.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hatte zuletzt homosexuelle Personen vor einer Reise nach Katar gewarnt. Es bestehe "ein großes Risiko", dass das Zeigen von gleichgeschlechtlicher Liebe "geahndet wird", sagte Wenzel Michalski, Direktor von Human Rights Watch Deutschland bei Sky: "Egal welche Zusicherungen es gibt. Katar ist kein Rechtsstaat. Da kann man nichts einklagen." Homosexualität steht im Emirat unter Strafe. Premierminister Scheich Chalid bin Chalifa Al-Thani hatte gegenüber der deutschen Innenministerin Nancy Faeser zuletzt allerdings eine "Sicherheitsgarantie" für Personen der LGBT-Community ausgesprochen. Er würde allen Homosexuellen dennoch raten, "sehr vorsichtig" zu sein, so Michalski: "Nicht nur öffentlich und auf der Straße, sondern auch was online betrifft. Die katarische Regierung liest bei WhatsApp mit, wenn sie möchte."

Es solle dabei auch keiner auf den Schutz des Weltverbandes FIFA oder heimischer Politiker hoffen. "Da ist eine Feigheit zu sehen", führte der Direktor von Human Rights Watch aus: "Da kann man sich als Fußballfan nicht drauf verlassen, dass man geschützt wird, wenn man dort in Gefahr kommt." Mögliche Maßnahmen Katars seien "hart" und würden von Stockhieben bis hin zu Gefängnisstrafen reichen.

*Die Daten wurden vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag von RTL Deutschland am 15. November und 16. November 2022 erhoben. Datenbasis: 1.001 Befragte. Statistische Fehlertoleranz: +/- 3 Prozentpunkte. Weitere Informationen zu Forsa hier. Forsa-Umfragen im Auftrag von RTL Deutschland.

Quelle: ntv.de, ter

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen