Fußball

"Das ist absolut top" Diesmal lässt Thomas Tuchel die Peitsche stecken

Thomas Tuchel hatte einen guten Abend in Bremen.

Thomas Tuchel hatte einen guten Abend in Bremen.

(Foto: picture alliance / Laci Perenyi)

Thomas Tuchel liefert schon vor dem Saisonstart eine Rede, die Einzug in die Bundesliga-Folklore finden wird. Wenige Tage nach seiner Tirade gegen die eigene Mannschaft gibt es nur noch wenig zu meckern.

Nach dem Supercup-Desaster gegen RB Leipzig (0:3) überrascht Thomas Tuchel mit einer gnadenlosen Tirade gegen sein eigenes Team: Er sei "konsterniert. Die Enttäuschung ist riesig. Ich habe keine Lösung. Wir haben so gespielt, als ob wir vier Wochen nicht trainiert hätten. Das ist erschreckend", schimpfte Tuchel nach dem kapitalen Saison-Fehlstart bei Sky. "Das glaubt mir ja kein Mensch. Ich erkenne nichts wieder." Nun, nur sechs Tage später, hat sich die Stimmung des Trainers gedreht - zumindest für den Moment.

Das 4:0 (1:0) zum Bundesliga-Auftakt bei Werder Bremen hat ihm gefallen: "Wir haben alle zusammen gearbeitet und sind einen ersten guten Schritt gegangen", sagte der 49-Jährige. "Wir haben ein sehr solides Spiel gemacht von Anfang bis Ende, wir hatten keine Ups and Downs und haben unser Ding durchgezogen. Für zehn Minuten gab es in der zweiten Halbzeit eine Phase, in der wir ein bisschen schlampig waren. Das haben wir aber gemeinsam durchgestanden und sind geduldig geblieben." Die Peitsche, die Tuchel unmittelbar nach der Enttäuschung verbal auf seine Spieler niedersausen ließ, sie konnte diesmal steckenbleiben.

"Gemeinsam durchgestanden"

Gegenüber dem ernüchternden Auftritt im Supercup, wo der FC Bayern nach der wackeligen bis enttäuschenden Vorsaison eigentlich nicht nur den ersten Titel der Saison holen, sondern vor allem auch wieder zurück zu alten Selbstverständlichkeiten finden wollte, zeigte man sich tatsächlich verbessert: Handlungsschneller wirkte Tuchels Ensemble, griffiger, auch wenn im Angriffsdrittel dann das Tempo bisweilen noch zu arg gedrosselt wurde. Auch das Gegenpressing wirkte entschlossener und besser koordiniert. Der Trainer jedenfalls sah "am Ende einen guten Mix aus Ballkontrolle und Schnellangriffen". In einer kurzen Phase zu Beginn der zweiten Halbzeit wackelte der FC Bayern, Werder ließ in kurzer Folge drei gute Chancen zum Ausgleichstreffer ungenutzt.

Der schnelle Führungstreffer durch Leroy Sané (4. Minute) spielte dem trotz des "ersten Schritts" nicht ausperformenden Gebildes, bei dem die für insgesamt über 150 Millionen Euro geholten Neuzugänge Min-Jae Kim und Harry Kane ihr Bundesliga-Debüt feierten, sichtbar in die Karten. "Ich freue mich, dass wir zu Null gespielt haben und in Führung gegangen sind, das gab es lange Zeit nicht und das tut jetzt gut." Am vergangenen Samstag hatte sich Tuchel noch gewundert: "Wir haben die falsche Frequenz, sobald wir etwas zu verlieren haben. Das ist dann nicht mehr die gleiche Gruppe."

"Gut reicht nicht" für Kane

Um die Gruppe, die in der vergangenen Saison und nun auch zuletzt gegen Leipzig so oft gegen sich kämpfte, mindestens zurück aufs gewohnte, besser noch sogar auf ein neues Niveau bringen, hatte man in letzter Sekunde Harry Kane geholt. Der Weltklassestürmer hat den Auftrag, den im letzten Sommer zum FC Barcelona abgewanderten Über-Torjäger Robert Lewandowski zu ersetzen. Gegen Leipzig sammelte der Kapitän der englischen Nationalmannschaft nach einer abenteuerlichen Anreise samt nächtlicher Vertragsunterzeichnung gerade einmal drei Ballkontakte in einer knappen halben Stunde. Jetzt entschied er mit seinem zweiten Torschuss eine Partie, die bis zur 74. Minute überraschend und aus Bayern-Sicht unnötig offen war.

Das Tor sei "ein Klassiker" gewesen, sagte der Trainer. "Er lässt sich die Option ganze lange offen, dass der Torwart nicht weiß, in welche Ecke er schießt." Kane entschied sich für die linke Ecke, Bremens Torwart Jiri Pavlenka war chancenlos. Das 1:0 hatte der spielende Torjäger, der sich viel mehr als Vorgänger Lewandowski in den Spielaufbau einschaltet, handlungsschnell vorbereitet: "Gut reicht nicht, er ist absolut top, menschlich und auch seine Präsenz und die Art und Weise, wie er trainiert. Er hat sofort mit einem Assist losgelegt und dann noch einen reingeschossen, das kann gerne so weitergehen", schwärmte Tuchel dann vom Auftritt seines Stürmers - bei dem er sich wenige Tage zuvor noch für den Auftritt seines neuen Teams entschuldigt hatte.

"Das können wir noch besser machen"

Auch die nach den Eindrücken aus der Vorbereitung etwas überraschend aus Joshua Kimmich und Leon Goretzka kombinierte Mittelfeldzentrale bekam ihren Teil von Tuchels Wohlwollen ab: "Kimmich und Goretzka haben heute gut aufeinander aufgepasst", sagte der Trainer, der zuletzt meistens Neuzugang Konrad Laimer anstelle Goretzkas das Vertrauen geschenkt hatte. Vor Saisonstart hatte sich Tuchel noch sehnlich eine "Holding Six" gewünscht, einen zentralen Mittelfeldspieler also, dessen Wirken vor allem vor dem eigenen Strafraum stattfindet. Weil Declan Rice lieber von West Ham zum FC Arsenal ging, muss Tuchel sein Problem mit Hausmitteln lösen.

"Die Charakteristik unserer Mittelfeldspieler ist, dass sie sich viel bewegen, viel am Ball sind und viele Kontakte nehmen. Ich kenne es eher, dass sich das Spiel um die zentralen Mittelfeldspieler bewegt. Da müssen wir uns noch aneinander anpassen." Gegen Werder Bremen funktionierte das Zusammenspiel zwischen Kimmich und Goretzka, es gibt aber auch noch etwas zu tun. "Wenn wir angreifen, dürfen wir nicht zu offensiv werden, sondern auch schauen, dass wir den Rest vom Feld gut besetzen, aber das können wir auch noch flüssiger und besser machen."

Quelle: ntv.de

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