Über 32 Verletzte bei Topspiel "Gewaltorgie" der Hamburger Polizei sorgt für Entsetzen
11.11.2023, 11:08 Uhr
Verletzte am Millerntor.
(Foto: IMAGO/Claus Bergmann)
Was ist im Gästeblock am Hamburger Millerntor passiert? Ein Einsatz der Hamburger Polizei führt zu Ausschreitungen, einer Spielunterbrechung und zahlreichen verletzten Fans, die in Krankenhäusern behandelt werden müssen. Die Polizei ermittelt. Die Fanhilfe Hannover übt scharfe Kritik an dem Einsatz.
Bei den Krawallen am Rande des Zweitliga-Topspiels zwischen dem FC St. Pauli und Hannover 96 sind mindestens 15 Fans und 17 Polizisten verletzt worden. Zahlreiche Fans der Gäste mussten mit teils schweren Verletzungen in Hamburger Krankenhäusern behandelt werden. Einigen von ihnen wurden kurz danach von der Kriminalpolizei als Beschuldigte befragt. Auch ein Polizist habe mehrfache Brüche erlitten, teilte unterdessen die Hamburger Polizei mit, die zur Zahl der Festnahmen noch keine Angaben machen konnte. Die Kriminalpolizei hat demnach die Ermittlungen aufgenommen.
Die Ursache für die Ausschreitungen im Gästefanblock am Freitagabend sei weiter unklar, hieß es seitens der Hamburger Polizei. Ein männlicher Fan wurde Polizeiangaben zufolge "erheblich attackiert" und auch am Boden liegend noch getreten. Die Fanhilfe Hannover widerspricht gegenüber ntv.de dieser Darstellung und spricht von einem Gerangel zwischen Fans, was sich bereits selbst befriedet habe.
Als die Polizei dann in voller Kampfmontur eingriff, kam es im Block zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Fans und Einsatzkräften. Die Partie war wegen der Vorkommnisse für etwa fünf Minuten unterbrochen und dann fortgesetzt worden. Nach den Auseinandersetzungen im Gästeblock hatten Ordner des gastgebenden Vereins FC St. Pauli Wasser für die mit Reizgas verletzten Fans zur Verfügung gestellt.
Angst vor Polizei: Nicht alle Verletzungen behandelt
Die Folgen für die Betroffenen sind massiv. Wie die Fanhilfe Hannover auf ihrer Facebook-Seite berichtet, seien zahlreiche Hannover-Fans aufgrund der "unfassbaren und unentschuldbaren Gewaltorgie der Hamburger Polizei" mit schweren Kopfverletzungen und Verdacht auf Knochenbrüche in den umliegenden Krankenhäusern behandelt worden. Die Polizei hatte den Fans auch mit Schlagstöcken auf den Kopf geschlagen.
"Mehrere Dutzend Fans sind zudem durch den Einsatz von Reizgas der Polizei verletzt worden", hieß es weiter. Einige Verletzte hätten sich aus Angst vor den Repressionen der Polizei nicht vor Ort behandeln lassen, sagte die Fanhilfe Hannover im Gespräch mit ntv.de.
Die Fanhilfe St. Pauli kritisierte am Freitag den zwischenzeitlichen Einsatz der Polizei im Fan-Block ebenfalls als "unangebracht und unverhältnismäßig". Die Polizei gab an, in den Block gegangen zu sein, um "Schlimmeres zu verhindern". 96-Trainer Stefan Leitl und St. Paulis Coach Fabian Hürzeler verurteilten die Ausschreitungen. Teils waren heftige Prügeleien, Becher- und Stangenwürfe zu sehen.
Im Anschluss an die Partie seien Einsatzkräfte von Fans des FC St. Pauli im Stadtviertel mit Flaschen, Steinen und Pyrotechnik angegriffen worden, teilte die Polizei mit. Die Beamten hätten darauf mit dem Einsatz von Pfefferspray reagiert.
Vermehrter Einsatz von Reizgas
In den Statuten der FIFA wird der Einsatz von Reizgas in Stadien ausgeschlossen. Diese gelten jedoch nur bei FIFA-Wettbewerben und stehen nicht über dem nationalen Recht. In den Stadien der Bundesliga kommt es immer wieder zum Einsatz von Pfefferspray. Der Einsatz ist höchst umstritten. Kritiker weisen immer wieder auf die gesundheitlichen Gefahren hin.
"Tränengas verursacht ein brennendes Gefühl und bewirkt tränende Augen, Husten, Brustbeklemmung und Atemnot sowie Hautreizungen. In den meisten Fällen lässt die Wirkung innerhalb von 10 bis 20 Minuten nach", schreibt Amnesty International auf ihrer Webseite. "Allerdings wirkt Tränengas auf Menschen unterschiedlich, wobei Kinder, schwangere Frauen und ältere Menschen besonders gefährdet sind. Die Toxizitätswerte können je nach Produktspezifikationen, der verwendeten Menge und der Umgebung, in der es verwendet wird, variieren. Längerer Kontakt kann zu schweren Gesundheitsrisiken führen."
Anfang September wurden Fans des 1. FC Köln beim Auswärtsspiel in Frankfurt nach einem als "überzogen" kritisierten Polizeieinsatz im Gästeblock verletzt. Die Polizei hatte ihr Einschreiten als eine "geeignete Maßnahme" gerechtfertigt und von einem Angriff der Fans auf Ordner gesprochen. Auch beim Niedersachsenderby zwischen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig war es in der Vorwoche zu Verletzten nach einem Reizgas-Einsatz der niedersächsischen Polizei im Heimblock gekommen.
Die Ereignisse von Freitag werden in die Datei "Gewalttäter Sport" einfließen. Diese gibt es seit 1994. Sie hatte im Jahr 2014 mit rund 13.000 Eintragungen ihren Höchststand erreicht. Aktuell sind dort auch aufgrund der Geisterspiele der Pandemie nur noch unter 6000 Fans registriert. In die Datei fließen die Daten von Personen ein, gegen die im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen ein Strafverfahren eingeleitet wurde.
Quelle: ntv.de, mit dpa