Fußball

Mit Fußball gegen den Krieg Junge aus Mariupol darf zu Shakhtars Sieg treffen

Ein Moment des Glücks für Dmytro Keda.

Ein Moment des Glücks für Dmytro Keda.

(Foto: dpa)

An eine Fußball-Liga ist nicht zu denken, der Krieg beherrscht die Ukraine. Shakhtar Donezk hilft auf seine Art, mit einer Benefiz-Tour zu verschiedenen europäischen Fußballklubs. Bei Lech Gdansk gibt es einen besonderen emotionalen Höhepunkt: Der zwölfjährige Dmytro Keda trifft zum Sieg.

Diesen Moment wird Dmytro Keda wohl nicht so schnell vergessen: Der Zwölfjährige steht mit den Fußballprofis von Shakhtar Donezk auf dem Rasen, darf mit ihnen spielen - und sogar den Siegtreffer erzielen. Seine "Teamkollegen" bejubeln ihn danach stürmisch.

Es ist eine ganz besondere Szene, ein wunderschöner Moment in dieser schweren Zeit. Keda stammt aus Mariupol, er musste miterleben, wie seine Heimatstadt durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zum Kriegsgebiet wurde. Die strategisch wichtige Hafenstadt liegt in Trümmern, ist seit Wochen von russischen Truppen belagert, immer wieder gibt es Berichte, Mariupol würde kurz vor der vollständigen Einnahme stehen. Bei der "Shakhtar Global Tour für Frieden" kann der Junge das für einen Moment vergessen.

Statt wie vor vier Monaten noch in der Champions League, spielt Shakhtar Donezk während der Benefiz-Tour Partien gegen Olympiakos Piräus aus Griechenland, den türkischen Spitzenklub Fenerbahçe Istanbul (19. April), Hajduk Split aus Kroatien (1. Mai) und am Donnerstagabend gegen den polnischen Klub Lech Gdansk/Danzig. Der ukrainische Klub will damit Geld für die Menschen in seinem Land nach der russischen Invasion sammeln. "Unsere Botschaften sind einfach: Stoppt den Krieg in der Ukraine und Fußball für den Frieden - das sagt alles", sagte Klub-Chef Sergej Palkin.

Keda bekommt von allen Applaus

Gegen Gdansk zeigte sich, dass es um viel mehr geht als nur ums Gewinnen. In der Nachspielzeit erzielte Lech den Ausgleich zum 2:2, schloss damit punktgleich zu Donezk in der Turnier-Tabelle auf. Dann wechselten die Ukrainer Keda ein, der Junge mit der Brille und "Mariupol" statt seines Namens auf dem Trikot lief mit einem Lächeln aufs Feld, wurde dort von seinen Teamkollegen herzlich in Empfang genommen. Er durfte den Wiederanstoß ausführen, spielte ein paar Pässe, dann lief er unbehelligt von den Polen auf das Tor zu, wurde auch am Torschuss nicht gehindert. 3:2 - der Siegtreffer für Shakhtar. Er jubelte mit erhobenen Armen, seine Mitspieler nahmen ihn auf den Arm, umringten und beklatschten ihn, auch die Gegenspieler applaudierten. Was für ein Moment für den Zwölfjährigen.

Keda ist zwar der jüngste, aber nicht der einzige Spieler aus Mariupol im derzeitigen Team von Shakhtar. "Gestern hatten sie nur eine gemeinsame Trainingseinheit, und sie spielten zum ersten Mal in ihrem Leben zusammen - wir haben sieben oder acht Leihspieler aus Mariupol übernommen", sagte Sportdirektor Darijo Srna laut dem Portal Givemesport nach der Partie. "Myshnyov (Dmytro, Anm.d.Red.), der Kapitän von Mariupol, hat sein Haus, sein Auto und seine Wohnung nicht mehr - wir haben ihn hierher geholt, damit er für uns spielt, und heute ist er ein Symbol für Mariupol. Darauf sind wir wirklich stolz", erklärte er weiter.

Trainer Roberto De Zerbi sagte nach dem Spiel: "Wir reisen derzeit als Gäste durch Europa und sind allen dankbar, die uns die Möglichkeit geben, in verschiedenen Städten zu spielen. Heute sind wir in Polen, das näher an der Ukraine liegt. Deshalb war es natürlich noch emotionaler. Man kann sagen, dass sich die beiden Völker sehr ähnlich sind, und deshalb waren die Menschen auf der Tribüne auch emotionaler." Er dankte dem Team von Gdansk für das Spiel mitten in der Woche. "Im Moment steht der Fußball für uns definitiv nicht an erster Stelle. In diesen Tagen gibt es viele Dinge, die viel wichtiger sind."

Der Klub setzt ein Zeichen der Hoffnung

Sportdirektor Srna, einst gefeierter kroatischer Nationalspieler mit 134 Länderspielen und zwei WM-Teilnahmen, kennt den Schrecken des Krieges nur zu gut. Er war noch ein Kind, als seine Heimat, das ehemalige Jugoslawien, in den 1990er-Jahren auseinanderbrach. Nun hat ihn das Heulen der Sirenen in der Ukraine eingeholt. "Ich geriet in Panik", sagte er der "New York Times". "Man hat sein ganzes Leben lang ein Trauma, ganz sicher - tief in sich selbst. Das ist etwas, das man versucht, zu vergessen. Aber diese Art von Dingen kann man nie vergessen."

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Shakhtar Donezk flieht nicht zum ersten Mal. 2014, als die Russen die Krim annektierten und einen Krieg im Osten der Ukraine, vor allem in den separatistischen "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk, auslöste, flogen Bomben auf das Stadion. Der Klub führte fortan ein Leben ohne festes Stadion, spielte mal in Lwiw, mal in Charkiw, schließlich in der Hauptstadt Kiew. Nun ist der ganze Verein wieder auf der Flucht. Dank einer Sondergenehmigung durfte das Team nach Istanbul ausreisen. Mehrere brasilianische Profis, darunter Vitao und Alan Patrick, wechselten in ihre Heimat. Die restliche Mannschaft aber hat das Training wieder aufgenommen.

Er sei "immer stolz auf die Mannschaft", so Srna. "Die letzte Trainingseinheit fand am 19. Januar statt. Als ich sie fragte, ob sie bereit seien, am Samstag zu spielen, sagten sie: 'Darijo, wir sind Ukrainer, wir sind zu allem bereit!'" Und dann ging es auch schon los mit dem Benefiz-Turnier im ersten Spiel bei Olympiakos Piräus. Srnas Fazit: "Keine andere Mannschaft hat jemals das gefühlt oder gelebt, was wir in den letzten acht Jahren erlebt haben." Trotzdem gibt Shakhtar Donezk nicht auf. Es ist auch ein Zeichen der Hoffnung für die Menschen in der Ukraine. So wie für Dmytro Keda.

Quelle: ntv.de

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