Fußball

Fassungslose Gladbacher wüten Dramatischer kann Bayer Leverkusen nicht mehr gewinnen

Ganz spät in der Nachspielzeit gab es Elfmeter für Bayer 04 Leverkusen.

Ganz spät in der Nachspielzeit gab es Elfmeter für Bayer 04 Leverkusen.

(Foto: REUTERS)

Ganz egal, was passiert - am Ende schießt Bayer Leverkusen die entscheidenden Treffer nach der 90. Minute. Auch zum Start der neuen Bundesliga-Saison konserviert der Meister diesen Wahnsinn. Diesmal war viel Glück dabei - und ein Gladbacher besonders sauer.

In der 101. Minute des ersten Spiels der neuen Bundesliga-Saison läuft Florian Wirtz aus elf Metern an, schießt hart und recht präzise. Sein Schuss fliegt in die linke Ecke (aus Sicht des Schützen), doch dorthin fliegt auch der Gladbacher Torhüter Jonas Omlin. Für den Bruchteil einer Sekunde sieht es so, als würde die Spielzeit mit einer dicken Überraschung eröffnet. Für den Bruchteil einer Sekunde sieht es so aus, als würde die leidenschaftlich kämpfende Borussia dem amtierenden Deutschen Meister Bayer 04 Leverkusen tatsächlich Punkte abnehmen. Doch dann prallt der Ball von Omlins Hand zurück in die Mitte, wo abermals Wirtz lauert und zum 3:2 abstaubt (2:0). Der späte Bayer-Wahnsinn. Schon wieder. Dramatischer kann man ein Spiel nicht gewinnen.

In der vergangenen Saison, in der es nur im Europa-League-Finale gegen Atalanta Bergamo eine Niederlage gab, hat Leverkusen den späten Hammerschlag zu einer kaum zu fassenden Spezialdisziplin gemacht. Und über den Sommer haben die Männer von Trainer Xabi Alonso offenbar weiter an ihr gearbeitet. Schon im Supercup gegen den VfB Stuttgart schlug Bayer spät zu - in der vorletzten Minute. Aber im Vergleich zu den Geschehnissen an diesem Freitagabend war der Treffer beim verspotteten und krawalligen "Kirmescup" ja fast schon ein Früher-Vogel-Moment. Über die Länge der Nachspielzeit im Borussia-Park gab es indes keine Diskussionen. Die Fans der Borussia hatten das Spielfeld direkt nach der Pause in einer Pyro-Hommage an den alten Bökelberg minutenlang vernebelt. Zudem gab es noch eine ewig lange VAR-Überprüfung vor dem 1:2 der Borussen.

Emotional war's bereits vor dem Anpfiff geworden. Weltmeister Christoph Kramer wurde nach Auflösung seines Vertrags vor wenigen Tagen mit viel Applaus und Sprechchören verabschiedet. "Ich hatte eine unheimliche Angst davor, nach so vielen Jahren durch die Hintertür zu gehen, das hat sich gerade nach Vordertür angefühlt. Es war atemberaubend schön, sich im schönsten Stadion der Welt zu verabschieden", sagte der Mittelfeldspieler bei Sat.1. Seine zukünftigen Pläne hat der 33-Jährige noch nicht verraten.

Granit Xhaka lässt es richtig krachen

Der Abend in Mönchengladbach war turbulent, wild. Wenn das die Benchmark für die neue Saison ist, wird es aufregend, mitreißend, spektakulär, dramatisch. All das hatte dieses Eröffnungsspiel. Bayer legte los, wie es sich für einen Meister gehört. Granit Xhaka, selbst vier Jahre bei der Borussia aktiv, hämmerte den Ball nach zwölf Minuten mit solch gnadenloser Kraft ins Tor, dass nicht nur Keeper Omlin verzweifelt staunte. Der Leverkusener Chefstratege bestrafte damit einen zuvor fürchterlich gespielten Fehlpass im Aufbau der Gastgeber. Bayer hatte alles im Griff, vergab Chancen. Edmond Tapsoba etwa ließ es tüchtig krachen, aber nur am Aluminium. Gladbach versuchte, Zugriff auf das Spiel zu bekommen. Und gerade, als die Borussia ins Spiel fand, stand es 0:2. Wirtz hatte zugeschlagen.

Noch vor der Pause schlugen die Gladbacher zurück. Der starke Neuzugang Tim Kleindienst traf (42.). Aber nach Ansicht der Videobilder zählte das Tor nicht. Der Stürmer hatte Gegenspieler Piero Hincapie zuvor im Duell am Fuß getroffen. Nach der Halbzeit dominierte wieder Bayer und hätte Jeremie Frimpong eine Topchance genutzt oder aber Victor Boniface angespielt, wäre das Dingen im Borussia-Park früh erledigt gewesen. Aber er tat weder das eine noch das andere. Und so schlugen die Gastgeber zurück. Kevin Stöger, ebenfalls neu und bekannt für gefährliche Freistöße, hob den Ball in den Strafraum. Über Ko Itakura landete er bei Nico Elvedi, der im zweiten Versuch traf. Der Treffer wurde ewig überprüft. Ein Abseitsverdacht stand im Raum. Er bestätigte sich nicht.

Leverkusen bleibt Last-Minutekusen

Dann wieder Bayer. Die Alonso-Elf schaltete hoch, presste die Gladbacher am Fünfmeterraum und übte einen wahnsinnigen Druck aus. Aber die Borussen, voll im kampfeslustigen Sensationsmodus, grätschten alles weg. Vieles gekonnt, manches glücklich. Aber Bayer kam kaum noch in gefährliche Situationen und kassierte den Ausgleich. Stöger, einst beim VfL Bochum federführend verantwortlich für die letzte Bayer-Niederlage (am 27. Mai 2023) auf nationalem Terrain, spielte einen brillanten Pass auf Kleindienst, der sich auf engstem Raum stark durchsetzte und traf. Wieder Überprüfung. Wieder Abseitsverdacht. Wieder entkräftet (85.). Auf den Tribünen ging es richtig zur Sache. Die Überraschung (das Remis) war zum Greifen nah, die Sensation (ein Sieg gegen Bayer, das zuvor national in 41 Spielen ohne Niederlage blieb) schien möglich.

Doch Bayer ist eben Bayer. Leverkusen ist Last-Minutekusen. Bereits in der vergangenen Saison traf die Elf allein in der Bundesliga achtmal nach der 90. Minute, sechsmal davon entscheidend. In der Europa League gelang das Kunststück gleich fünfmal. Doch so spät wie nun, war's bislang noch nicht gewesen. "Das ist natürlich glücklich für uns", befand Bayers Mittelfeldspieler Xhaka. "Irgendwie zappeln die Gegner dann immer, weil sie wissen, dass wir oft spät treffen. Aber wir können nicht immer darauf setzen." Dieses Mal brauchte es allerdings nicht nur die Bayer-Wucht, sondern auch das Glück - den VAR. Der erkannte ein Foulspiel von Itakura am eingewechselten Amine Adli. Die Partie war zuvor eigentlich weitergelaufen. Wieder wurde geprüft und schließlich in einem Bild der Kontakt gefunden, der den entscheidenden Elfmeter rechtfertigte. Wirtz lief an, scheiterte und traf doch.

"Ich hatte einfach Lust, das Spiel zu entscheiden", sagte der Matchwinner. "Ich weiß, dass es am Ende glücklich ist, aber ich will mich nicht beklagen. Wir sind froh, dass wir am Ende gewonnen haben. Wir wissen, was die Idee ist, jeder hat Lust, Spiele zu gewinnen und guten Fußball zu spielen." Trainer Xabi Alonso war ebenfalls zufrieden: "Wir haben große Mentalität gezeigt und uns wieder gute Möglichkeiten herausgespielt. Wir sind zufrieden mit dem Ergebnis, aber nicht mit allen Phasen des Spiels." Und eins wollte der Spanier zu der nächsten Late-Night-Show seines Team unbedingt noch klarstellen: "Wir trainieren das nicht", sagte er und sorgte für Gelächter bei der Pressekonferenz. Einzig der neben ihm sitzende Gerardo Seoane verzog keine Miene.

"Keine klare Fehlentscheidung"

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Bayer Leverkusen staunte und feierte. Borussia Mönchengladbach dagegen war einfach nur wütend. "Sie haben alles gecheckt - nur alles gegen uns. Bei uns haben sie keine einzige Situation gecheckt", sagte der aufgebrachte Sport-Geschäftsführer Roland Virkus. Vor allem die finale Entscheidung machte ihn fuchsig. Selbst nach Ansicht der TV-Bilder war strittig, ob Itakura nur den Gegenspieler traf oder doch auch den Ball. "Es war für mich keine klare Fehlentscheidung, da muss er nicht raus", sagt Virkus zu der Szene: "Natürlich trifft er auch danach den Fuß, aber vorher spielt er klar den Ball." Schiedsrichter Robert Schröder sah es anders und verteidigte seine Entscheidung: "Ich kann den Frust der Gladbacher verstehen, wenn man so spät und so ärgerlich ein Spiel verliert. Aber er trifft nicht den Ball, deshalb ist es ein Elfmeter", sagte der Unparteiische bei Sat.1.

Richtig Schaum vorm Mund hatte Kleindienst: "Es geht einem auf den Sack, dass jede 50:50-Situation überprüft wird und jedes Tor bis in kleinste überprüft wurde. Man hatte irgendwie das Gefühl, dass sie nicht wollten, dass wir heute überhaupt irgendwas holen", sagte der Neuzugang bei DAZN.

Quelle: ntv.de

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