Trainingsauftakt bei den Bayern Die Entzauberung des Pep Guardiola
26.06.2013, 07:25 Uhr
(Foto: dpa)
Das erste gemeinsame Antraben der Bayern-Stars soll zur Krönungsmesse für Pep Guardiola werden. Alles ist sauber inszeniert - 25.000 Jünger in Rot, Blau und Weiß werden dem Fußball-Heiligen zujubeln. Am Ende dürften sie zu einer ernüchternden Erkenntnis kommen.
Wie soll er das heute noch toppen? Pep Guardiolas erster Auftritt in München war schon ganz großes Kino. Majestätische Klänge begleiteten den ersten Ausflug des Trainers auf den Rasen der Allianz Arena. Fotokameras klickten, Fernsehsender wie n-tv übertrugen live. 250 Reporter aus aller Welt wollten ihn sehen, seine Aura spüren und beschreiben. Sie dichteten "Kanzler Guardiola", "Guardiola, der Verführer" und "Guardiola lässt die Menschen träumen".
Jetzt beginnt das Alltagsgeschäft. Dehnübungen mit Schweinsteiger, Lauftraining mit Ribéry stehen auf dem Programm. Nach dem Höhenflug der Präsentation fällt der spanische Ex-Nationalspieler auf den harten Boden des Fußballgeschäfts. Eine lange Sitzung mit seinem Trainerstab stand bereits an, viele weitere Gespräche folgten - sein Terminkalender ist jetzt schon prall. Denn Guardiola gilt auch als Besessener und ehrgeiziger Perfektionist.
Training wird zur nächsten Pep-Show
Doch der FC Bayern wäre natürlich nicht der FC Bayern, wenn das erste Training eine normale Einheit an der Säbener Straße sein würde. Nein, Guardiolas Premiere als Übungsleiter muss natürlich in der Arena stattfinden. Auch wenn es um gar nichts geht und Stars wie Luiz Gustavo, Dante und Javi Martínez noch gar nicht dabei sind, weil sie beim Confederations Cup spielen. Star-Zugang Mario Götze fehlt verletzt.

Die Kabine ist noch leer, hier wird es aber schon bald wieder nach Männerschweiß riechen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Und doch sollen 25.000 Fans am ersten und 25.000 weitere am zweiten Tag zu einer vergleichsweise ereignisarmen Veranstaltung pilgern - dicker auftragen geht gar nicht. Die Ränge wären wohl noch voller, wenn die Behörden nicht Nein gesagt hätten: Auf der U-Bahn-Linie zum Stadion herrscht Ersatzverkehr, weshalb nicht mehr Zuschauer kommen dürfen. Die lebende Trainerlegende Guardiola trifft auf die eiskalte Realität des bayerischen Alltags - Schienenersatzverkehr ist so ziemlich das krasseste Kontrastprogramm zum Hype um den Trainer-Messias.
Immerhin kommt Guardiolas Sogwirkung einem sozialen Zweck zugute: Die Einnahmen aus den fünf Euro teuren Tickets werden an die Opfer der Flutkatastrophe gespendet. So wird der übermenschliche Pep, der sich mit Künstlern umgibt, im Handumdrehen Deutsch lernte und mit dem FC Barcelona 14 von 19 möglichen Titeln abräumte, auch noch so etwas wie ein mildtätiger Gutmensch.
Guardiola wird (noch) nicht übers Wasser laufen
Doch unbestritten ist: Es geht um Fußballtraining. Guardiola wird gegen 17.00 Uhr in die Arena kommen (oder muss man sagen: Er wird erscheinen?) und dort begutachten, wie Toni Kroos und Jan Kirchhoff sich Bälle zupassen. Vermutlich werden sie auch noch joggen und um Plastikhütchen herumlaufen. Guardiola hat bislang nicht angekündigt, übers Wasser laufen zu wollen. Aber auch beim Training werden wieder zig Fotografen die Gesten Guardiolas verfolgen. Trägt er Trainingsjacke oder einen Pullover? Ist er stiller Beobachter oder schreit er quer übers Feld? Setzt er auf Kräftigungsübungen oder möglichst viel Kunst mit dem Ball?
Selbst dem galanten Katalanen ist das ganze Brimborium zu viel, während seiner Präsentation am Montag stellte er trocken fest: "Die Fans kommen in die Arena, um die Spieler zu sehen und nicht mich als Trainer." Ohnehin ist der 42-Jährige gut beraten, tief zu stapeln. Er betritt persönliches Neuland, denn es ist seine erste Karrierestation als Trainer im Ausland. Während seiner aktiven Zeit auf dem Platz hatte er auch jahrelang in Italien gekickt.
Deshalb ist die Frage berechtigt, ob die hohen Erwartungen Guardiola auch erdrücken können. Nachdem die Bayern in der abgelaufenen Saison mit dem Triple einen maximalen Ertrag aus der Saison herauspressten, kann der Jupp-Heynckes-Nachfolger beinahe nur Fehler machen. Als Trainer-Messias gefeiert zu werden, ist eine Ehre. Es kann aber auch zur Last werden, falls seine Jungs doch einmal einen schlechten Tag erwischen und mit einem 0:0 gegen Eintracht Braunschweig vom Platz gehen. Oder wenn in der Allianz-Arena doch nur Toni Kroos und Jan Kirchhoff an einem Nachmittag im Juni um Plastikhütchen herumlaufen.
Quelle: ntv.de