Fußball

"Soll ich Spieler beleidigen?" Hertha "schockiert" den eigenen Trainer

Pal Dardai wurde von seiner Mannschaft im Regen stehen gelassen.

Pal Dardai wurde von seiner Mannschaft im Regen stehen gelassen.

(Foto: picture alliance/dpa)

Hertha BSC legt einen veritablen Fehlstart in die Fußball-Bundesliga hin: Drei Spiele, drei Niederlagen. Ausgerechnet die erwartbare Pleite gegen den FC Bayern München sorgt für Fassungslosigkeit bei den Hauptstädtern. Der Trainer ist schockiert.

Wie enttäuscht kann ein Bundesligatrainer von seiner Mannschaft sein? Nun, Pal Dardai darf man da ab jetzt als Maß nehmen. "1 Dardai" steht fortan für "sehr, sehr enttäuscht". Nach der 0:5-Klatsche beim FC Bayern brach einiges aus dem sportlich leitenden Angestellten von Hertha BSC heraus. "Wir haben nichts angeboten, nicht zweikampfmäßig, nicht spielerisch", stellte der niedergeschlagene Ungar nach Abpfiff bei "Sky" fest und ergänzte: "Man hat nur die Mannschaft gesehen. Das war kein schönes Gefühl." Die Lage seiner Mannschaft sei "schockierend".

0:2 hatte es zur Pause noch gestanden, nach den Pleiten gegen den 1. FC Köln und den VfL Wolfsburg zum Start zeichnete sich da längst die dritte Niederlage in Serie ab. Klar, er habe noch versucht, "die Mannschaft aufzubauen", doch eine eventuell noch vorhandene zarte Hoffnung, verabschiedete sich vier Minuten nach Wiederanpfiff sofort wieder: "Dann kommt ein individueller Fehler zum 3:0 - und wir haben keine Chance mehr gehabt." Bayerns Jamal Musiala machte mit seinem 3:0 endgültig den Deckel drauf, Robert Lewandowski machte schließlich mit seinen Treffern zwei und drei des Abends aus der deutlichen Niederlage noch ein Debakel für die Gäste. Die gehen nun mit null Punkten und 2:10 (!) Toren als Tabellenletzter in die Länderspielpause.

"Gut, dass jetzt eine Pause kommt, dann können wir einen Neuanfang machen", sagte Dardai auf der Pressekonferenz nach dem Desaster. "Dieses Spiel müssen wir vergessen. Aber wir dürfen es auch nicht unter den Teppich kehren." Dardai stand bei seinem analysierenden Monolog merklich noch unter dem Eindruck einer erschreckenden Vorstellung. Er habe von seiner Mannschaft leistungsmäßig mehr erwartet in München. "Ich habe nicht gedacht, dass wir hierher kommen und dann so schockierend spielen. Wir hatten heute keine Chance. Die Körpersprache, die Unsicherheit - das ist nicht schön. Da brauchst du Führungsspieler. Wir müssen uns Gedanken machen." Und nein, "in diesem Moment Herthaner zu sein, ist nicht das Schönste."

"So funktioniert Fußball nicht"

Die Berliner wirkten überfordert und schon früh in der Saison wie ein Absteiger. Dardais Mannschaft fand offensiv so gut wie nicht statt, unter anderem, weil die Münchner bissiger in die Zweikämpfe gingen und ihren Gegenspielern mühelos den Schneid abkauften. Die Hertha war deshalb vor allem mit der Verhinderung von weiteren Treffern beschäftigt. Sie hatte dabei das große Glück, dass bei den Bayern oft der letzte Pass nicht an- oder zu ungenau kam und sie aus ihrer großen Überlegenheit daher sogar zu wenig Tore machten. Es hätte alles noch schlimmer kommen können.

Sportdirektor Arne Friedrich war ebenfalls schockiert: "Die Enttäuschung ist sehr groß. Mit 0:5 beim FC Bayern zu verlieren ist hart, dass muss ich ganz ehrlich sagen. Die Bayern sind auch noch nicht so eingespielt und hier so zu verlieren ist bitter. Das haben wir uns definitiv anders vorgestellt", sagte der ehemalige Hertha-Profi. "Wir haben jetzt die Länderspielpause und werden uns zusammensetzen, um alles zu analysieren. Wir müssen hinterfragen, was wir nicht richtig gemacht haben. Wir sind im Pokal weiter und haben die ersten Spiele verloren. Das ist ein absoluter Fehlstart, aber wir werden die Lage bewerten."

Geschäftsführer Carsten Schmidt bemängelte am Morgen im "Doppelpass" von Sport1, dass die Mannschaft bei den Niederlagen gegen Köln und Wolfsburg Defizite "teilweise in der Taktik und teilweise auch in der Bereitschaft" gehabt habe. Über den Auftritt bei den Bayern werde man noch sprechen, kündigte er an.

Dabei sei man nach den beiden Auftaktniederlagen (1:3 in Köln, 1:2 gegen den VfL Wolfsburg) eigentlich mit einer positiven Erwartung zum Rekordmeister gereist: "Vielleicht habe ich das Spiel unterschätzt. Ich dachte, wir fahren zum FC Bayern, da können wir richtig leidenschaftlich Top oder Flop spielen. Das war nicht der Fall." Schon die "Halbzeitanalyse hat mich etwas erschreckt, die ersten beiden Niederlagen hat die Mannschaft scheinbar nicht verkraftet." Das sei unter der Woche allerdings nicht absehbar gewesen. "Du brauchst Führungsspieler, gerade in wichtigen Momenten. In der ersten Halbzeit war das kein Coaching auf dem Platz, ich habe keine aggressiven Ansagen gesehen, jeder war mit sich selbst beschäftigt. So funktioniert Fußball nicht."

"Soll ich die Spieler beleidigen?"

Am Ende eines bitteren Spiels verzichtete Dardai, der den Klub in der vergangenen Saison vor dem Abstieg gerettet hatte, seinerseits darauf, allzu intensiv ins Spielgeschehen eingreifen zu wollen. "Was soll ich machen? Soll ich die Spieler beleidigen?", fragte er und gab die Antwort selbst. Nein, "lass sie in Ruhe, sie wollen das Spiel auch nur zu Ende bringen. Jeder soll zu seiner Familie gehen, das Spiel schön abhaken. Es bringt uns nicht weiter, uns damit zu beschäftigen." Es gebe nach diesem Spiel schlicht sportlich nichts zu analysieren.

Analyse oder abhaken: Nun kommt eine ganz wichtige Phase auf Dardai zu, der auch noch Integrationsarbeit leisten will: "Einige Spieler hatten im Sommer zu tun, waren bei Olympia, Neuzugänge kamen spät. Wir haben jetzt zwei Wochen viel zu tun, aber es kommen auch neue Spieler." Dazu hätten verletzte Spieler die Chance, Blessuren auszukurieren. Aus München brachte man neben einer frustrierenden Erfahrung nämlich noch zwei Verletzte mit: Der schon nach 20 Minuten ausgewechselte Offensivspieler Stevan Jovetic zog sich eine Wadenblessur zu. Der nach einer Stunde ersetzte Mittelstürmer Davie Selke brach sich eine Rippe. Selke, der beste Torschütze aus der Vorbereitung, falle "zunächst für den Trainings- und Spielbetrieb" aus, teilte der Klub am Morgen mit.

Ob Jovetic und Selke bis zum nächsten Bundesligaspiel wieder einsatzbereit sein werden, ist unklar. Dann dürfte immerhin der verletzte Führungsspieler Kevin-Prince Boateng zurückkehren, den man vor der Saison als "Aggressive Leader" zum Team geholt hatte. Auch Mittelstürmer Krzysztof Piatek könnte zum anvisierten Neustart knapp vier Monate nach seinem Fußbruch im Mai wieder dabei sein. Wenn es wieder los geht, das ist klar, muss sofort Zählbares geliefert werden. Denn dann geht es hintereinander gegen die beiden Aufsteiger: "Gegen Bochum und Fürth", weiß Verteidiger Niklas Stark, "sollten wir auf jeden Fall Punkte holen." Oh ja.

Quelle: ntv.de, ter

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