Fußball

Brinkmann zum DFB-EM-Debakel "Jones konnte Kritiker nicht widerlegen"

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Der Sturm als Schwachpunkt: Anja Mittag und ihre DFB-Kolleginnen fanden im ganzen Turnier nicht ihren Rhythmus.

Der Sturm als Schwachpunkt: Anja Mittag und ihre DFB-Kolleginnen fanden im ganzen Turnier nicht ihren Rhythmus.

(Foto: dpa)

Die deutschen Fußball-Frauen scheitern bei der Europameisterschaft sensationell früh. Im Viertelfinale gegen Dänemark offenbaren fast alle Mannschaftsteile gravierende Schwächen. Für den bekennenden Frauenfußball-Fan Ansgar Brinkmann ist das ein grundsätzliches Problem. Denn dem Team fehlt es an Qualität, erklärt der Ex-Profi im Interview. Bundestrainerin Steffi Jones sieht er in der Pflicht, sich in der Zukunft für ihre markigen Worte vor Turnierstart beweisen zu müssen - falls sie von Verbandsseite noch eine zweite Chance bekommt.

Herr Brinkmann, Trainerlegende Bernd Schröder schimpft: "Die deutschen Frauen haben bei der EM nur Alibi-Fußball" gespielt. Hat er Recht?
Ansgar Brinkmann: Nun, die Mannschaft hat nicht überzeugt. Nicht in den drei Vorrundenspielen und auch nicht im Viertelfinale gegen Dänemark. Physisch war das zwar in Ordnung, aber fußballerisch viel zu wenig. Da war keine Kreativität im Spiel. Das brauchen wir nicht schönzureden.

Ansgar Brinkmann sieht im DFB-Team ein Qualitätsproblem.

Ansgar Brinkmann sieht im DFB-Team ein Qualitätsproblem.

(Foto: imago/Eibner)

Dann lassen Sie uns über die Gründe für den Knock-out reden. Woran lag's?
Es fehlt Qualität. Nach dem vorzeitigen EM-Aus von Alexandra Popp hat es dem Team an herausragender individueller Klasse gemangelt. Ihre Sturmkolleginnen um Anja Mittag bewegen sich da einfach auf einem schwächeren Niveau. Sie haben nicht die Dynamik, die Sprintstärke, den Abschluss und die Klasse, sich auch mal im Eins-gegen-eins durchzusetzen. Aus dem Spiel heraus haben wir daher auch nur ein Tor erzielt. Ich will es mal vorsichtig ausdrücken, aber was die gesamte deutsche Offensive geboten hat, war schon sehr bedenklich. Eigentlich war sie so gut wie nicht vorhanden.

Und die Abwehr? Die sah nicht nur beim zweiten Gegentor der Däninnen im Viertelfinale wenig souverän aus ...
Ja, schon in den drei Vorrundenspielen hat die Abwehr nicht überzeugt. Allein was die Italienerinnen gegen uns für Chancen hatten, halleluja! Da haben unseren Frauen einfach zu viel zugelassen. Aber es ist nicht nur so, dass es da technisch nicht gepasst hat, sondern auch taktisch. Wenn ich da zum Beispiel die Niederländerinnen sehe, die haben eine richtig gute Idee vom Spiel und sie verschieben fantastisch.

Die angesprochenen taktischen Mängel muss sich Bundestrainerin Steffi Jones ankreiden lassen?
Nun ist es als Trainer so: Erfahrung schlägt Intelligenz. Wenn du beides hast, super. Und dann kommt noch die Empathie dazu. Passt das zusammen, bist du ganz weit vorne. Die Intelligenz spreche ich Steffi auf keinen Fall ab. Erfahrung fehlt ihr natürlich. Sie hat ja vorher noch nicht als Trainerin gearbeitet. Ich hoffe wirklich sehr, dass sie die nötige Empathie mitbringt, für die Mannschaft, für die einzelne Spielerin.

Wie meinen Sie das mit der Empathie? Können Sie das mal genauer erklären?
Eigentlich mag ich Vergleiche ja nicht, aber schauen Sie sich Jürgen Klopp an. Er bringt diese Empathie perfekt mit. Er weiß genau, was die Mannschaft wann braucht. Das gleiche gilt für die Spieler. Er weiß, wie er sie wann anpacken muss. Steffi Jones muss so etwas auch können. Sie muss zum Beispiel wissen, wie sie eine Dzsenifer Maroszan anpackt, wenn es bei der nicht läuft.

Verzweifelte Bundestrainerin.

Verzweifelte Bundestrainerin.

(Foto: imago/Revierfoto)

Nach dem Ausscheiden werfen viele Kollegen die Frage auf, ob Steffi Jones noch zu halten ist. Ist sie?
Sie hat Fehler gemacht, keine Frage. Das fing schon vor dem Turnier an. Eine Aussage wie "wir können uns nur selbst schlagen", so etwas sage ich nur intern. Von Joachim Löw habe ich so etwas zum Beispiel noch nie gehört. Das hat etwas ganz Grundsätzliches. Ich gebe dem Gegner immer Respekt. Das sind leichte Fehler ohne Not.

Hat sie eine zweite Chance verdient?
Sie muss den Laden analysieren. Sie muss sich fragen, was alles schief gelaufen ist.

Sie weichen der Frage aus.
Ich will es mal so sagen: Sie wurde vor dem Turnier von vielen Experten, die den Frauenfußball intensiv geprägt haben oder sich sehr gut auskennen, hart kritisiert. Und sie hat es nicht geschafft, diese Kritiker zu widerlegen. Der DFB muss jetzt abwägen, was für oder gegen ein Weiter mit Steffi Jones spricht. Ob sie das nötige Potenzial für eine wieder erfolgreiche Zukunft mitbringt. Ich persönlich tue mich sehr schwer mit einer Einschätzung. Ich kenne sie sehr gut, ich hätte ihr einen besseren Start gewünscht!

Kommen wir zu den Folgen des Viertelfinal-Knock-outs: Ist das eine Katastrophe für den Frauenfußball in Deutschland?
Nein, bei aller Liebe nicht. Natürlich war das keine Werbung. Aber in der Vergangenheit haben wir viel gewonnen. Wir fallen nicht in die Steinzeit zurück. Schauen wir uns nur die Bundesliga an, sie hat sich unglaublich entwickelt. Da werden die Topmannschaften plötzlich richtig gefordert, wenn sie nach Freiburg, Mainz oder Hoffenheim fahren! Deswegen: Wir dürfen jetzt nicht alles verteufeln, auch wenn sich die Nationalmannschaft wieder gewaltig steigern muss.

Ist die deutsche Dominanz vorbei?
Ja und das ist doch auch schön so. Früher gab's acht Mannschaften bei der EM. Da wusstest du: Sechs von denen schlagen wir, egal was für einen gebrauchten Tag wir erwischen. Und im Finale wartet dann ein starker Gegner. Diese Zeiten sind vorbei. Das macht den Frauenfußball doch aktuell auch so interessant. Schauen sie sich doch Österreich oder die Niederlande an. Das macht einfach Spaß! Diese Nationen haben einfach gewaltig aufgeholt.

Wo liegt der Unterschied zu früher?
Die kleinen Nationen haben gelernt, besser zu verteidigen. Sie setzen die Klassiker ein, mit denen du stärker besetzten Mannschaften gefährlich werden kannst. Sie setzen einerseits auf schnelle Spielerinnen für gefährliche Konter und anderseits auf große, kopfballstarke Leute. So stellen sie ihre Mannschaften zusammen und auf. Im Herrenfußball gab's dafür ein prima Beispiel, die Darmstädter in ihrer ersten Bundesliga-Saison. Sie hatten da etwa den schnellen Marcel Heller auf Außen und in der Mitte Sandro Wagner. Aber damit wir uns nicht falsch verstehen: Dänemark brauchte gegen Deutschland diese Klassiker nicht. Die waren leider einfach besser!

Mit Ansgar Brinkmann sprach Tobias Nordmann

Quelle: ntv.de

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