"Der Büskens wechselt ’ne Frau ein!" Dortmunder Glücksritter im Finale
21.03.2012, 06:47 Uhr
Der Torschütze Ilkay Gündogan bejubelt seinen Treffer. Dortmund steht nach dem Sieg über Fürth im Finale des DFB-Pokals.
(Foto: dpa)
Der BVB steht im Finale des DFB-Pokals, und das auch, weil der Trainer des Gegners aus Fürth sich ein wenig verzockt und zwei Minuten zu früh fürs Elfmeterschießen plant. In Dortmunds Kneipenviertel stört das niemanden, gewonnen ist schließlich gewonnen. Auch wenn die Fans fast zwei Stunden lang zittern müssen.
Wenn Menschen verzweifelt sind, oder kurz davor, es zu sein, versuchen sie es manchmal mit einem Witz. Oder Witzken, wie der Westfale sagt. Das ist in Dortmund auch nicht anders als anderswo. Vielleicht hilft’s ja. Wenn nicht, auch egal. Zwei Minuten vor Schluss sagt also einer: "Mensch, der Büskens wechselt ’ne Frau ein." Lacht aber keiner. Müdes Grinsen. Die Angst der Fußballfans vor dem Elfmeterschießen.
Tor: 0:1 Gündogan (120.)
Fürth: Grün (118. Fejzic) - Nehrig, Kleine, Mavraj, Schmidtgal - Fürstner, Prib - Klaus (85. Asamoah), Sararer - Occean, Nöthe (70. Zillner)
Dortmund: Weidenfeller - Piszczek, Subotic, Hummels, Schmelzer - Sven Bender (82. Gündogan), Kehl - Blaszczykowski, Kagawa (70. Barrios), Großkreutz - Lewandowski (106. Perisic)
Referee: Meyer - Zuschauer: 15.500 (ausverk.)
Seit 118 Minuten versucht die Borussia, ihre Borussia, der Deutsche Meister, in einem mit 15.500 Zuschauern ausverkauften Stadion namens Trolli-Arena ein Tor gegen die Spielvereinigung Greuther Fürth zu schießen. Vergeblich. 360 Kilometer nordwestlich im Barrock, einer Eckkneipe im Dortmunder Kreuzviertel, die früher Westfalenschenke hieß, sitzen sie in ihren schwarz-gelben Trikots, schauen Bezahlfernsehen und hoffen. Und weil Mike Büskens, Trainer des Zweitligaspitzenreiters, ebenfalls damit rechnet, dass dieses Halbfinale im DFB-Pokal ins Elfmeterschießen geht, weil es ja immer noch 0:0 steht, wechselt er seinen Torwart Max Grün aus und Ersatzmann Jasmin Fejzic ein. Der spielt zwar sonst für die Reserve in der Regionalliga Süd, aber der Bosnier gilt als Spezialist - in doppelter Hinsicht. In Fürth haben sie niemanden, der vom Elfmeterpunkt so sicher trifft wie er. Und niemanden, der Elfmeter so gut hält. Eine gute Idee also, denkt Mike Büskens.
Sechzig Sekunden später muss niemand mehr ein Witzken machen im Barrock.

Der Fürther Olivier Occean ärgert sich über eine verpasste Torchance. Am Ende unterliegt seine Mannschaft mit 0:1.
(Foto: dpa)
Die Menschen schreien, umarmen sich und lachen. Dortmunds Ilkay Gündogan hatte aufs Fürther Tor geschossen, Jasmin Fejzic versucht, den Ball abzuwehren, . 1:0, Schiedsrichter Florian Meyer pfeift ab und Borussia Dortmund darf am 12. Mai zum Endspiel nach Berlin fahren und dort im Olympiastadion gegen die Namenscousine aus Mönchengladbach oder den FC Bayern München antreten, die heute ab 20.30 Uhr das zweite Semifinale ausspielen. Die Dortmunder tun das nicht unverdient, auch wenn das Tor gegen famose Fürther dann doch sehr glücklich zustande kam. Im Barrock will davon aber niemand etwas wissen. "Geh’ mir weg mit Spielanalyse." Auch das ist hier nicht anders als anderswo.
"Zwei Bier" - "Das ist mal ein Wort"
Es ist ein aufregender Abend, in Mittelfranken und hier in Dortmund, wo alle zwei Wochen mehr Menschen als irgendwo anders im Land ins Stadion gehen und den Ballspielverein von 1909 anfeuern. 80.000 Zuschauer sind bei jedem Heimspiel im Signal-Iduna-Park dabei, vom Barrock zehn Minuten entfernt, eine Fußgängerbrücke führt über die B1. Nebenan, im Schatten der Osttribüne, steht immer noch das alte Stadion Rote Erde, in dem der BVB in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts seine Erfolge feierte und nun die zweite Mannschaft ihre Heimspiele austrägt. Auch an diesem Dienstagabend, zwei Stunden vor den Profis, gegen den Wuppertaler SV in der Regionalliga West.

Enttäuschung bei Greuther Fürth: Torwart Jasmin Fejzic und sein Mannschaftskollege Heinrich Schmidtgal liegen nach dem Gegentreffer in letzter Minute auf dem Rasen.
(Foto: dpa)
Die Dortmunder gewinnen, ebenfalls ein wenig glücklich, mit 3:0. Es geht um den Aufstieg in die dritte Liga, doch die meisten der 493 Zuschauer, abzüglich der 100 aus Wuppertal, gehen früher, schnell rüber ins Kreuzviertel, um den Anpfiff des Pokalspiels nicht zu verpassen. Dabei gibt’s in der Roten Erde Gegrilltes im Wurstpalast und der Kiosk ist gut sortiert, ein Fläschchen Jägermeister für zwei Euro, Heißgetränke und Bier. Wer dort einen Kakao bestellt, bekommt einen mitleidigen Blick, sagt einer "zwei Bier bitte", freut sich der Verkäufer. "Das ist mal ein Wort." Und der Reporter sammelt dankbar das gelebte Klischee ein, zu Besuch in einer Stadt, deren langjähriger Bürgermeister Günter Samtlebe einst sagte: "Das Schönste am Wein ist das Pils danach".
"Meine Fresse, wie die hier arbeiten"
Vor dem Barrock hängt am Mast die Fahne des BVB, drinnen trinken sie, als Schluss ist in Fürth, das Pils nach dem Pils nach dem Pils, feiern ihre Glücksritter und diskutieren, ob jetzt lieber gegen Gladbach oder gegen München. "Geiler wär’s ja schon, die Bayern noch mal zu schlagen." Derweil erzählt Dortmunds Trainer Jürgen Klopp, dass alles so gelaufen sei, wie er es erwartet habe. "Greuther Fürth ist eine großartige Mannschaft. Meine Fresse, wie die hier arbeiten." Allerdings konnte er sich den süffisanten Hinweis nicht verkneifen, da habe sich jemand "offenbar zwei Minuten zu früh auf das Elfmeterschießen gefreut".
Mike Büskens hingegen verteidigt seine letztlich doch nicht so gute Idee: "Jasmin hält im Training perfekt Elfmeter und wäre auch ein Kandidat als Schütze gewesen" und spricht von einem arg bitteren Ausscheiden. "Wir müssen jetzt getröstet werden." Richtig fuchsig wird der Fürther Übungsleiter aber erst, als ihn ein Radioreporter auf das Tor anspricht, das erste, das seine Mannschaft in diesem Wettbewerb hinnehmen musste - und auch das letzte. "Torwartfehler? Können sie nicht richtig gucken? Wenn Sie das für einen Torwartfehler halten, sollten Sie besser zum Boccia gehen." Ein Witzken ist das nicht.
Quelle: ntv.de