Sechs Dinge, die wir am 30. Spieltag gelernt haben FC Bayern bocklos, Mkhitaryan grübelt
14.04.2014, 12:09 Uhr
Applaus, Applaus: Philipp Lahm und Thomas Müller, hochmotiviert.
(Foto: imago/Annegret Hilse)
Der FC Bayern schleppt sich lustlos durch die Fußball-Bundesliga, kassiert eine Klatsche und spricht von Verzeihung. Dortmunds Henrikh Mkhitaryan denkt nur an Real, Jürgen Klopp an den Pokal. Die Teams im Abstiegskampf sind genervt.
1. Die Bayern haben keinen Bock mehr
Was soll man auch von einer Mannschaft erwarten, deren Trainer öffentlich sagt, es gehe ab sofort nur noch um die Champions League und, als Zugabe, um den DFB-Pokal? Vielleicht, dass sie an diesem 30. Spieltag der Fußball-Bundesliga aufreizend lustlos mit 0:3 gegen die Dortmunder Borussia verliert. Doch Kapitän Philipp Lahm sagt: "Das muss man aber vielleicht auch mal verzeihen können." Aber, vielleicht - geschenkt. Die Frage ist, ob sich die Bayern das selbst verzeihen können. Denn wenn sie sich bei Real Madrid genau angesehen haben, wie der BVB den Pep-Guardiola-Code geknackt hat, könnte das ein Problem für die Münchner im Halbfinale der europäischen Königsklasse werden, dessen Hinspiel am Dienstag nach Ostern im Bernabeu ansteht.

Mit sich und seiner Mannschaft zufrieden: Erik Durm, hier im Zweikampf mit Arjen Robben.
(Foto: imago/Plusphoto)
Die Bayern dominierten gegen den BVB zwar wie gewohnt d ie Partie und verzeichneten 70 Prozent Ballbesitz - verloren aber. Was auch daran lag, dass Dortmunds Trainer Jürgen Klopp seinen Spielern zwar eine solide Defensivtaktik verordnet hatte, die aber schon in der Hälfte der Bayern begann. Will heißen: Die Dortmunder zogen sich keineswegs zurück, sondern attackierten das ganze Spiel über extrem früh. Oder wie es Linksverteidiger Erik Durm formulierte: "Die Bayern wussten nicht, wie sie vorkommen sollen." Und, so sah es zumindest aus, verloren irgendwann die Lust. Die Münchner selbst deklarierten hinterher ihre Zurückhaltung als Vorsichtsmaßnahme. So blieb Nationaltorhüter Manuel Neuer wegen einer zwickenden Wade zur Pause in der Kabine oder sonstwo und Lukas Raeder spielte anstatt wie sonst in der Regionalliga im Topspiel der Bundesliga. Das klingt alles nicht unplausibel, in der Tat hat der FC Bayern ja noch Großes vor, im besten Fall stehen in den sechs Wochen bis zum 24. Mai noch drei Halbfinals und zwei Endspiele an. Im Grunde ist es ganz einfach: Kommt es so und gewinnen die Münchner auch noch, war alles richtig. Geht's schief, lag es daran, was Guardiola selbst einräumte: "Ja, wir haben unseren Rhythmus verloren."
2. Mkhitaryan grübelt, weil er trifft
Ach, die Dortmunder. Da schlägt die Mannschaft von Trainer Jürgen Klopp innerhalb von fünf Tagen zwei Halbfinalisten der Champions League - und muss nach den Siegen gegen Real Madrid und beim FC Bayern doch irgendwie ärgern, falls sie sich den Gedankenspielen hingibt, was alles hätte sein können. Aus der europäischen Königsklasse aber ist der BVB raus, und die Münchner holen sie in der Liga auch nicht mehr ein. "Wir hätten die Tore schon ein bisschen besser verteilen können", sagte Klopp nach dem 3:0 bei den Bayern.

Als sei das selbstverständlich: Henrikh Mkhitaryan feiert sein Tor in München.
(Foto: imago/Thomas Bielefeld)
Wenn es eine tragische Figur bei den Dortmundern g ibt, dann ist es Henrikh Mkhitaryan, der sowohl gegen Real als auch in München überragte. Nur dass er gegen die Bayern das erste Tor erzielte, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt. Nur gegen Madrid eben nicht. Darüber grübelt der Armenier durchaus. Der "Süddeutschen Zeitung sagte er: "Ich habe nicht nur nach meinem Tor heute an Real gedacht. Ich habe auch vor dem Spiel heute an Real gedacht. Ich habe gestern an Real gedacht und habe vorgestern an Real gedacht." Seine Kollegen wirkten aber letztlich dann doch alles andere als unzufrieden, Trainer Klopp hatte "eine brutal gute Mannschaftsleistung" gesehen. Und schließlich ist die Erkenntnis, dass seine Mannschaft guten Fußball spielt, eine ganze Menge wert. Zumal am Dienstag das Halbfinale im DFB-Pokal ansteht. Dann ist (ab 20.30 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) der VfL Wolfsburg zu Gast. Für die Dortmunder geht es um die letzte Chance, in dieser Saison doch noch einen Titel zu gewinnen. Und auch neutrale Beobachter halten es für eine gute Idee, dass sich dann am 17. Mai im Berliner Olympiastadion der BVB und der FC Bayern im Endspiel gegenüberstehen, der am Mittwoch in anderen Halbfinale den Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern zu Gast hat. So wollen sie in Dortmund aber noch nicht denken. "Wolfsburg wird die schwierigste Partie der letzten Wochen", sagte Torwart Roman Weidenfeller.
3. Den Videobeweis gibt's - nur nicht für alle
Die ganze geballte Dummheit dieser Vereinbarung, in der Bundesliga keinen Videobeweis zuzulassen, zeigte sich am Freitag in Gelsenkirchen. In der Partie gegen Eintracht Frankfurt hatte Schalkes Julian Draxler nach einer guten Stunde ein Tor erzielt. Dachte er, dachten alle. Nur Linienrichter Martin Petersen war sich da nicht so sicher. Er sprach mit Schiedsrichter Christian Dingert, der entschied dann: Kein Tor, Draxler war im Abseits, das Zuspiel kam vom Kollegen Leon Goretzka. So weit, so richtig. Da konnten auch alle im Stadion sehen; die Szene war mittlerweile auf dem Videowürfel gelaufen. Das Problem: Der Schiedsrichter darf sich das nicht anschauen, das verbieten die Regeln. Er wird künstlich dumm gehalten. Er muss dann Sachen sagen wie: "Wir haben uns gar nicht damit befasst. Das dürfen wir nicht. Wir müssen die Fakten bewerten, die wir sehen." Was ein Schwachsinn. Schalkes Manager Horst Heldt versprach nun, dass die Wiederholung der Schalker Tore für die Zuschauer künftig etwas später geben wird. "Wir werden es sicherlich in Zukunft erst zeigen, wenn das Spiel schon wieder läuft." Sollen sie machen. Warum aber führt die Liga nicht einfach den Videobeweis ein? Dann dürfen die Schiedsrichter endlich das sehen, was sie eh sehen - und alle anderen auch. Aber wahrscheinlich ist auch das zu teuer. Die Torlinientechnik mit einem Kamerasystem an den Toren oder einem Chip im Ball hatten die 36 Erst- und Zweitligisten jüngst mehrheitlich abgelehnt.
4. Abstiegskampf geht auf die Nerven
Dass im Abstiegskampf die Nerven blank liegen, ist ja auch so eine Floskel. Und wer Hamburgs Torhüter René Adler am Samstagabend im "Sportstudio" des ZDF gesehen hat, der hatte keineswegs den Eindruck, dass da ein Mann sitzt, der mit seinem Verein um die sportliche Zukunft kämpft. Andererseits: Was soll er machen? Weinen? Sich selbst kasteien? Immerhin war er bei der Niederlage des HSV in Hannover noch einer der Besseren in einer erschreckend schwachen Mannschaft. Was Trainer Mirko Slomka sichtlich auf die Nerven ging. "Was soll ich noch sagen? Ich bin enttäuscht, das reicht doch." Der Mann, der in der Hinrunde noch Hannover 96 trainierte, hat in dieser Saison alle Auswärtsspiele verloren, acht mit den Niedersachsen, vier mit dem HSV. Am Ostersamstag steht ein Heimspiel an - gegen den Tabellenfünften VfL Wolfsburg.
Dass die Hamburger immer noch, mit einem Punkt Rücks tand auf den VfB Stuttgart, auf dem Relegationsplatz stehen, haben sie den Nürnbergern und den Braunschweigern auf den Plätzen 17 und 18 zu verdanken, die ihre Partien in Wolfsburg und Freiburg verloren. Alles in allem eine nervenaufreibende Sache. Der 1. FC Nürnberg zum Beispiel war unter dem Motto "Letzte Chance" von der Noris an den Mittellandkanal gereist, nach dem 1:4 beim VfL Wolfsburg bleibt aber zumindest die überraschende Erkenntnis, dass der Spielplan in dieser Saison vier weitere Partien und mithin vier weitere Chancen bereithält. Torhüter und Kapitän Raphael Schäfer aber scheint mit den Nerven am Ende, nach der Niederlage gab er zu Protokoll: "Keine Ahnung, wie wir noch ein, zwei Spiele gewinnen können, um wenigstens noch den Relegationsplatz zu schaffen." In Hamburg werden sie das gerne hören. Auch, dass sie sich in Braunschweig ähnlich resigniert klingen. Nach der verdienten Niederlage beim SC Freiburg sagte Trainer Torsten Lieberknecht: "Uns fällt es nach dem heutigen Tag schwer, noch an den Klassenerhalt zu glauben."
5. Mainzer streben mit Macht nach Europa
Apropos Glaubensfragen: Wir glauben ja, dass der FC Bayern, der BVB und der FC Schalke 04 in der kommenden Saison in der Champions League spielen. Dahinter allerdings geht es ähnlich zu wie im Kampf gegen den Abstieg. Platz vier, der immerhin zur Qualifikation für die Königsklasse berechtigt, haben sich die Leverkusener zurückerobert, dazu gleich mehr. Weitere Kandidaten sind der VfL Wolfsburg, Borussia Mönchengladbach und, ja, auch der FSV Mainz 05. Diese vier Mannschaften dürften den einen vakanten Champions-League-Platz und die zwei Tickets für die Europaliga unter sich ausmachen.
Und in Mainz nehmen sie den Kampf an. "Wir erlauben uns hier, groß zu denken", sagte Trainer Thomas Tuchel nach dem 3:0 gegen den SV Werder Bremen. Auch wenn er behauptete, die Europapokal-Gesänge der Fans gar nicht gehört zu haben. Dennoch: "Wer uns kennt, weiß, dass wir immer das Maximale anstreben." Und das hieße eben Champions League. Da lohnt sich ein Blick auf das Programm, das die Mainzer in dieser Saison noch zu absolvieren haben, auch wenn Mittelfeldspieler Johannes Geis sagt: "Um Rechenspielchen anzufangen, sind es noch zu viele Spieltage." Egal: Am Ostersamstag geht es zu Borussia Dortmund, es folgen ein Heimspiel gegen den 1. FC Nürnberg und die Partie bei Borussia Mönchengladbach, ehe es am letzten Spieltag am 10. Mai gegen den Hamburger SV geht. Wir glauben, sie können das schaffen.
6. Trainerwechsel lohnen sich doch
Oder auch nicht. Im Falle von Bayer Leverkusen heißt das: Kaum sitzt Sascha Lewandowski wieder auf der Bank, gewinnt die Mannschaft endlich einmal, mit 2:1 gegen die Berliner Hertha. Ein Erfolg aus der Rubrik Arbeitssieg. Sie wollen unbedingt die beiden Playoffpartien zur Champions League erreichen. "Jetzt können wir das aus eigener Kraft schaffen", sagte Sportchef Rudi Völler. Aber lag es wirklich daran, dass Jugendtrainer Lewandowski nun anstelle von Sami Hyypiä das Sagen und gerade einmal sechs Trainingseinheiten geleitet hat? Die Hobbypoeten unter den Fans haben dazu ihre eigene Meinung und hängten im Stadion ein Plakat auf: "Spielerleistung beschissen - nächster Trainer verschlissen - Sami war nicht der Alleinschuldige". Berlins Trainer Jos Luhukay hatte vor der Partie dem "Tagesspiegel" gesagt: "Welchen Effekt ein Trainerwechsel hat, welche Reaktion die Mannschaft zeigt, das weiß man erst hinterher." Zumindest gegen die Hertha hat es gereicht, gerade so. Neun Mal saßen in dieser Saison neue Trainer auf der Bank. Nur einer, Rodolfo Cardoso mit dem Hamburger SV, verlor sein Premierenspiel. Vielleicht sollten die Leverkusener am Ostersonntag einfach wieder Hyypiä auf die Bank bitten.
Quelle: ntv.de