Sechs Lehren des Spieltags Die Pepokalypse fällt aus, Boateng büßt
05.05.2014, 13:54 Uhr
Pepokalypse now? Nö.
(Foto: dpa)
Bundesliga-Endspurt, und was für einer! Der FC Bayern meistert die Hürde HSV, Josep Guardiola bleibt, nur eine Watschn trübt die Stimmung. Bremen schwelgt derweil im schönsten Happy End ever und der BVB begrüßt eine alte Bekannte zurück.
1. Die Pepokalypse fällt vorerst aus
Der FC Bayern hat katastrophale Wochen hinter sich. Erst nahm der kleine FC Augsburg den großen Münchnern den Nimbus der Unbesiegbarkeit. Dann mutierte der vereinseigene Fußball-Kaiser zu #Franzbart Beckenbauer und Werder Bremen schoss zwei Tore in München - ehe Real Madrid in der Champions League den großen Doppel-Triple-Traum auf brutalstmögliche Weise zerstörte. Bayern-Coach Josep Guardiola wurde in dieser Zeit vom vielgelobten fußballphilosophischen Lordsiegelbewahrer des schönen Fußballs zum Apologeten einer womöglich überholten Spielidee, der des Ballbesitzfußballs.
So groß war der Aufruhr, dass sich Fußballdeutschland vor dem 33. Spieltag insgeheim fragte, ob nicht sogar der Zwergriese Hamburger SV eine Nummer zu groß sein könnte für diese Krisen-Bayern. Ja, richtig, der Hamburger SV! Nach Guardiolas ultimativ anmutender Pressekonferenz vor dem Spiel ("Wir werden mit meinen Ideen spielen. Sonst kann ich nicht hier trainieren") schien alles möglich - sogar der ganz große Knall, in München weiß man ja nie. Es hat dann doch nicht geknallt in Hamburg, seit dem frühen Samstagabend hat sich der Fußball-Herzschlag in der Republik wieder beruhigt. Mit 4:1 gewannen die Münchner, ohne sich übermäßig verausgaben zu müssen, drei Tore erzielten die Reservisten Götze und Pizarro und sogar Guardiola war irgendwie zufrieden. "Nach der Champions-League-Niederlage war es heute nicht einfach. Aber wir haben uns in die Partie gekämpft", fand der Spanier: "Der Sieg war gut für unseren Rhythmus in der Vorbereitung auf das Pokalfinale in Berlin in zwei Wochen gegen Borussia Dortmund." Dort will der FC Bayern aus einer guten Saison eine exzellente machen - damit es nicht doch noch knallt.
2. Die Gier ist zurück in Dortmund
Vor gut einem Jahr, im März 2013, da hatte Dortmunds Jürgen Klopp schlechte Laune. Nach dem Pokal-Aus beim FC Bayern lästerte der BVB-Coach Richtung München: "Im Moment ist es so, wie es die Chinesen in der Industrie machen: Schauen, was die anderen machen, um es abzukupfern und dann mit mehr Geld und anderen Spielern den gleichen Weg einzuschlagen." Klopp fühlte sich von den Bayern mit der Kopie des eigenen Spielsystems, aber größerem finanziellen Einsatz ausgebremst. Was ihn besonders gewurmt haben dürfte: Selbst die Gier, auf die sein spielwütiger BVB-Coach vermeintlich ein Patent hielt, war nach München abgewandert. Nach der Meisterschaft im damaligen Rekord-Tempo siegten die Jupp-Heynckes-Bayern einfach immer weiter und weiter. Am Saisonende durften sie drei Neuzugänge im Trophäenschrank verbuchen, drei mehr als Klopp und der BVB. Auch in diesem Jahr liegt der FC Bayern nach der März-Meisterschaft schon wieder 1:0 vorne im nationalen Trophäenrennen, der DFL-Supercup zählt ja nicht. Diesmal hat Klopps BVB aber die Gelegenheit, noch auszugleichen - am 17. Mai im Pokalfinale. Die aktuelle BVB-Form sorgt für schwarzgelbe Euphorieschübe, denn die Gier ist zurück in Dortmund. Obwohl die Liga für die Borussia getreu Guardiola "vorbei" ist, siegt der BVB einfach weiter, am Wochenende mit 3:2 gegen 1899 Hoffenheim. Selbst kollektive Abwehraussetzer wie vor dem 0:1 oder schwere Torwartfehler wie vor dem 2:3, als sich Dortmunds WM-Aspirant Roman Weidenfeller aus 30 Metern tunneln ließ, hinterlassen keine Motivationsdellen. Der BVB läuft sich konzentriert warm für den großen Pokal-Showdown und macht Klopp gute Laune: "Aufgrund der Tatsache, dass kein Druck mehr da war, bin ich mit der Leistung der Mannschaft zufrieden. In der ersten Halbzeit, das war Werbung." Werbung in eigener Sache.
3. Kleine Brötchen machen auch satt
Als es dem FC Bayern einmal noch schlechter ging als im Moment, hat Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge einen Satz für die Ewigkeit geprägt. "Hin und wieder", sagte Rummenigge im Jahr 2006, "muss man nicht nur kleinere Brötchen backen, sondern auch kleinere Brötchen essen." Dem Hamburger SV geht es in dieser Saison auch nicht wirklich gut, er tut sich schwer mit Fußball, was die Sache mit dem Klassenerhalt in der Bundesliga nachdrücklich erschwert. Klub-Ikone Uwe Seeler bricht vor lauter Gram schon "regelmäßig zusammen", behauptete Franz Beckenbauer im Bezahlfernsehen. In ihrer Verzweiflung feiern die Hamburger deshalb Erfolge, die keine sind, und behaupten: Kleine Brötchen machen auch satt. Nachdem das Bundesligaduell gegen die Bayern mit 1:4 verloren war, hallte am Samstag plötzlich Jubel durchs Hamburger Stadion. Auf der Videoleinwand wurde verkündet, dass die Konkurrenz aus Nürnberg und Braunschweig ebenfalls verloren hatte. Der ruhmreiche HSV hatte Platz 16 also heldenhaft verteidigt, trotz der vierten Nullnummer in Folge. HSV-Coach Mirko Slomka verstieg sich zu der These: "Für diese Mannschaft wäre die Relegation ein Erfolg." Mittelfeldtalent Hakan Calhanoglu jubelte mit den Fans: "Jetzt haben wir ein Finale, das ist für mich wie Champions League." Von der echten Champions League trennen den HSV längst Welten - obwohl er laut Deloitte zu den 20 umsatzstärksten Fußballvereinen der Welt zählt. Aber das nur am Rande. Das große Glück des HSV ist nämlich, ...
4. ... dass die Schnecken immer langsamer werden
27, 26, 25 - das waren die Punktzahlen von Hamburger SV, 1. FC Nürnberg und Eintracht Braunschweig nach dem 30. Spieltag. Vier Partien später lautet der Zählerstand auf den letzten drei Tabellenplätzen: 27, 26, 25. Während sich die Konkurrenz aus Stuttgart, Hannover und Freiburg schon über die rettende Ziellinie geschleppt hat, konterkariert das Kellertrio fröhlich all jene Experten, die den Abstiegskampf nach dem bayerischen Express-Titel zur neuen Meisterschaft ausgerufen hatten. Der Abstiegskampf ist nicht mal mehr ein Schneckenrennen, es herrscht Stillstand. Nach Nürnbergs siegloser Hinrunde winkt der nächste Negativ-Rekord für die Ewigkeit. Galten zu Beginn des Jahrtausends noch 40 Punkte als ominöse Rettungsmarke, könnte sich der HSV diesmal mit 27 Punkten schon die Ehrenrunde über die Relegation verdienen. Das erstaunt selbst Mittelfeldspieler Mirko Boland, der mit Braunschweig nach mickrigen 25 Punkte in 33 Spielen immer noch hoffen darf. "Eigentlich ist es unglaublich, dass wir immer noch die Chance haben", findet Boland. Damit ist er nicht allein.
5. Nicht nur Hitchcock schreibt Fußball-Drehbücher
Jeder, der das letzte Saison-Heimspiel von Werder Bremen verfolgt hatte, wusste sofort: Clemens Fritz sagt nicht die ganze Wahrheit. "Ich habe das Drehbuch geschrieben", behauptete der Werder-Kapitän nach dem 2:0-Erfolg gegen Hertha BSC, obwohl doch jeder sehen konnte: Hier musste Rosamunde Pilcher, die Königin der ganz großen Gefühle und des emotionalen Happy Ends, dramaturgische Hilfsdienste geleistet haben. Denn beide Bremer Tore gegen Hertha schoss Aaron Hunt, der bekanntlich nach 13 Jahren Werder sein Abschiedsspiel in Bremen bestritt. Auch wenn BVB-Trainer Jürgen Klopp nach der Verabschiedung von Torjäger Robert Lewandowski in Dortmund von einer "Gänsehaut"-Atmosphäre schwärmte und Gladbach-Keeper Marc-Andre ter Stegen vor dem Spiel und nach dem Spiel gegen Mainz in Tränen ausbrach - von allen Goodbyes, die am vorletzten Bundesliga-Spieltag für emotionale Verwirrungen sorgten, war Hunts das schönste. Obendrein wurde auch das Double von vor zehn Jahren mit einem großen Teil der damaligen Mannschaft gefeiert - inklusive Thomas Schaaf. Auch Co-Autor Clemens Fritz war am Ende zufrieden mit seinem Werk: "Für Aaron hätten wir uns alle keinen schöneren Abschied vorstellen können." Wohin es den 27-Jährigen zieht, ist indes offiziell noch offen.
6. Wer nicht hören will, muss fühlen. Also manchmal

Volltreffer: Jerome Boateng hat im Streit mit Kerem Demirbay die schlagkräftigeren Argumente.
(Foto: imago/Michael Schwarz)
Der 33. Bundesliga-Spieltag war abgepfiffen und der "Focus" rief den WM-Notstand aus. Was war passiert? Nun, Jerome Boateng hatte im Spiel der Bayern beim HSV die Rote Karte gesehen. Das ist an sich nicht weiter verwunderlich. Im Trikot der Münchner war es seit 2011 schon der vierte vorzeitige Arbeitsschluss für den Innenverteidiger. Diesmal allerdings verdiente sich Boateng mit seiner Herausstellung das Prädikat "hirnlos", wie es der Münchner Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge diplomatisch formulierte. Dem Versuch des Hamburgers Kerem Demirbay, beim Stand von 1:4 einen Elfmeter gegen Boateng herauszuholen, folgte im Münchner Strafraum die Live-Analyse der Szene zwischen beiden Beteiligten. Bayern-Keeper Manuel Neuer eilte noch als Schlichter hinzu, doch bevor er den Krisenherd erreicht hatte, war Boatengs Hand schon im Gesicht des HSV-Profis gelandet. In der 86. Minute war das Spiel für Boateng beendet.
Beim "Focus" weckte das Ur-Ängste, schließlich gilt Boateng trotz immer tieferen Leistungstiefs und gestörter Affektkontrolle zu jenen drei Innenverteidigern, denen Bundestrainer Joachim Löw bei der WM in Brasilien die zentrale Abwehrarbeit anvertrauen möchte. Bei Rummenigge sorgte die Boateng-Watschn für einen Erziehungsreflex, er kündigte umgehend Strafmaßnahmen an. Vielleicht bewog ihn die auffällige Häufung von Bayern-Händen in gegnerischen Gesichtern in jüngster Zeit (Rafinha bei Mkhitaryan, Ribery bei Carvajal) dazu und der allzu verständnisvolle Umgang von Sportvorstand Matthias Sammer mit diesem Thema. Vielleicht war es aber auch der Umstand, dass Boateng als Wiederholungstäter gilt. Auf jeden Fall verfügte der Bayern-Boss umgehend, dass der Abwehrspieler monetäre Buße im "hohen fünfstelligen Bereich" leisten müsse: "Solch eine Disziplinlosigkeit wird von Bayern München nicht akzeptiert. Man hat sich in unserem Trikot sauber und seriös zu verhalten." Zumindest wenn man Boateng heißt.
Quelle: ntv.de