Fußball

Nagelsmann wehrt sich vehement Koan "Lügenbaron"

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Überraschend schnell kommt es zum Wiedersehen: Trainer Julian Nagelsmann trifft mit dem FC Bayern bereits am 4. Spieltag der Fußball-Bundesliga auf Ex-Klub RB Leipzig. Dass es ein Fest der Liebe und Freude wird, erwartet er nicht. Er möchte trotzdem gerne etwas klarstellen.

Wenn es so kommt, dann ist es halt so. So sieht es Julian Nagelsmann. Es ist ein ziemlich pragmatischer, ein fast schon gleichgültiger Ansatz. Aber womöglich dient er einfach nur dem Selbstschutz. Was ihn am Samstagabend erwarten wird, wenn er mit dem FC Bayern bei RB Leipzig (18.30 Uhr im Liveticker bei ntv.de) antritt, weiß er nicht. Aber der Trainer ahnt zumindest, dass es kein Fest der Liebe und Wiedersehensfreude werden könnte. Es könnte sogar Pfiffe geben. Und davon sehr viele. Denn sonderlich nette Dinge hatte Nagelsmann zuletzt eher nicht über sich gehört. Zumindest nicht von den Anhängern des sächsischen Fußball-Bundesligisten. Da wurde mit viel verbalem Shit um sich geworden. Und da wurden wilden Vorwürfe formuliert. Der härteste: Er sei ein Lügenbaron!

Grundlage der Klage war ein Satz des 34-Jährigen, in dem er angekündigt hatte, keinen Spieler mit zum FC Bayern nehmen zu wollen. Nun wurden es am Ende sogar zwei. Und dann waren das auch noch zwei verdammt starke. Gut, alles andere wäre auch sehr eigenartig gewesen für die Kaderplanung des Rekordmeisters. Wobei die ja auch nicht unbedingt den besten Ruf hatte. Ex-Coach Hansi Flick, der ja mittlerweile die Nationalmannschaft übernommen hat, hatte das häufiger mal zum Thema gemacht. Mit Dayot Upamecano wurde der Abwehrchef der Leipziger nach München geholt. Und unmittelbar vor Ende der Transferphase kam auch noch RB-Kapitän Marcel Sabitzer. Dass er auch noch seine Co-Trainer mitbrachte, es ging ein wenig unter, ist aber so.

"Kein Verein hat eine Verkaufspflicht"

Die Wut aus Leipzig schwappte ins ganze Land. Aus der Wut wurde eine Diskussion über das neu entdeckte Wilderer-Gen des alten FC Bayern. Der hatte sich ja vor allem in den 90er- und 2000er-Jahren stets bei der Konkurrenz umgeschaut - und zugegriffen. Mal gingen die Aktivitäten am Markt bestens auf, siehe etwa Robert Lewandowski, mal eher nicht, siehe etwa Jan Schlaudraff oder auch Alexander Baumjohann. Wobei die Transfers indes unterschiedlich zu bewerten sind. Weil sie eben nicht immer einer sinnvollen Philosophie folgten, sondern nur dem Schwächen des Gegners dienten.

Nun ist die Lage mit den drei Leipzigern anders. Und genauso möchte es Klub-Ikone Thomas Müller auch verstanden wissen. Der hatte sich nämlich in dieser Woche dagegen gewehrt, dass man dem FC Bayern wieder Böses unterstellt. "Es hat ja kein Verein eine Verkaufspflicht, siehe Paris und Mbappé. Der FC Bayern hält wie jeder Verein nach Qualität Ausschau, die ins entsprechende Budget passt", erklärte er gegenüber der "Sport Bild". Und die Sache ist ja auch so: Profis aus der Bundesliga hätten eben immer den Vorteil, dass sie keine Zeit zur Eingewöhnung benötigten. "Transfers, über die heiß diskutiert wird, hat es schon immer gegeben. Und das ist auch gut so." Das ist ein Teil der Wahrheit. Der andere lautet so: Im absurden Wettbieten der Scheich- und Oligarchen-Klubs um die Topstars kann München nicht mitmischen. Und will das auch nicht.

"Kreative Lösungen" seien nötig, um den Kader international auf Augenhöhe oder das was dem nahe kommt zu halten. Die "kreative Lösung" in diesem Sommer war dann eben unter anderem Leipzig. Und sich das größte Trainer-Talent zu sichern, den vermutlich talentiertesten Abwehrchef der Liga und einen Allrounder im Mittelfeld, das macht nicht nur Sinn, es ist eben Teil der Transfer-DNA des FC Bayern.

"Ist jetzt nicht schlecht gelaufen für sie"

Nagelsmann, der ja noch nicht so lange Teil des Klubs ist, möchte das gerne so verstanden wissen. Auch in Bezug auf sich. Und so rechtfertigt er sich vor dem Wiedersehen ausführlich. Zur damaligen Pressekonferenz-Aussage bekennt er nun: "Wenn du da sitzt und sagst, ich will auf jeden Fall sechs Spieler und auch sieben Staff-Mitglieder mitnehmen, da weiß ich nicht, ob jeder Fan dann sagt, das ist besser. Würde der Fan morgen klatschen? Ich glaube nicht." Zum Zeitpunkt seiner Ansage habe es auch noch kein einziges Gespräch mit einem Bayern-Verantwortlichen gegeben, "deshalb war es noch nicht klar, wen man mitnehmen kann und was überhaupt Sache ist".

Was Sache war (oder ist), das klärte Nagelsmann jetzt nochmal auf und betonte, dass er den Verein nicht "ausgebeutet" habe. "Bei Upamecano war es schon vor meiner Ankunft klar. Bei Sabitzer muss man auch sagen, dass er sich dagegen entschieden hat, zu verlängern. Dass Leipzig noch Geld für ihn kassiert hat, ist jetzt nicht schlecht gelaufen für sie." Und bei seinen Assistenten sei es schließlich so, dass sie mit ihm auch schon nach Leipzig gekommen sind. Ist übrigens tatsächlich eine verbreitete Praktik. Nicht umsonst sprechen Trainer ja fast nur noch vom Team, wenn um sie selbst geht.

Pfiffe werden "Performance nicht beeinflussen"

Ob die Aufklärung nun hilft? Nagelsmann stellt sich auf jeden Fall auf das denkbar schlechteste Szenario ein: "Es können auch alle 34.000 pfeifen", sagt er mit Blick auf die Zahl der Zuschauer, die seiner Rückkehr beiwohnen dürfen. Aber er will das nicht zu nah an sich heranlassen. Nein, "das wird meine Performance nicht beeinflussen". Es ist auch so, dass Nagelsmann versichert: "Grundsätzlich" freue er sich sehr auf das Spiel, "ich hatte zwei tolle Jahre dort". Ein bisschen Dankbarkeit oder aber zumindest ein wenig Anerkennung fände er aber auch ganz schön. "Wir haben in den zwei Jahren ja auch ein bisschen was erreicht, auch einen guten Geist in den Verein gebracht."

RB-Boss Oliver Mintzlaff hat nach Informationen der "Bild"-Zeitung bei einer Fan-Veranstaltung am Mittwoch deeskalierend gewirkt: "Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass man als Fan enttäuscht ist, wenn gute Spieler oder erfolgreiche Trainer den Verein verlassen. Dennoch appelliere ich an unsere Fans: Empfangt Sabi (Marcel Sabitzer, Anm. der Red.), Upa (Dayot Upamecano) und Julian mit seinem Trainerstab fair bei uns in der Red Bull Arena", habe der Manager gesagt. "Dieser Fairplay-Gedanke hat euch immer ausgezeichnet und von anderen Klubs unterschieden. Julian hat bei uns mit seinem Trainerstab eine fantastische Arbeit geleistet, ebenso wie die beiden Spieler."

Was auf den Tribünen passieren wird, das wird wohl auch sehr davon abhängen, wie das Spiel läuft und ausgeht. Während Nagelsmann mit dem FC Bayern nach einer Rumpelvorbereitung in der Liga gut aus den Puschen gekommen ist, quält sich Leipzig immens. Sollte RB unter Coach Jesse Marsch im vierten Saisonspiel bereits seine dritte Niederlage kassieren, dürfte es ungemütlich werden. Leid täte es ihm nicht, wenn RB (auch) seinetwegen in eine kleine Krise stürzten würde, "Mitgefühl braucht keiner von mir", sagt Nagelsmann. Ehrliche Wort. Er ist eben koan Lügenbaron.

Quelle: ntv.de

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