Boss macht eine klare Ansage Trauriger Tuchel kämpft mit den Transferfolgen
03.09.2023, 07:49 Uhr
Die verpassten Möglichkeiten auf dem Transfermarkt beschäftigen Thomas Tuchel noch immer.
(Foto: dpa)
Der FC Bayern gewinnt auch das dritte Spiel der neuen Bundesliga-Saison. Gegen Angstgegner Borussia Mönchengladbach trifft Joker Mathys Tel ganz spät zum Sieg. Die Münchner sind glücklich, aber haben weiter ein Thema, das sie nicht loslässt: die Tiefe des Kaders.
Der FC Bayern trotzt weiter allen Widerständen und hält sich in der Fußball-Bundesliga weiter ohne Schaden. Nach den klaren Siegen zum Auftakt bei Werder Bremen und gegen den FC Augsburg muss sich die Mannschaft bei Borussia Mönchengladbach mehr strecken und gewinnt kurz vor knapp durch ein Tor des eingewechselten Jokers Mathys Tel mit 2:1 (0:1). Wohl dem, wer solche Möglichkeiten hat. Wobei, Obacht, die Besetzung der Bank war und bleibt in München in diesen Tagen ein sensibles Thema. Verzweifelt hatte sich der Verein bemüht, an den mageren Kader (in der Quantität) noch ein bisschen Speck zu bekommen. Das Ergebnis ist bekannt.
Und es hallt nach. Der auf die letzte Sekunde geplatzte Deal mit Wunsch-"Holding-six" João Palhinha hängt dem Klub noch mächtig in den Knochen, ganz besonders Trainer Thomas Tuchel. "Ich war sehr traurig, weil ich wusste, wie gern der Spieler zu uns wollte und ich weiß, was uns dieser Spieler gegeben hätte", bekannte der Coach und gab hernach noch Einblicke, wie sehr ihn die aktuelle Kadersituation beschäftigt, welche großen Sorgen ihn mit Blick auf das nicht überall betriebssichere Aufgebot umtreiben. Dabei spricht er durchaus anders als sein Boss.
"Tuchel muss jetzt etwas kreativer sein"
Der heißt Jan-Christian Dreesen und sagt Sätze wie diese: "Er (Tuchel, Anmerk. d. Red.) muss jetzt etwas kreativer sein. Das ist sein Job. Ich darf daran erinnern, dass wir oftmals in diesen Situationen bei Verletzungen oder Nicht-Anwesenheit von Spielern auch schon große Talente hervorgebracht haben. Alphonso Davies ist ein Beispiel, als David Alaba verletzt war. Vielleicht ist es auch eine Chance für junge Talente."
Gesagt, genutzt. Zumindest in Person des 18 Jahre jungen Tel, der sich als Option hinter Superstürmer Harry Kane immer mehr ins Schaufenster stellt. Und Dreesen sprach noch weiter: Er finde immer noch, "dass unser Kader erstklassig besetzt ist. Wir hätten uns gestern natürlich gewünscht, dass wir den Wunsch vom Trainer nach einer defensiven Sechs hätten erfüllen können - mit João Palhinha. [...] Aber auch ohne ihn sind wir hervorragend besetzt. Ich sehe überhaupt kein Grund, nicht zuversichtlich in die Saison zu gehen", sagte Dreesen.
Tuchel dagegen teilt diesen Optimismus nicht. Dabei beschäftigt ihn weniger die Lage in der Offensive, die ja tatsächlich erstklassig besetzt ist. "Wir haben vorne viele Möglichkeiten, sind doppelt besetzt", sagt Tuchel, vielmehr beklagt er "eine kleine Unwucht" im Kader. "Nicht überall" seien die Lücken geschlossen worden. "Wir haben jetzt sechs Defensivspieler. Das ist auf Kante genäht." Bedeutet für Tuchel: "Wir brauchen Glück." Ihm geht es dabei nicht um die Leistungsfähigkeit des Aufgebots, an der "niemand zweifelt", auch er nicht. Ihm geht es darum, dass er kaum Möglichkeiten hat, auf Ausfälle oder drohende Ausfälle zu reagieren.
Dreesen verteidigt Pavard-Transfer
Am Freitag, dem anstrengend verkulteten Deadline Day, hatten die Münchner alles versucht, die Wünsche des Trainers umzusetzen, dem Kader mehr Tiefe zu verleihen. Neben Palhinha, der schon in München weilte und für alles hergerichtet war, ehe das "No" aus Fulham kam, standen auch noch Trevoh Chalobah vom FC Chelsea und/oder Nationalspieler Armel Bella-Kotchap von Premier-League-Absteiger FC Southampton auf der Liste der möglichen Verstärkungen. Aber nichts wurde mehr realisiert. So steht am Ende einer Transferperiode, in der mit Kane, Kim Min-jae, Konrad Laimer und Raphael Guerreiro (und Ersatzkeeper Daniel Peretz) starkes Personal kam, dennoch ein dickes Fragezeichen. Weil die Münchner eben noch drei Spieler (Josip Stanisic, Benjamin Pavard und Ryan Gravenberch) abgegeben hatten, wohl in dem Vertrauen, die Abgänge noch zu kompensieren.
Dreesen wollte Kritik daran allerdings nicht zulassen: "Wir sind auf der defensiven Seite weniger, als wir in der vergangenen Saison waren. Aber auch da muss ich ganz klar sagen: Schauen Sie sich Pavard an! Er wollte unbedingt weg. Das hatte nichts mit dem FC Bayern zu tun. Er wollte weg aus Deutschland", so der Boss. Sollte der FC Bayern mit einem Spieler in die Saison gehen, "der überhaupt keine Lust hat zu spielen? Das macht überhaupt keinen Sinn. Wir haben trotzdem noch Variabilität. Konrad Laimer hat zuletzt auch rechts hinten gespielt. Es ist nicht so, dass dort nur Noussair Mazraoui spielen muss", meinte Dreesen.
"Wir sind etwas dünn, sind wenig"
Der FC Bayern hat in diesem Sommer fünf Abwehrspieler abgegeben, aber nur drei Neue geholt. "Natürlich darf da jetzt nicht so viel passieren", sagte Torhüter Sven Ulreich. Sorgen äußerte auch Leon Goretzka. "Wir waren schon einmal breiter besetzt, das ist offensichtlich." Joshua Kimmich warnte: "Wenn man viele Verletzte hat, wird es eng." Oder wie Tuchel sagt: "Wir sind etwas dünn, sind wenig. Wir werden unser Bestes geben und den Kader pushen. Es ist ein guter Kader, aber auf manchen Positionen ist es ein wenig mutig." Aber (vorerst) weiter erfolgreich. Durch einen Kraftakt in der zweiten Halbzeit gegen leidenschaftlich kämpfende Borussen, segeln die Münchner weiter auf dem perfekten Punktekurs. Leroy Sané (58.) und Tel (87.) drehten das Spiel und machten den ersten Bayern-Sieg seit über vier Jahren im Borussia-Park perfekt.
"In der zweiten Halbzeit haben wir ein bisschen umgestellt und dann hatten wir den Fuß aufs Gaspedal und haben auch völlig verdient gewonnen", sagte Thomas Müller nach seiner Startelf-Premiere in dieser Saison beim Pay-TV-Sender Sky: "Heute ist ein Lächeln auf meinem Gesicht. Ich fand auch, dass es Spaß gemacht hat." Die Hinrunde der Bundesliga und die Gruppenphase der Champions League müssen die Münchner nun mit dem aktuellen Bestand und einem kreativen Tuchel bestreiten. Im Winter wird neu verhandelt. Ob Palhinha dann kommt? Tuchel zögerte. "Er spielt jetzt erstmals bei Fulham, und wir spielen ohne ihn hier", sagte er und verschwand in Richtung Flughafen: "Im Winter müssen wir dann sehen. Die Dinge ändern sich manchmal".
Quelle: ntv.de