"Sonst wärs schlimm ausgegangen" Hinteregger beschreibt Kampf mit Depression
18.08.2021, 15:18 Uhr
Martin Hinteregger will Hilfestellung geben.
(Foto: imago images/Jan Huebner)
Martin Hinteregger überrascht mit der Offenbarung, in seiner Karriere mit Depressionen gekämpft zu haben. Die Erinnerungen an dunkle Zeiten teilt er mit der Welt und will damit Vorbild sein. Große Hoffnung auf einen nachhaltigen Wandel in der Branche hat er aber nicht.
Das Öffentlichmachen seiner Depression wird nach Meinung von Fußballprofi Martin Hinteregger keine großen Auswirkungen auf die Situation von Kollegen haben. "Ach, das wird nicht besser. Nach zwei Tagen hat jeder solche Themen vergessen", sagte der Verteidiger von Eintracht Frankfurt der "Sport Bild". In seinem vor Kurzem erschienenen Buch "Innensicht" berichtet der 28-Jährige von einer Depression nach dem Wechsel vom FC Augsburg zur Eintracht.
Nach "vielen Geschichten" lastete ein großer Druck der Medien auf ihm. "Damals war ich in einem Teufelskreis. Es geht einem so schlecht, man möchte gar nicht weiter. Man schafft es zwar ins Training, aber auch das fühlt sich schlimm an", schilderte der österreichische Nationalspieler seinen damaligen Zustand. "Dass ich Depressionen hatte, wusste keiner. Die Gespräche mit der Psychologin waren ganz wichtig, sonst wäre es wohl schlimm ausgegangen", sagte der Österreicher.
- Bei Suizidgefahr: Notruf 112
Deutschlandweites Info-Telefon Depression, kostenfrei: 0800 33 44 5 33
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- Bei der Deutschen Depressionshilfe sind regionale Krisendienste und Kliniken zu finden, zudem Tipps für Betroffene und Angehörige.
- In der Deutschen Depressionsliga engagieren sich Betroffene und Angehörige. Dort gibt es auch eine E-Mail-Beratung für Depressive.
- Eine Übersicht über Selbsthilfegruppen zur Depression bieten die örtlichen Kontaktstellen (KISS).
Hinteregger weiter: "Man denkt dann auch an den Fall von Robert Enke, das ist ja logisch - auch wenn es bei mir nicht so weit gekommen wäre, war es schon sehr dunkel. Ich war total am Limit und habe schon auch mal gedacht: Mist, ich kann nicht mehr, ich bin fertig, es ist vorbei." Der ehemalige Nationaltorhüter Robert Enke litt lange Jahre unter Depressionen, von der Fußball-Öffentlichkeit unbemerkt. Am 10. November 2009 nahm sich Enke das Leben.
"Das Einzige, was mich gerettet hat"
Der Ausweg sei für ihn spät gekommen und eher zufällig, erinnert sich Hinteregger an einen wichtigen Moment: "Ich habe mich zum Glück unserem Doktor anvertraut und ihm gesagt: 'Hey, es geht nicht mehr. Gib mir Tabletten oder irgendwas.' Ich habe keine zwei, drei Stunden am Tag geschlafen, monatelang. Trotzdem habe ich es geschafft, dass ich Leistung zeige. Hier im Stadion zu spielen, war zwischenzeitlich das Einzige, was mich gerettet hat. Dann habe ich mich einer Psychologin anvertraut."
Auch wenn er keinen Wandel in der Branche erwartet, sieht Hinteregger doch einen Sinn darin, seine Erkrankung öffentlich zu machen. Er wolle "ein paar jüngeren Spielern helfen und vor allem Menschen außerhalb des Fußballs. Ich denke, viele sind in diesem Kreis drin. Die sind auch fertig und denken sich jetzt hoffentlich: Ah, selbst der Fußballprofi sucht sich Hilfe", sagte Hinteregger.
Den Reinerlös des Buchs will Hinteregger für verschiedene wohltätige Zwecke spenden, die Nachfrage sei groß. "Das hat uns sehr überrascht", berichtete Hinteregger auf Nachfrage von Sport1: "Wir haben viel Stress gehabt mit Signieren. Die Familie und Freunde haben beim Einpacken geholfen. Das hat mich viel Stress und Nerven gekostet. Ich bin aber extrem glücklich, dass es gut ankommt."
Quelle: ntv.de, ter/dpa