Verwehrtes Tor, Krämpfe, Dreierkette Guardiolas Bayern gewinnen Pokal-Schlacht
18.05.2014, 06:50 Uhr
Die Bayern feiern ihren Trainer.
(Foto: dpa)
In ihrem dritten Finalshowdown binnen drei Jahren krönt sich Josep Guardiolas FC Bayern im Pokalfinale erst nach Verlängerung zum Double-Sieger. Der BVB fühlt sich in Berlin vom Schiedsrichter entscheidend benachteiligt.
Thomas Müller konnte kaum noch laufen, Marcel Schmelzer auch nicht. Aber beide liefen, der eine hinter dem anderen her. Wie in Zeitlupe näherte sich der Bayern-Stürmer in der 123. Minute des Pokalfinales dem BVB-Tor, den Ball am Fuß, mühsam verfolgt vom Dortmunder Verteidiger. Im Strafraum angekommen trotzte Müller noch einmal seiner Erschöpfung, den Wadenkrämpfen, er umrundete BVB-Keeper Roman Weidenfeller, stakste das Spielgerät über die Linie. Es war das Signal für einen Platzsturm der Bayern-Bank, noch vor dem Abpfiff.
Der war von diesem Moment an ohnehin nur noch Formsache. Nach Arjen Robbens Führungstor in der 107. Minute war Müllers Kraftakt vor 76.197 Zuschauern im Berliner Olympiastadion die Entscheidung im nächsten bayrisch-westfälischen Fußball-Traumfinale, das diesmal nach 90 Minuten noch keinen Sieger gefunden hatte. Und das im Gegensatz zur Pokalfinaltorflut 2012 (5:2 für Dortmund) und zum spektakulären Champions-League-Showdown 2013 (2:1 für München) mehr Kampf und Dramatik bot als spielerische Klasse, bis zur totalen Erschöpfung.
Es war das Tor, das aus dem angezweifelten Münchner Meistercoach Josep Guardiola den gefeierten bayerischen Double-Gewinner-Trainer 2014 machte. "Sehr glücklich" sei er, gab der Spanier trotz einer unvermeidlichen Weißbierdusche auf dem Berliner Rasen zu Protokoll, er wirkte gelöst. Zweifel und Anspannung waren nach dem Schlusspfiff plötzlich abgefallen vom oft grüblerischen Spanier. Auch von Arjen Robben, mit seinem 1:0 der Wegbereiter der Guardiola'schen Glückseligkeit: "Alle haben uns so ein bisschen abgeschrieben. Aber wir sind hier, wir haben dieses Ding gewonnen - und das Double."
Den Titel - unbedingt
Obwohl in der Verlängerung mehrere Bayern-Profis Krämpfe plagten und Dortmund den frischeren Eindruck machte, kämpften sich die Münchner in einer echten Pokalschlacht zum Sieg - genau so, wie es Sportvorstand Matthias Sammer vorab gefordert hatte. Auch der frühe Ausfall von Kapitän Philipp Lahm in der 30. Minute brachte die Münchner nicht aus dem Tritt. "Diesen Titel wollten wir unbedingt gewinnen", sagte Robben: "Das haben wir auf dem Platz gesehen."
Sammer erklärte die Spielzeit kurzerhand zu einer "herausragenden Saison", Bayerns Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge war selig. Von zwei sehr guten Mannschaften sei man zwar "auch die etwas glücklichere" gewesen. Guardiola habe das Glück mit Aufstellung und Taktik aber auch erzwungen: "Unser Trainer lag heute mit seinen Entscheidungen goldrichtig." Vor allem in der ersten Halbzeit erwies sich die Umstellung der Abwehr auf eine Dreierkette zugunsten eines weiteren Mittelfeldspielers als probates Mittel gegen die Dortmunder Konterstärke. Die Wucht und Zielstrebigkeit, die das BVB-Spiel normalerweise auszeichnet, war erst nach der Pause in Ansätzen erkennen. Und auch der erst 18-jährige Däne Pierre-Emile Höjbjerg, von Guardiola überraschend in die Startelf beordert, zeigte eine abgeklärte Leistung gegen den BVB.
Zweiter Sieger irgendwie sprachlos
Dem blieb am Ende wie 2013 im Londoner Champions-League-Finale nur Frust. Darüber, dem Branchenführer aus München erneut auf Augenhöhe begegnet zu sein und am Ende doch wieder nur die zweite Hauptrolle gespielt zu haben. Ausgerechnet im großen Saisonfinale hatte es der BVB gegen einen mental und personell angeschlagenen Gegner nicht geschafft, noch einmal seine beste Leistung abzurufen. Die Favoritenrolle, die sich die Dortmunder in den vergangenen Wochen mit starken Leistungen erspielt hatten, wirkte in Berlin wie ein Hemmschuh. Torjäger Robert Lewandowski blieb in seinem Abschiedsspiel für den BVB blass.
"Man könnte soviel zu dem Spiel sagen und am Ende doch so wenig", fasste BVB-Coach Klopp noch auf dem Rasen seine Gefühlslage zusammen, während nur wenige Meter entfernt die Bayern-Profis mit ihren Fans den 17. Pokalsieg und das 10. Double der Vereinsgeschichte feierten. Später räumte er ein, "die große Leichtigkeit" habe seinem Team gefehlt: " Aber wir haben uns gequält, alle haben alles gegeben." Es reichte nicht für den ersten Titel seit dem Pokalsieg 2012, als der BVB die Münchner an selber Stätte mit 5:2 gedemütigt hatte. Und mindestens eine Teilschuld dafür gaben die Dortmunder auch Schiedsrichter Florian Meyer.
Denn für schwarzgelben Frust sorgte in Berlin auch das latente Gefühl, um den Sieg betrogen worden zu sein. "Wir hätten das Spiel in der regulären Spielzeit gewonnen, nun stehen wir mit leeren Händen da", klagte BVB-Keeper Roman Weidenfeller und meinte eine Szene in der 64. Spielminute. Da hatte Dortmunds Abwehrchef Mats Hummels den Ball nach einem Freistoß aufs Bayern-Tor geköpft. Der Münchner Dante klärte für seinen geschlagenen Keeper Manuel Neuer, aber erst hinter der Linie. Linienrichter Frank Willenborg signalisierte zwar scheinbar ganz kurz Tor. Schiedsrichter Meyer erkannte den Treffer aber nicht an. Das Spiel lief weiter - und lieferte damit den Befürwortern der Torlinientechnik neue Argumente.
Die hätte es allerdings gar nicht gebraucht, fand Klopp. Für ihn war die Szene auch mit bloßem Auge eindeutig, er fand: "Das kann man sehen. Dafür brauchen wir keine Torlinientechnologie." Aus Dortmunder Sicht war es das bittere Fazit eines großen Münchner Fußballabends.
Quelle: ntv.de