Torloses Dortmund gegen Schalke Ein Ergebnis, zwei Revier-Welten
30.10.2016, 06:29 Uhr
Entscheidend kam an diesem Abend in Dortmund keiner am anderen vorbei.
(Foto: imago/DeFodi)
Dortmund ist zum ersten Mal in der Ära Tuchel vier Spiele sieglos, Schalke wettbewerbsübergreifend seit sieben Spielen ungeschlagen. Beim Revierderby haben die Gelsenkirchener am Ende Glück - das Remis ist für sie ein Gewinn.
Besser hätte der Abend für Benedikt Höwedes kaum laufen können: Der Weltmeister in Diensten des FC Schalke 04 hatte mit seinem Klub ein torloses Remis beim Intimfeind aus Dortmund ertrotzt, war in der zweiten Halbzeit um einen Strafstoß herumgekommen, als er einen Ball hinter dem Rücken mit der Hand entschärft hatte und durfte dann nach dem Schlusspfiff auch noch vor den eigenen Fans reüssieren. Der kurze Termin bei den "Sky"-Experten geriet zum Schaulaufen, weil der Manndecker genau vor den Fans in Blau und Weiß vernommen wurde. Die feierten ihren Derbyhelden, als hätte er für ihren Klub gerade im Alleingang jene Deutsche Meisterschaft klargemacht, nach der sich die Schalker seit Generationen so sehr sehnen.
Doch dem war mitnichten so. Schalke steckt nach desaströsem Saisonstart weiterhin im Mittelmaß. Der Revierklub hatte beim ewigen Rivalen aus Dortmund lediglich ein alles in allem schmuckloses torloses Remis erstritten. Die Schalker durften sich bei nach 149. Auflage des ewig jungen Schlagabtauschs als Punktsieger fühlen, weil sie ihren Kontrahenten in der ersten Halbzeit mit großem Geschick den Schneid abgekauft hatten und sich nach dem Wechsel, als die vorher so harmlosen Borussen mit Nachdruck auf den Sieg drängten, mit Leidenschaft und ein wenig Glück gegen die Niederlage stemmten.

Freuten sich über den Punkt: Schalkes Trainer Markus Weinzierl (2.v.l.) und Benedikt Höwedes.
(Foto: imago/Team 2)
Entsprechend zufrieden reagierte Schalkes Trainer Markus Weinzierl, nachdem er sein erstes Revierderby hinter sich gebracht hatte: "Wir haben eine tolle erste Halbzeit gespielt und uns den Punkt redlich verdient, auch wenn wir am Schluss mächtig unter Druck geraten sind." Und Kapitän Höwedes ergänzte: "Wir sind absolut auf einem guten Weg, nachdem wir den Saisonstart in den Sand gesetzt haben."
Tuchels erstes Tief
Dagegen treten die Dortmunder auf der Stelle. Vier sieglose Spiele in Folge, das gab es noch nie, seit Thomas Tuchel das Trainerzepter übernommen hat. "Wir haben viel zu wenig gepunktet in den letzten Wochen, das müssen wir definitiv verbessern", sagt Mario Götze: "Das fühlt sich nicht gut an, wenn wir einen so hohen Aufwand betreiben und uns dafür nicht belohnen."
Auch wenn der Vergleich vor allem in der zweiten Halbzeit mit hoher Intensität geführt wurde, war es kein Ruhrpott-Derby, das in bleibender Erinnerung bleiben wird. In einem von außen so sehr gepushten Spiel gehe es auch um ein gewisses "Derby-Know-How", so umschreibt es der ehemalige Dortmunder Patrick Owomoyela. Gemeint ist die Fähigkeit, die Wucht, die enorme Intensität und die besonderen Emotionen, die bei diesem Kräftemessen freigesetzt werden, so zu kanalisieren, dass positive Energien freigesetzt werden. Das brodelnde Ambiente kann nämlich durchaus das Gegenteil bewirken und die Protagonisten erstarren lassen.
Was Owomoyela meint, wurde in der ersten Hälfte des Bruderkampfes offensichtlich: Tuchels Matchplan war stringent, er wollte Schalkes Dreierkette, die sich in der Rückwärtsbewegung zur Fünferkette verdichtet, mit seinen schnellen Außen aushebeln. Doch sowohl Pulisic auf rechts als auch Dembélé auf links ließen sich von resoluten Schalkern den Schneid abkaufen. Die beiden Teenager wirkten gehemmt wie Pennäler vor ihrem ersten Date. Tuchel monierte das "mangelhafte Passspiel, wir haben viele einfache Fehler gemacht und uns schwer getan, unseren Rhythmus zu finden."
Historische Null-Statistik
Während sich die Gäste aus Gelsenkirchen mit breiter Brust in die Zweikämpfe warfen, wirkten die Dortmunder seltsam verzagt. Entsprechend war die Ausbeute: Zum ersten Mal seit Beginn der Datenerfassung im Jahre 1992 hatte der BVB in der ersten Halbzeit eines Heimspiels keinen einzigen Torschuss zu verzeichnen. Das war nun wirklich nicht das, was sich der Fan unter Derbyfieber vorstellt. Da sich auch die Schalker selten in die Vorwärtsbewegung trauten, neutralisierten sich zwei Teams, die allzu viel Respekt voreinander hatten.
Schalke erhöhte nach dem Seitenwechsel für einige Minuten den Druck: Kolasinac prüfte Bürki, die Führung schien möglich. Der BVB schüttelte sich und nahm den Kampf nun an. Dembélé traf die Latte (53. Minute), es war die erste zwingende Aktion der Gastgeber. Jetzt, endlich, war Zug und Tempo in einer Begegnung, die sich lange dahingeschleppt hatte. Erstmals marschierte Dortmund mit Nachdruck. Pulisic nahm eine Flanke direkt, doch der Ball flog über die Querlatte. Die nächste Großchance hatte Götze, dessen Schuss aus kurzer Entfernung Fährmann entschärfte. Die Borussia belagerte den Schalker Strafraum nun, Aubameyangs Drehschuss verfehlte sein Ziel knapp. Der eine Treffer, der das Spiel entschieden hätte, er fiel nicht mehr.
Den Schalkern konnte das nur recht sein, der Trend spricht ganz klar für sie. Wettbewerbsübergreifend ist der Klub nun seit sieben Spielen ungeschlagen. "Wir geben Gas und belohnen uns für den Aufwand, den wir betreiben", sagt Höwedes. Sein Trainer Weinzirl formulierte es noch prägnanter: "Null zu null passt, so können wir weitermachen."
Quelle: ntv.de