Fußball

Lebenstraum in akuter GefahrDie Explosion droht, Reals Superstars kämpfen für Xabi Alonso

29.12.2025, 20:40 Uhr
imageVon Tobias Nordmann
Real-Madridas-coach-Xabi-Alonso-L-greetings-to-Vinicius-Junior-during-La-Liga-match-December-03-2025-Photo-by-Ropero-Alterphotos-ABACAPRESS
Ein Umarmung, die ans Herz geht: Vincius Junior nimmt Xabi Alonso in den Arm. (Foto: picture alliance / abaca)

In Leverkusen bleibt er bis in alle Ewigkeit ein Stadtheiliger: Xabi Alonso hat Bayer 04 das Verlierer-Image abgenommen und die große Meistersehnsucht erfüllt. Dann zieht er weiter zu Real Madrid. Dort gerät sein Erfolgslauf ins Stocken.

Zum Ende seines bislang vielleicht wichtigsten Spiels als Trainer von Real Madrid bekam Xabi Alonso überraschende Liebe. Der brasilianische Exzentriker Vinicius Junior nahm den Coach Mitte Dezember in den Arm. Es war eine Szene, die große Beachtung fand. Womöglich war es eine Szene, die Xabi Alonso mehr im Amt hielt, als der Sieg gegen bei Deportivo Alavés. Denn diesem Moment wurde eine magische Wende zugeschrieben. Plötzlich stand Xabi Alonso nicht mehr alleine da.

Gegen Alavés drohte eine der erstaunlichsten Trainer-Karrieren der vergangenen Jahre über die Klippe gestoßen zu werden. Als Schicksalsspiel war die Auswärtspartie ausgerufen worden. Xabi Alonso stand kurz davor, seinen großen Lebenstraum entrissen zu bekommen. Medien sahen seinen Job akut gefährdet und veröffentlichten Listen mit potenziellen Nachfolgern. Xabi Alonso bekam in diesen Momenten die Härte des Geschäfts zu spüren. Madrid, das merkte er nicht zum ersten Mal, ist nicht Leverkusen.

Gemessen wurde das alles nicht am realen Tabellenbild, das immer noch Platz zwei auswies. Sondern am Selbstverständnis des Klubs. Der sieht sich immer da, wo oben ist. Und von oben kamen sie. Sie hatten die Liga angeführt, guten Fußball gezeigt, mit Pressing und guten Kombinationen überzeugt. Da schien eine neue Spielidee erstaunlich schnell zu fruchten. Dann aber wurden viele Spiele nicht gewonnen. Der ewige Rivale FC Barcelona, selbst weit entfernt vom Glanz der vergangenen Saison, war vorbeigezogen. Alarm!

Mit der Lizenz zum Goldschürfen

Unterm Bayer-Kreuz erwarb sich der 44-Jährige die Lizenz zum Goldschürfen. In aufregenden Jahren faszinierte er die Welt mit einer Mannschaft, die allen Widerständen trotzte, die ihre mitreißenden Helden selbst erschuf und magische Nächte noch und nöcher produzierte. Xabi Alonso wuchs und wuchs. Er wurde zu groß für Leverkusen. Und erkannte spätestens im Frühjahr 2025, dass er längst an Grenzen gestoßen war. Mehr war nicht möglich, sein Denkmal hatte er eh schon errichtet bekommen. Er ist auf Lebenszeit ein Stadtheiliger.

Als er den Klub im späten Frühling verließ, warf sich ihm das ganze Stadion zu Füßen. Immer wieder schlug sich Xabi Alonso verlegen auf die Brust. Diese Liebe überforderte den Spanier. Er kämpfte hart mit den Tränen und wollte sie alle umarmen. Im Fanblock schüttelte die Heldenfigur Hände um Hände. Offiziell war nicht klar, wohin er gehen wird. Auch wenn es jeder wusste. Was auch jeder wusste: Das Superteam, das Bayer zur internationalen Bekanntheit geführt hatte, würde zerbrechen. Leistungsträger um Leistungsträger würde gehen. Dass es am Ende fast alle Großen sein würden, ahnten sie indes nicht. Aber nach dem krachenden Missverständnis mit Erik ten Hag hat sich Leverkusen unter Kasper Hjulmand mit alonsoschem Fußball beeindruckend entwickelt.

Höher hinaus geht's im Weltfußball nicht

Der Ruf des gebürtigen Basken hatte die große Welt erreicht. Doch Interesse und Verfügbarkeit passten weder beim FC Bayern noch beim FC Liverpool zusammen. Und als sich die Lücke in Madrid auftat, der Nachfolger von Carlo Ancelotti zu werden, da gab sich Xabi Alonso seiner alten Liebe hin. Er hob sich selbst in den Trainer-Olymp. Höher geht's im Weltfußball nicht. Doch in luftiger Höhe braucht es eine andere Trittsicherheit als auf dem stabilen Terrain der Betonstadt Leverkusen.

In Madrid gibt es viele Fußballer, die hierarchisch denken. Die ihr Ego an die erste Stelle setzen und das gegen neue Ansätze bissig verteidigen. Xabi Alonso musste aushalten, dass die Spieler sich nicht zerrissen. Dass sie laut jammerten, wenn sie ausgewechselt wurden und ihm den Handschlag verweigerten. Der Weltumarmer Vinicius Junior tat sich hier besonders hervor. Aus der Kabine wollten gut informierte Medien gehört haben, dass Xabi Alonso zu viel Trainer und zu wenig Beobachter der Stimmung sei. Von Ancelotti waren sie offenbar nicht gewohnt, mit taktischer Akribie zugeworfen zu werden. Der Maestro hatte seine Spieler laufen lassen und mischte sich nur ein, wenn es ihm zu bunt wurde. Besonders Jude Bellingham soll das gefallen haben.

Bei den Königlichen war die Hierarchie in Stein gemeißelt. Und die Superstars mit ihren Riesen-Egos sind offenbar nicht bereit, auch nur einen Millimeter von ihren Heldenrollen zugunsten des kollektiven Erfolgs abzurücken. Früher gab es Spieler wie Toni Kroos, Luka Modrić und Casemiro, die nicht nur das Spiel orchestrierten, sondern den Super-Egos Grenzen setzten. Der Trainer Ancelotti diente als übergeordnete Instanz. Das funktionierte sehr gut, war ein stabiles Fundament für die großen Erfolge. Doch nun gibt es offenbar niemanden mehr, gerade im Mittelfeld, der als Ordnungskraft dient. Im Team herrscht "Chaos", hieß es bereits in den aufgeregten spanischen Medien.

"... hätte im Bernabéu ein Gemetzel angerichtet."

Eine schlechte Leistung an die nächste reihten die Real-Stars. Sie trieben ihren Trainer zur Verzweiflung und ließen ihn allein. Einzig die Tore von Kylian Mbappé verhinderten, dass die Lage noch früher noch brisanter wurde. Die Explosion war nah, Manchester City vor der Brust. Ein Schicksalsspiel, das unangenehmer nicht sein kann. Denn Tormonster Erling Haaland hatte gewaltigen Hunger. Die Real-Stars rafften sich im rechten Moment. Sie kämpften füreinander, für den Trainer. Dass sie verloren, war entgegen alle Berichte egal. Xabi Alonso bekam noch einmal Aufschub. Er bekam einen Sieg. Und Liebe. Liebe, die ihm wohl den Job rettete (vorerst).

Doch das Konstrukt bleibt fragil. Nach dem Sieg gegen Alaves ging die "Marca" direkt wieder auf den Trainer los: "Der Plan von Xabi funktioniert nicht. Die Mannschaft hat ihre Identität verloren, sie vermittelt keine Überzeugung mehr und steht bei jedem Spiel kurz vor einer Katastrophe." Und es wurde nicht leiser. Nicht nach dem wackeligen Pokalsieg gegen einen Drittligisten, nicht nach dem glanzlosen Sieg gegen den FC Sevilla. Die "AS" pestete: "Jedes Team aus den Top 10 der Champions League oder eines der drei Teams, auf die sie in der Supercopa treffen können, hätte im Bernabéu ein Gemetzel angerichtet." Die Fans könnten "hinter den Sieg blicken und sie mögen nicht, was sie sehen". Immerhin kämpfen die Stars jetzt. Für sich, für ihren Trainer.

Quelle: ntv.de

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