Fußball

Wenn Profit moralische Bedenken schlägt FC Bayern steht zu sich und Hoeneß

"Toller Vertrauensbeweis": Uli Hoeneß.

"Toller Vertrauensbeweis": Uli Hoeneß.

(Foto: dpa)

Das Votum des Aufsichtsrates für Präsident Hoeneß soll beim FC Bayern Geschlossenheit auf dem Weg nach Wembley demonstrieren. Mit "breiter Brust" gehen die Münchner nun ins Endspiel gegen Dortmund. Und Karl-Heinz Rummenigge bleibt bis 2016 Vorstandschef - ein Zeichen für Kontinuität.

Chronologie der Steuer-Affäre

Dezember 2012: Das geplante Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland scheitert im Bundesrat an der Mehrheit von SPD und Grünen.

Januar 2013: Uli Hoeneß erstattet beim Finanzamt Selbstanzeige wegen nicht gezahlter Steuern auf Kapitalerträge seines Geldes auf einem Schweizer Konto.

20. März: Die Ermittlungsbehörden erwirken einen Haftbefehl gegen Hoeneß und durchsuchen sein Haus am Tegernsee. Der Haftbefehl wird gegen eine Kaution in Millionenhöhe außer Vollzug gesetzt.

20. April: Das so genannte Nachrichtenmagazin "Focus" macht die Selbstanzeige des Bayern-Präsidenten und die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München II wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung öffentlich.

22. April: Die "Bild"-Zeitung berichtet über eine Spielsucht von Hoeneß an der Börse und ein Millionen-Darlehen des früheren Adidas-Bosses Robert Louis-Dreyfus. Hoeneß schließt einen Rücktritt als Präsident des FC Bayern und als Aufsichtsrats-Chef der FC Bayern München AG aus.

23. April: Hoeneß gesteht bei Sport Bild einen "schweren Fehler" ein. Kurz vor Münchens Halbfinale gegen den FC Barcelona berichtet die "Süddeutsche Zeitung" über den Haftbefehl gegen Hoeneß und die Durchsuchung seines Hauses. Hoeneß tritt erstmals nach Bekanntwerden seiner Steuer-Affäre in der Öffentlichkeit auf und sitzt beim 4:0-Sieg im Champions-League-Halbfinale gegen FC Barcelona auf der Ehrentribüne der Münchner Arena.

1. Mai: Hoeneß räumt in einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit" seine Zockerleidenschaft ein, dementiert Verbindungen seiner finanziellen Transaktionen mit Klub-Konten und erklärt einen Rückzug aus seinen Ämtern bei den Bayern erstmals für frühestens nach dem Champions-League-Finale für möglich.

4. Mai: Hoeneß besucht während des Bundesliga-Schlagers zwischen Borussia Dortmund und Bayern München ein Play-off-Spiel der Bayern-Basketballer in München.

5. Mai: Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet, Mitglieder des Aufsichtsrats wollten Hoeneß auf der Sitzung des Kontrollgremiums am Tag drauf zum Rückzug nach dem Champions-League-Finale drängen. Hoeneß' Vorgänger Franz Beckenbauer lehnt zur Sicherheit schon mal eine Übernahme der Ämter ab.

6. Mai: Der Aufsichtsrat tagt. Hoeneß bietet seinen Rücktritt an. Dies wird abgelehnt, der Präsident und Aufsichtsratschef bleibt im Amt. Fortsetzung folgt.

Uli Hoeneß atmet auf - und für den FC Bayern soll nach dem demo nst rativen "Mia-san-mia"-Bekenntnis zu seinem öffentlich beschädigten Präsidenten ab sofort das Spiel des Jahres gegen Borussia Dortmund im Fokus stehen. Vorstand Karl-Heinz Rummenigge und der Ehrenvorsitzende Franz Beckenbauer bewerteten das 8:0-Votum des Aufsichtsrates für seinen Vorsitzenden Hoeneß trotz dessen Steueraffäre als bedeutsames Signal vor dem Champions-League-Finale am 25 Mai in London.

"Die Entscheidung des Aufsichtsrates ist Beweis der Qualität, Einheit und Stärke dieses Gremiums. Er hat sie am Ende des Tages mit großer Seriosität und hohem Verantwortungsgefühl getroffen. Sie zeigt: Der Klub steht sehr eng zusammen", sagte Vorstandsboss Rummenigge. Beckenbauer sprach in der "Bild"-Zeitung von einem "tollen Vertrauensbeweis" für Hoeneß, Sammer kommentierte, der Verein sei "ganz stark zusammengerückt".

Der 61-Jährige hatte in der Aufsichtsratssitzung angeboten, den Vorsitz ruhen zu lassen, bis über die strafbefreiende Wirkung seiner Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung entschieden sei. Das lehnten seine acht Aufsichtsratskollegen, darunter namhafte Lenker deutscher Dax-Unternehmen, einmütig ab. "Ich glaube, Uli war sehr erleichtert, dass der Aufsichtsrat ihm das Vertrauen geschenkt hat", sagte Rummenigge. Die Vizepräsidenten Karl Hopfner und Rudolf Schels sowie der vom ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber angeführte Verwaltungsbeirat stimmten der Entscheidung des Aufsichtsrates "vollinhaltlich zu", wie der Verein mitteilte. Hopfner und Stoiber gehören auch dem Aufsichtsrat an.

Die Vorstandsbosse von Audi (Rupert Stadler) und Adidas (Herbert Hainer), deren Unternehmen mit jeweils 9,1 Prozent Anteilseigner an der FC Bayern München AG sind, nahmen ebenso wie VW-Chef Martin Winterkorn oder Timotheus Höttges vom Hauptsponsor Telekom eine Glaubwürdigkeitsdebatte in Kauf, wie sie SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück umgehend eröffnete. Die Entscheidung der Räte sei falsch, kritisierte Steinbrück: Sie hätten die Verhaltensregeln, die sie ihren Unternehmen auferlegten, auch auf das Fußball-Unternehmen Bayern München übertragen müssen. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz sah die Entscheidung ähnlich negativ. "In einem regulären DAX-Unternehmen wäre das schwer vorstellbar", sagte DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler.

Hauptsache zusammenhalten

Die Anerkennung der Lebensleistung des von vielen Aufsichtsräten bewunderten Fußball-Machers Hoeneß sowie der Profit und Imagegewinn eines Münchner Champions-League-Triumphes könnten moralische Bedenken überwogen haben. Vor den "zwei extrem wichtigen Endspielen" (Rummenigge) gegen Dortmund und eine Woche später im Pokal gegen den VfB Stuttgart hatte ein Schulterschluss auf höchster Ebene wohl Priorität. Am Rande der Pokalübergabe in Berlin "begrüßte" Nationalspieler Toni Kroos stellvertretend für die Mannschaft den Verbleib von Hoeneß: "Bayern München ohne Uli Hoeneß ist nicht vorstellbar."

Es sei wichtig gewesen, "dass der Verein in der aktuellen Phase Geschlossenheit demonstriert", betonte auch Rummenigge: "Es war ein Zeichen an die Mannschaft, die Fans und die Mitglieder." Die ersten eingegangenen Reaktionen von Fans seien "extrem positiv" gewesen. Eine Entmachtung von Hoeneß hätte die Finalwochen mit der Aussicht auf das historische Titel-Triple mit einer Führungsdebatte belastet.

Einen Persilschein haben die Räte dem Steuersünder Hoeneß, gegen den ein Haftbefehl nur gegen Kaution außer Vollzug gesetzt worden war, nicht ausgestellt. Beim "Vorliegen neuer Erkenntnisse" käme das Thema zurück auf die Agenda, hieß es. Hoeneß hat Zeit gewonnen, amtiert aber auf Bewährung. Der Ball liegt bei der Münchner Staatsanwaltschaft, die auch am Dienstag noch "keinen bestimmten Zeitpunkt nennen" konnte, "zu dem das Ermittlungsverfahren abgeschlossen sein wird", wie Sprecher Ken Heidenreich sagte.

Trotz der ungewissen Zukunft von Hoeneß, dem weiter eine Anklage und eine Haftstrafe ohne Bewährung drohen, hat der Aufsichtsrat für Kontinuität in der Vereinsführung gesorgt. Der Vertrag mit Rummenigge (57), der seit 2002 an der Spitze der Bayern-AG steht, wurde vorzeitig um drei Jahre bis Ende 2016 verlängert, der seines Stellvertreters Andreas Jung bis zum 30. Juni 2016.  "Der Verein befindet sich in einer wunderbaren Verfassung", erklärte Rummenigge zur Aussicht auf die sportlich und wirtschaftlich erfolgreichste Saison in der 113-jährigen Geschichte. "Ich kann jetzt schon sagen, dass wir wirtschaftlich Rekorde bei Umsatz und Gewinn erreichen." Der Umsatz wird wohl erstmals über 400 Millionen Euro betragen, der Gewinn im zweistelligen Millionenbereich liegen. Der FC Bayern strotzt vor Kraft. "Wir gehen mit breiter Brust in die zwei Endspiele gegen Dortmund und Stuttgart", verkündete Rummenigge.

Quelle: ntv.de, Klaus Bergmann, dpa

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