"Die Angst in ihren Augen" Katar ließ kritische Journalisten festnehmen
24.11.2021, 15:52 Uhr
In Katar wird derzeit hart an einer erfolgreichen Fußball-Weltmeisterschaft gearbeitet.
(Foto: imago images / MIS)
Ein Jahr vor Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar werden zwei norwegische Journalisten, die kritisch über die Lage von Gastarbeitern im Land berichten, festgenommen. Die Norweger kommen wieder frei, doch der Vorfall ist damit nicht erledigt.
Rund ein Jahr vor dem Eröffnungsspiel der umstrittenen Fußball-Weltmeisterschaft in Katar sorgt die kurzzeitige Festnahme zweier Journalisten der Norwegian Broadcasting Corporation (NRK) für heftige Kritik an den Gastgebern. Der Sportpolitik-Journalist Halvor Ekeland und der Fotograf Lokman Ghorbani arbeiteten an einem Beitrag über die Situation der Gastarbeiter im Land, die als Arbeitskräfte unter anderem auf den WM-Baustellen beschäftigt sind. Die Situation der Arbeiter wird immer wieder von Beobachtern wie der Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisiert. Der englische "Guardian" hatte im Februar berichtet, dass seit 2010, als die WM an das Emirat vergeben worden war, rund 6500 Gastarbeiter in Katar ums Leben gekommen waren.
Während einer Liveschalte vor der Inhaftierung hatte Ekeland erklärt, dass es "eine große Diskrepanz in diesem Land" gibt. "Einigen der Arbeiter geht es grauenhaft. Man kann in ihren Augen sehen, dass es ihnen nicht gut geht. Sie arbeiten den ganzen Tag sehr hart", kommentierte er die Lage vor Ort. Besonders stark würden ihm die Arbeitskräfte in Erinnerung bleiben, die sich nicht gegenüber Medienvertretern äußern wollten. "Wenn ich sie nach einem Interview frage, sieht man die Angst in ihren Augen", beschrieb Ekeland auf NRK.
Nach Angaben des Senders wollten Ekeland und Ghorbani danach noch ein Interview mit dem Dissidenten Abdullah Ibhais, einem bekannten Kritiker des katarischen Regimes führen. Ibhais arbeitete früher als Medien- und Kommunikationsdirektor für die Organisatoren der Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar. Im April dieses Jahres wurde er wegen Korruption zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt. Ibhais hat gegen sein Urteil Berufung eingelegt.
"Froh, wieder in Europa zu sein"
Anfang des Jahres hatte das norwegische Fußballmagazin "Josimar" einen ausführlichen Artikel über den Prozess gegen Ibhais, in dem behauptet wurde, er sei verurteilt worden, weil er sich für die Rechte von Wanderarbeitern im Land eingesetzt habe. Diese Behauptungen wurden vom Organisationskomitee dementiert. Nach Angaben von "Josimar" schickte das Komitee auch eine ausführliche E-Mail mit der Forderung, dass "fehlerhafte und verleumderische Informationen" aus dem Artikel entfernt werden sollten.
Wenige Stunden vor dem vereinbarten Termin sei Ibhais schließlich festgenommen worden sein, auf dem Weg zum Flughafen seien die Journalisten dann selbst inhaftiert worden seien. "Wir wurden am Sonntagabend im Hotel verhaftet. Wir wurden auf die Polizeiwache gebracht und blieben dort für mehrere Stunden", sagte Ekeland der Zeitung "VG". "Wir wurden befragt, sind aber vor allem froh, wieder in Europa zu sein. Wir haben eine harte Zeit hinter uns." Die Norweger wurden am frühen Dienstagmorgen aus der Haft entlassen und reisten am späten Dienstagabend aus Doha ab. Inzwischen sind sie wieder in ihrer Heimat.
Der Sender wolle den Vorfall auch mit der FIFA besprechen. "Es ist unhaltbar, dass die Medien daran gehindert werden, bei einem der größten Sportereignisse der Welt freien und unabhängigen Journalismus zu betreiben", erklärte auch der Generaldirektor von NRK, Thor Gjermund Eriksen gegenüber norwegischen Medien. Er erwarte, "dass die norwegische Regierung die Wichtigkeit einer freien und unabhängigen Presse und Bedeutung von Meinungsfreiheit betonen werden."
Eriksen sagte am Morgen, "NRK" warte immer noch auf eine Erklärung, warum die beiden Journalisten verhaftet wurden. Katars Regierung teilte mit, die beiden seien am Montagmorgen in Gewahrsam genommen worden, weil sie ein privates Grundstück unerlaubt betreten und dort gefilmt hätten. Die Festnahme sei nach einer Beschwerde des Grundstücksbesitzers erfolgt. Die beiden seien nach Abschluss der juristischen Maßnahmen ohne Anklage wieder freigelassen worden. Sie hätten das Gesetz "wissentlich und absichtlich" verletzt. Ihnen seien alle Drehgenehmigungen erteilt worden, die sie vor ihrer Ankunft angemeldet hätten, erklärte die katarische Regierung.
In der Vergangenheit stand Katar vor allem wegen des Kafala-Systems, das moderner Sklaverei gleichkomme, und aufgrund der vielen Todesfälle beim Bau der Stadien international in der Kritik. Erst vor wenigen Tagen hatte Amnesty International in einem neuen Bericht zur Lage der Gastarbeiter in Katar kritisiert, dass "Fortschritte stagnierten und alte missbräuchliche Praktiken sogar wieder aufgetaucht" sein sollen.
Quelle: ntv.de, ter