Fußball

Bielefeld-Fans eskalieren Heulender Fußballgott Klos verhindert Schreckliches

Fabian Klos redete immer wieder auf die aufgebrachten Fans ein.

Fabian Klos redete immer wieder auf die aufgebrachten Fans ein.

(Foto: IMAGO/Jan Huebner)

Bei Arminia Bielefeld stirbt am späten Freitagabend nicht nur die Hoffnung auf den Klassenerhalt in der 2. Fußball-Bundesliga, der Klub liegt nach dem sportlichen Debakel beim SV Wehen Wiesbaden auch atmosphärisch in Trümmern. Klubikone Fabian Klos wird deutlich.

Fabian Klos wollte nicht sagen, was ihn nach diesem chaotischen Abend wirklich bewegte. Die Sturmlegende der gerade erst sportlich gedemütigten und atmosphärisch zerbrochenen Arminia aus Bielefeld machte nur knackige Andeutungen. Sie waren aber so vielsagend, dass es jedem offensichtlich war: Der 35-Jährige hat mit seinen Team-Kollegen abgeschlossen. Mit einer Mannschaft, die keine Mannschaft ist. Nicht an diesem Abend, der den Klub aus Ostwestfalen in die 3. Fußball-Liga schicken wird. Nicht in den vergangenen Wochen. Nicht in der gesamten Saison. Doch zu keiner Zeit war die Wut auf seine Kollegen so groß, wie nach dem Relegations-Hinspiel beim SV Wehen Wiesbaden, das mit 0:4 verloren ging, das mehrfach vor dem Abbruch stand.

Die Wut der Fans über den unaufhaltsamen Absturz der Arminia war nach 82 Minuten eskaliert. Böller und Raketen flogen auf den Rasen. Schiedsrichter Benjamin Brand schickte beide Mannschaften in die Kabinen - erst nach 21 Minuten und einem bemerkenswerten Auftritt von Klos kamen die Spieler zurück und setzten das Duell noch fort. Klos hatte ganze Arbeit geleistet. Er hatte den enthemmten Block dazu gebracht, auf die maximale Eskalation zu verzichten. Es waren 21 Minuten, die in die deutsche Fußballgeschichte eingehen. Alleine stand Klos auf dem Rasen, vor den eigenen Fans. Auf dem Rasen brannten Bengalos, es knallte um ihn herum. Immer wieder schallte es aus dem Block: "Außer Fabi könnt ihr alle gehen". Mehr Abrechnung geht nicht.

"Blut, Schweiß und Knochenbrüche"

Wehen Wiesbaden - Arminia Bielefeld 4:0 (1:0)

Tore: 1:0 Prtajin (6.), 2:0 Wurtz (50.), 3:0 Hollerbach (60.), 4:0 Iredale (82.)
Wiesbaden: Stritzel - Fechner, Gürleyen, Mrowca - Mockenhaupt, Heußer (87. Taffertshofer), Jacobsen, Ezeh (78. Rieble) - Wurtz (72. Froese) - Prtajin (87. Carstens), Hollerbach (72. Iredale); Trainer: Kauczinski.
Bielefeld: Fraisl - Gebauer (73. Corbeanu), Jäkel, Andrade, Oczipka (73. Bello) - Prietl, Vasiliadis - Rzatkowski (62. Lepinjica) - Lasme (62. Klos), Serra, Hack; Trainer: Koschinat.
Schiedsrichter: Benjamin Brand (Unterspiesheim)
Zuschauer: 11.008 (ausverkauft)
Bes. Vorkommnis: Das Spiel wurde in der 83. Minute, wegen Fanausschreitungen für 20 Minuten unterbrochen.

Andere Spieler wären längst geflüchtet. Nicht aber der Stürmer. Er brach in Tränen aus, weinte hemmungslos. Im Mittelkreis, auf der eigenen Bank, die während der Unterbrechung komplett verwaist war, vor den eigenen Fans. Solch herzzerreißende Szenen hat es im deutschen Fußball selten, vielleicht noch nie gegeben. Keinem Fußballer der Arminia geht der Untergang so nah wie dem ostwestfälischen Fußballgott. Der 35-Jährige versuchte alles, um diesen brutalen Zusammenbruch auf allen Ebenen irgendwie zu verhindern. Er ackerte und ackerte (nach seiner Einwechslung). Er redete und redete. Er schaffte zumindest, dass etwas noch viel Schrecklicheres mit unabsehbaren Folgen verhindert wurde. Man möchte nicht daran denken, was hätte passieren können. In solchen Momenten kommen immer wieder die Bilder aus Berlin hoch, als einst Fans der Hertha die eigenen Spieler mit Eisenstangen durch das Olympiastadion jagten.

"Bei allem Frust und aller Enttäuschung, die ich nachvollziehen kann, geht das, was hier passiert ist, zu weit. Da reden wir auch über mögliche Körperverletzungen", sagte Arminias Geschäftsführer Christoph Wortmann. Wie Klos und Trainer Uwe Koschinat, schon der dritte in dieser Saison, sah Wortmann die Ursache für die schweren Ausschreitungen, die fast zu einem Spielabbruch geführt hätten, aber vor allem bei den Profis. "Ich kann mich bei den Fans nur für die Leistung der Mannschaft entschuldigen. So kann man ein Spiel nicht angehen", kritisierte er den blamablen Auftritt. Zu keiner Zeit wirkte die Arminia bereit, den Kampf um den Klassenerhalt um jeden Preis annehmen zu wollen. Oder zu können.

Als das Spiel dann doch noch zu Ende gebracht werden konnte, ohne weitere Ausschreitungen, flogen nach dem Schlusspfiff allerdings wieder Feuerwerkskörper. Die maskierten Anhänger brannten mit ihren Raketen und Pyros zahllose Löcher in den Rasen, Rauchschwaden zogen durch die Brita-Arena. Klos, der seit 2011 für die Arminia spielt, Aufstiege erlebt und Tiefschläge eingesteckt hat, erlebte den vielleicht bittersten Abend seiner Zeit beim Kultklub. Die Tränen, die Verzweiflung, sie sprachen Bände. Er erinnerte sich bei Sky an "Blut, Schweiß und Knochenbrüche", die seine Zeit auf der Alm geprägt hatten. Nun "bin ich letztlich da angekommen, wo ich vor zwölf Jahren angefangen habe. Nur dass die Stimmung noch beschissener ist als damals."

"Gott sei Dank ist niemand zu Schaden gekommen"

Aber Wut auf die Fans? Nicht bei Klos. Der zeigte sogar Verständnis für die teils aggressiven Emotionen. "Die Fans reagieren auf das, was dieses sogenannte Team heute auf den Platz gebracht hat", sagte das Vereinsidol bei Sky. "Es ist unfassbar schwer. Gott sei Dank ist niemand zu Schaden gekommen", sagte der völlig aufgewühlte Klos. Der Angreifer, der am Dienstag im Rückspiel zum Rekordspieler (420 Spiele, gemeinsam dann mit Wolfgang Kneib) werden kann und ohnehin schon Rekordtorjäger (170 Tore) des Klubs ist, hatte bereits während der Partie immer wieder versucht, die Fans zu beruhigen.

"Zwei Meter neben mir hat ein Böller eingeschlagen. Das war extrem gefährlich. So etwas habe ich noch nie erlebt. Ich hatte Angst", sagte Wehen-Stürmer Benedict Hollerbach zu den skandalösen Vorfällen. Erst als die Polizei vor dem Gäste-Fanblock aufmarschierte und Klos alles gegeben hatte, war es weitergegangen. "Der Schiedsrichter hat gesagt, wenn noch ein Feuerwerkskörper explodiert, bricht er das Spiel ab", sagte Klos später.

"Kann mich nicht vor die Mannschaft stellen"

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An eine Chance auf den Klassenerhalt in der 2. Bundesliga für die Arminia glaubt der 35-Jährige nicht mehr. Wo soll der Glaube auch herkommen? "Das Ding ist durch", sagte er, vollgepumpt mit Frust. "Ich kann mich nicht vor diese Mannschaft stellen. Wie könnte ich das machen?" Er sei ja schließlich "authentisch" - gleichwohl wolle er auch den bitteren Gang in die 3. Liga mitgehen: "Ich höre so nicht auf. Es ist mein Verein." Nach der Leistung im Saisonfinale, als die Arminia sich bloß in die Relegation retten konnte, müsse er der "Mannschaft den Charakter absprechen. Gute Fußballer machen keine gute Mannschaft."

Nach der erschütternden Leistung beim 1. FC Magdeburg, das Spiel endete ebenfalls 0:4, am letzten Spieltag der regulären Saison hatten die Fußballer der Arminia als Geste entschieden, den leidenden Fans die Tickets fürs Spiel in Wiesbaden zu spendieren. Man wolle den Schulterschluss, sagte Klos. Denn nur gemeinsam könne man es schaffen - die guten Wünsche gingen dann in Chaos und Flammen auf.

Quelle: ntv.de, mit sid

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