Bier, Bratwurst und Ballermann Die "Liga der Weltmeister" stellt sich vor
26.08.2014, 11:24 Uhr
Für immer Westfalenstadion: Dortmunds Fans auf der Südtribüne.
(Foto: imago/Schiffmann)
Die PR-Gurus der Bundesliga möchten etwas vom Glanz der Weltmeister abhaben. Doch auch in der gelackten Welt der Elitevereine bewahrt sich der Kern des Fußballs. In München, in Dortmund - und in Paderborn sowieso.
Paderborn ist bekannt für seinen Dom und seine Backfischbrötchen. Zumindest bei dem Mainzer Fan, der auf dem Weg zum ersten Saisonspiel seines FSV beim SCP anderthalb Sitze im Bus einnimmt. "Bin ja mal gespannt, ob die noch so gut schmecken wie im Hermann-Löns-Stadion", sagt er träumerisch. Das bis zu diesem Sonntag letzte Mal, dass die beiden Vereine sich trafen, spielten sie noch in der Zweiten Liga, in der Saison 2007/2008 war das. In einem Schland vor unserer Zeit.
"Herzlichen willkommen in der Liga der Weltmeister", das sagte "Sky"-Moderatorin Jessica Kastrop am Sonntag zu Paderborns Trainer André Breitenreiter. Irgendein PR-Weltmeister hat sich diesen Spruch einfallen lassen, der nun unaufhaltbar durch die Medien geistert. Begleitet von Rekordmeldungen über die 207 Länder, in die der Bundesliga-Auftakt übertragen wurde, und die 250 Millionen Euro, die die Liga bald jedes Jahr mit der Auslandsvermarktung einnehmen will. Aber wer sich Breitenreiter so anschaute mit seinem "Kfz-Teile24"-Sponsoren-Button, hinter ihm die Werbetafeln der Fahrschule Udo Ringhoff und der A. Picht Bauklempnerei, der bekam eine Ahnung: Es ist auch immer noch die Liga der Backfischbrötchen. Wie in Paderborn, in diesem Wellblechbau, in dem der Klub seit sechs Jahren seine Heimspiele austrägt und der auch nicht mehr den Namen des Heimatdichters trägt.
Hermann Löns, die Heide brennt
In der neuen Saison spielen 15 deutsche Weltmeister in der Bundesliga. Am Auftaktspieltag waren sie meist weniger an ihrer Leistung zu erkennen, als an den Blumensträußen, die sie vor dem Anpfiff von Vereinsoffiziellen in die Hand gedrückt bekamen. Für eine "Liga der Weltmeister" sind sie genau genommen etwas ungleich verteilt: Sechs arbeiten für den FC Bayern München, fünf für Borussia Dortmund, zwei für den FC Schalke und je einer für Borussia Mönchengladbach und Hannover 96.
Paderborn hat einen Whiskey-Abfüll-Weltmeister - was passt, schließlich feiern sie die Tore für ihren SCP ja auch mit einem Sauflied: "Hermann Löns, die Heide brennt!" Dieser Hauch, besser: dieser Odem von Schützenfest, der das Stadion in Paderborn durchweht, er ist derselbe, den Millionen Hobby-Kicker aus den Kreisligen der Republik kennen. Bier, angebrannte Bratwurst und Ballermann.
Auch beim BVB regiert diese heilige Trinität - Champions-League-Finale hin, Kapitalerhöhung her. Im Kreuzviertel, wo sich die Fans vor den Spielen versammeln, gibt es bei "Hubertus’ Grill" Frikadelle mit Pommes, das Brinkhoff’s ´mit falschem Apostroph kaufen sie an der Trinkhalle. Und weit vor Spielbeginn tönt "Rubbeldikatz am Borsigplatz" durch das Stadion, ein Lied, das bestenfalls als sinnlos durchgeht, schlimmstenfalls aber seine sexuelle Konnotation kaum verhehlen kann - selbst wenn man den gleichnamigen, leicht bis mittelschwer anzüglichen Song der Ruhrpott-Punkband "Eisenpimmel" nicht kennt.
Die teuersten Dauerkarten der Liga
Bei aller Folklore - dem harten Kern der BVB-Fans stößt der spürbare Vormarsch des Kommerzes übel auf. Im Spiel gegen Leverkusen zeigte die Südtribüne ein Transparent mit der Aufschrift "Prostitution statt Tradition - für immer Westfalenstadion". Auch wenn es schon kaum mehr auffällt: Nur vier Bundesliga-Stadien tragen keine Sponsorennamen. Selbst Paderborn hat die Rechte verkauft und spielt in der Benteler-Arena - und ruft im Übrigen die höchsten Dauerkarten-Preise der Liga auf: 850 Euro für Sitzplätze.
Borussia Dortmund verlangt rund 40 Prozent mehr Geld für eine Dauerkarte als noch 2005. Mit den Preisen gehen offenbar auch die Erwartungen durch die Decke: Am Samstag, beim Stand von 0:1, setzte ab der 89. Minute plötzlich die Abwanderung von den Tribünen ein. Manche winkten nur enttäuscht ab, andere motzten, meist über den teuren Neuzugang Ciro Immobile. Dabei demonstrierte die Südtribüne einmal mehr, was Reporter meinen, wenn sie von einem "gellenden Pfeifkonzert" sprechen; das Stadion kochte, weil Schiedsrichter Deniz Aytekin eine weitestgehend unbekannte Regel korrekt anwendete. Aber die Tribünen leerten sich. Sieht so die "Echte Liebe" aus, die das Vereinsmotto beschwört?
In München hat man sich an solche Szenen schon gewöhnt - gegen Wolfsburg begann der Exodus pünktlich in der 85. Minute. Was nutzt auch der schönste SUV, wenn er im Parkhaus-Ausgang im Stau steht? Auf jeden Fall ausharren müssen die traurigen Gestalten, die auf der Gegentribüne das Telekom-T bilden, in weiße Regencapes gehüllt, in einem komplett überdachten Stadion. Man wüsste nur zu gern, wer sich zu dieser entwürdigenden Aktion zwingen lassen muss: Ungezogene Jugendspieler des FC Bayern? Telekom-Mitarbeiter mit frischer Abmahnung? Insassen der JVA Landsberg auf außerordentlichem Freigang?
In Paderborn standen sie in den letzten Minuten. Weil sie Paderborner sind. Auch in der 76. Minute waren sie aufgestanden. Da war Elias Kachunga gegangen. Dem Stürmer war nicht viel gelungen in diesem Spiel. Trotzdem hatte man so das Gefühl, dass dieser Elias Kachunga nie wieder in seinem Leben in Paderborn für sein Essen zahlen muss. Denn er hatte ein Tor erzielt. Das erste für den SCP in der Fußball-Bundesliga überhaupt. In der Liga der Weltmeister.
Quelle: ntv.de