Fußball

Notfall- statt WM-Plan Irrsinn von UEFA und FIFA fliegt Nagelsmann um die Ohren

Den Blick nach vorne: Für Julian Nagelsmann hat die Vorbereitung auf die WM-Saison längst begonnen.

Den Blick nach vorne: Für Julian Nagelsmann hat die Vorbereitung auf die WM-Saison längst begonnen.

(Foto: Federico Gambarini/dpa)

Mehr, mehr, immer mehr: Im Fußball wird der Terminkalender immer voller, alles wird aufgebläht. Die Spieler werden zu Opfern, verletzen sich schwer, fallen lange aus. Das DFB-Team bekommt das gerade besonders hart zu spüren.

Der Fußball ist eine Kuh. Eine sehr ertragreiche. Also wird sie gemolken und gemolken. Die Verbände FIFA und UEFA haben einen Heidenspaß daran, ihre Wettbewerbe noch größer, noch präsenter zu machen. Mehr, mehr immer mehr. Aber so geht das nicht. Seit Monaten schlagen die Spieler Alarm. Zuletzt lauter denn je. Und direkt wurden ihre Warnungen wahr. Die Überlastung hat die Grenze längst überschritten. Rodri, der Schlüsselspieler von Manchester City, war einer der lautesten Mahner, riss sich das Kreuzband und spielt in dieser Saison wohl nicht mehr. Die Liste der Langzeitverletzten lässt sich noch eine Weile fortsetzen.

Am Wochenende erschütterten die Schmerzensschreie von Dani Carvajal Real Madrid. Der Rechtsverteidiger riss sich ebenfalls das Kreuzband. Auch er fällt lange aus. Die Spieler, sagte Trainer Carlo Ancelotti, seien "traurig und besorgt, weil etwas passiert ist, was aufgrund des (vollen) Terminkalenders häufig passiert." Fast kaum noch ein Wochenende vergeht ohne Hiobsbotschaften. Und einer, den in diesen Tagen besonders viele erreichen, ist der Bundestrainer. Julian Nagelsmann muss in den anstehenden Länderspielen auf Torwart Marc-André ter Stegen verzichten, auf seinen Mittelfeldstar Jamal Musiala, auf Kai Havertz, Niclas Füllkrug und Robin Koch. Am Abend wurde dann auch noch der Ausfall des Leipzigers David Raum bekannt. Ter Stegen ist schwer verletzt, die anderen werden wahrscheinlich nicht allzu lange ausfallen.

Nationalspieler Tah sieht Handlungsbedarf

In Spielerkreisen hat sich längst eine große Front gebildet, die sich dem Termin-Irrsinn entgegenstellt. "Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich Training lieber mag als Spiele. Das wird mir immer mehr Spaß machen", sagte etwa der Leverkusener Nationalspieler Jonathan Tah stellvertretend für viele andere. Allerdings müsse es "trotzdem irgendwann eingegrenzt werden. Es muss geschaut werden, wie man es schafft, das Level bei so vielen Spielen zu halten". Es sei "ein Thema, das wir nicht außer Acht lassen dürfen. Wenn so viele Spiele dazukommen, werden auch immer mehr Verletzungen dazukommen." Rodri hatte vor seinem Kreuzbandriss noch vorgerechnet, durch das neue Champions-League-Format und die reformierte Klub-WM "wohl auf 70 oder 80 Spiele" zu kommen. "40 bis 50 Spiele" seien für ihn das Maximum, hatte er weiter erklärt, darüber hinaus "sinke das Niveau". Oder aber die Anfälligkeit werde eben größer.

Das Schweizer Institut CIES hatte indes eine Studie veröffentlicht, nach der es keinerlei statistische Hinweise auf eine erhöhte Belastung von Spielern gebe. Demnach zeige sich beim Blick auf die 50 besten Spieler nach der Gesamtspielzeit pro Saison, "dass der allgemeine Trend in den letzten drei Spielzeiten im Vergleich zu jedem Dreijahreszyklus seit 1999/2000 weiter nach unten zeigt". Allerdings kommen die Veränderungen mit mehr Spielen ja nun erst. Und die Verletzungen werden mehr. So muss Frankreich nun etwa auf Dayot Upamecano verzichten und England um Harry Kane bangen. Der FC Bayern ist derzeit arg gebeutelt.

Der Fall Koch entlarvt das Dilemma

Der Bundestrainer muss also improvisieren, er holt Spieler in den Kader, wie Janis Blaswich, Jamie Leweling, Jonathan Burkhardt oder Kevin Schade, die (noch) nicht auf seiner Missionsliste standen. In weniger als zwei Jahren will der Coach mit dem DFB-Team Weltmeister in den USA, Mexiko und Kanada werden, er will doch alle Spiele nutzen, um neue Hierarchien und Selbstvertrauen aufzubauen. Doch schon in der zweiten Länderspielphase nach der EM muss er in einen Notfallplan schalten. Muss improvisieren. Das sollte in der Nationalmannschaft doch eigentlich der alten, nicht so schönen Vergangenheit angehören.

Mehr zum Thema

Nicht jede Verletzung, die derzeit passiert, ist auf die Überlastung der Spieler zu schieben. Aber viele halt schon, weil der Körper und auch der Geist kaum noch Pausen zur Erholung bekommen. Der Terminkalender hat längst absurde Ausmaße erreicht. Und es wird immer wilder. Aufgeblähte Europapokale, Klub-WM, gigantische WM's und die Nations League. Wollen die Vereine und die Nationalmannschaften auf allen Ebenen mithalten, müssen die Schlüsselspieler eben immer ran. So wie der Fall Koch nun gerade zeigt. "Es war in der medizinischen Sitzung eigentlich besprochen, dass Robin keine drei Spiele in dieser Woche machen kann. Er hat nach seinen Einsätzen gegen Kiel und Besiktas aber weiter auf die Zähne gebissen, um gegen Bayern spielen zu können“, erklärte der Frankfurter Trainer Dino Toppmöller nach Abpfiff am Sonntag.

Wo soll das alles noch hinführen? Immer mehr verletzte Spieler können ja keine Option sein. Kleinere Vereine, wie etwa der 1. FC Heidenheim, können sich auf Strecke kaum so breite Kader leisten, dass es keinen Verlust an Qualität in allen Wettbewerben gibt. Selbst für Klubs wie den FC Bayern dürfte das irgendwann nicht mehr zu stemmen sein. Anders vielleicht als bei anderen internationalen Großklubs, die am scheinbar unerschöpflichen Tropf von irgendwelchen Oligarchen, Scheichs oder Staatsfonds hängen. In der Basketball-Euroleague hat der übervolle Plan dazu geführt, dass manche Teams quasi zwei Kader beschäftigen. Der eine, der in der heimischen Liga spielt, der andere, der sich auf internationalem Terrain beweisen soll. Das alles ist ziemlicher Irrsinn, einer, der dem Bundestrainer gerade schmerzhaft um die Ohren fliegt.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen