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Renard & Co. gegen Diacre Star-Revoluzzerinnen erkämpfen Etappensieg

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Kehrt Renard zurück?

(Foto: picture alliance/dpa)

Viereinhalb Monate vor der Weltmeisterschaft steht die französische Fußball-Nationalmannschaft der Frauen ohne Trainerin da. Corinne Diacre wird nach einer Revolte mehrerer Starspielerinnen gefeuert. Weil auch diese vom Verband kritisiert werden, gibt es viel Klärungsbedarf.

"Vive la Révolution" - die französische Fußball-Nationalmannschaft der Frauen steht nur viereinhalb Monate vor dem Beginn der Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland ohne Trainerin da. Corinne Diacre wurde nach der Spielerinnen-Revolte und "unumkehrbaren" Problemen vom französischen Fußball-Verband FFF entlassen. Doch damit ist jetzt nicht alles gut. Denn auch die sich auflehnenden und zurückgetretenen Spielerinnen haben einen Rüffel kassiert.

Kapitänin Wendie Renard war Ende Februar die erste der Spielerinnen, die ihren Rücktritt bekannt gegeben hatte, ihr folgten wenig später Marie-Antoinette Katoto, Kadidiatou Diani und Perle Morroni. Es ging ihnen unter anderem um den Führungsstil der heftig umstrittenen Trainerin, die das Team seit 2017 leitete. Deren Vertrag hätte noch bis nach den Olympischen Spielen 2024 in Paris laufen sollen.

Der wird nun früher aufgelöst, nachdem sich eine Sonderkommission um die Ex-Spielerinnen Laura Georges und Aline Riera, den Präsidenten des Topklubs Olympique Lyon, Jean-Michel Aulas, sowie seinem Straßburger Amtskollegen Marc Keller mit Diacre und dem Nationalteam beschäftigt hatte. "Die zahlreichen Befragungen haben einen sehr großen Bruch mit den Kaderspielerinnen aufgezeigt und eine Diskrepanz zu den Anforderungen deutlich gemacht", teilte der FFF mit. "Diese Kluft hat einen Punkt erreicht, an dem es kein Zurück mehr gibt und der den Interessen der Nationalmannschaft schadet. Der FFF erkennt zwar das Engagement und die Ernsthaftigkeit von Corinne Diacre und ihrem Stab bei der Ausübung ihrer Aufgabe an, doch scheint es, dass die festgestellten Funktionsstörungen in diesem Zusammenhang unumkehrbar zu sein scheinen."

Mehrere Nachfolger im Gespräch

Die Gruppe soll jetzt auch Kandidatinnen und Kandidaten für die Nachfolge von Diacre aufzeigen. Philippe Diallo, der nach dem Rücktritt des wegen sexueller Belästigung in der Kritik stehendes Ex-Präsidenten Noel Le Graet die Geschäfte des Verbands interimsweise führt, hat sie beauftragt, "innerhalb von acht bis zehn Tagen Gespräche mit Kandidaten zu führen, die an dieser Aufgabe interessiert wären". Im Gespräch sind laut RMC Sport etwa die derzeitige Lyon-Trainerin Sonia Bompastor und der Coach von Paris St. Germain, Gérard Precheur. Auch der derzeitige Nationaltrainer Saudi-Arabiens, Hervé Renard, soll demnach ein beliebter Kandidat sein.

Bompastor und Precheur leiten die beiden dominierenden Teams der französischen Liga, Lyon und PSG trennt aktuell nur ein Punkt. Die 42 Jahre alte Bompastor ist seit 2021 die Cheftrainerin von Lyon, im vergangenen Jahr gewann sie sowohl die Liga als auch die Champions League. 156-mal kickte sie zwischen 2000 und 2012 selbst für die französische Nationalmannschaft.

Nach dem emotionalen Rücktritt Renards ("Mein Gesicht mag den Schmerz verdecken, aber das Herz leidet ... und ich habe keine Lust mehr zu leiden.") hatte Bompastor ihrer Spielerin die volle Unterstützung zugesichert. "Wir müssen auf allen Ebenen, sei es im Verband oder im Verein, in der Lage sein, zuzuhören und zu zeigen, dass die Spielerinnen die Möglichkeit haben, sich auszudrücken und Lösungen zu finden."

Wäre sie also die Ideallösung für die Probleme des Nationalteams? Würden Abwehr-Ikone Renard sowie die Stürmerinnen Katoto und Diani dann wieder mit Freude zurückkehren und bei der WM um den Titel kämpfen? Diese hatten ihren Rücktritt erklärt, "bis notwendige Veränderungen umgesetzt werden". Mal davon abgesehen, dass die Berufung Bompastors eine riesige Lücke bei Lyon reißen würde - und deren Präsident Mitglied der Findungskommission ist, was ihn selbst wohl auch in einen Zwiespalt bringt, scheint es der Verband den Revoluzzerinnen nicht so einfach machen zu wollen.

Attacke gegen Revoluzzerinnen

Der FFF verurteilte in seiner Bekanntgabe nämlich auch das Manöver der Spielerinnen. "Das Komitee hat außerdem festgestellt, dass die Art und Weise, in der die Spielerinnen ihre Kritik zum Ausdruck bringen, in Zukunft nicht mehr akzeptabel ist." Der Verband will so vermutlich verhindern, den Anschein zu erwecken, auch in potenziellen künftigen Streitigkeiten erpressbar zu sein. Daher solle eine zusätzliche Stelle in der Leitung der Frauen-Nationalmannschaft geschaffen werden, die zwischen der Trainerin und dem Exekutivausschuss steht.

Interimspräsident Diallo sagte, er habe sich zwischen zwei "schlechten Lösungen" entscheiden müssen. "Ich habe mich für den sportlichen Erfolg und die sportliche Leistung entschieden. Mit einem neuen Profil und neuen Mitteln liegt der Ball bei den Spielerinnen, die ihr Unbehagen - in meinen Augen auf die falsche Art und Weise - zum Ausdruck gebracht haben, und es liegt an ihnen, hohe Ansprüche an sich selbst und an die französische Mannschaft zu stellen. Wir haben unsere Verantwortung übernommen und dafür gesorgt, dass die französische Mannschaft die besten Voraussetzungen hat, um Leistung zu erbringen." Damit nimmt er die Spielerinnen in die Verantwortung und setzt sie mit Blick auf die WM in wenigen Monaten, aber auch schon in Bezug auf die Olympischen Spiele unter Druck. Sie müssen den Trainerwechsel mit Leistung zurückzahlen.

Kritik an Entwicklung des Teams

Ob Renard und Co. nach dieser Kritik einfach so störungsarm ins Team zurückkehren werden, ist unklar. Von ihnen hat sich noch keine zur Entlassung geäußert. Es ging ihnen aber auch um mehr als nur die umstrittene Trainerin. Auch die Professionalisierung und Entwicklung war für Renard ein Grund zur Kritik: "Wir müssen einen Gang höher schalten, wenn wir mit der französischen Mannschaft einen Titel gewinnen wollen", hatte sie mit Blick auf die Europameisterinnen aus England angeprangert.

Sie habe nicht zur WM reisen wollen "ohne die notwendigen Mittel, um den Pokal, eine Medaille, zu holen - ich wollte nicht einfach nur dabei sein", hatte Diani gegenüber Téléfoot erklärt. Der Betreuerstab des Frauenteams ist deutlich kleiner als der der Männer. Diani erklärte, dass etwa Behandlungen nur eingeschränkt möglich seien: "Anfangs war der Zugang quasi verboten, man musste wirklich verletzt sein, um Anspruch auf eine Massage oder eine Behandlung wie im Verein zu bekommen." Diacre selbst hatte keine Co-Trainerin und auch keine Spezialtrainer, etwa für die Offensive, zur Seite stehen. Sportlich wichtige Entscheidungen traf sie daher größtenteils allein, kritisierte Diani.

Und so war es wohl eine Mischung aus sportlichen und zwischenmenschlichen Problemen mit der nun geschassten Trainerin. Le Graet war ihr größter Unterstützter, hatte ihren Vertrag nach der EM, die für Frankreich mit der Halbfinal-Pleite gegen Deutschland geendet hatte, offenbar im Alleingang verlängert. Diacre gilt als streng und nicht gerade einfach im Umgang. Renard war bereits mit ihr aneinandergeraten, 2017 hatte sie ihre Kapitänsbinde abgeben müssen. Dann hatten sich die beiden vor der EM aber scheinbar zusammengerauft, Renard hatte die Binde zurückerhalten. Ex-Torhüterin Sarah Bouhaddi hatte Renards Hilfeschrei kommentiert: "Vor drei Jahren habe ich beschlossen, mich aus der französischen Nationalmannschaft zurückzuziehen, um eine für mich psychologisch unhaltbare Situation anzuprangern", schrieb sie bei Instagram. Amandine Henry hatte nach der WM 2019 von weinenden Spielerinnen erzählt, sie war dann im vergangenen Jahr wie auch Eugénie Le Sommer nicht für die EM nominiert worden.

Diacre wähnt "Hetzkampagne"

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Diacre selbst hatte bis zuletzt an ihrem Job festhalten wollen. Ihr Anwalt Christophe Ayela hatte der Nachrichtenagentur AFP ein deutliches Statement übermittelt: "Ich bin fest entschlossen, meine Arbeit fortzuführen und Frankreich bei der nächsten WM stolz zu machen." Seit 2017 hatte sie das Nationalteam geleitet, einen Erfolg konnte sie dabei allerdings nicht feiern. Derzeit stehen die Französinnen in der Weltrangliste hinter Deutschland auf Platz vier.

Sie stehe seit mehr als zehn Tagen im Fokus "einer Hetzkampagne, die mit ihrer Gewalt und Unehrlichkeit verblüfft. Meine Kritiker zögern nicht - ohne sich um die Wahrheit zu scheren - vier Monate vor der Weltmeisterschaft meine persönliche und berufliche Integrität anzugreifen", hatte die 48-jährige Diacre verlauten lassen. Es gehe bei der Revolte gegen sie "ausschließlich" darum, "persönliche Rechnungen zu begleichen". Mit dieser Argumentation hatte sie keinen Erfolg.

Quelle: ntv.de

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