"Scheißtor", "Traumtor", Gala Köln feiert nach surrealer Europa-Schlacht
03.11.2017, 10:24 Uhr
Joker Yuya Osako leitete den Kölner Sturmlauf in der zweiten Halbzeit ein.
(Foto: dpa)
Von einem solchen Europapokal-Abend träumen die Fans 25 Jahre lang: Gegen Bate Borissow führt der 1. FC Köln früh, gerät binnen 130 Sekunden in Rückstand und feiert trotzdem einen Kantersieg. Der wahrt die K.o.-Runden-Chance - und soll auch in der Liga helfen.
Die Erlösung war regelrecht greifbar: Der erste Sieg in einem Europacup-Spiel seit 25 Jahren hat beim 1. FC Köln für große Emotionen gesorgt. Beim irren 5:2 (1:2) gegen den weißrussischen Meister Bate Borissow zeigte der Tabellenletzte der Fußball-Bundesliga insbesondere eine furiose zweite Halbzeit. "Heute kommen wir endlich mal mit einem Lächeln nach Hause zu unseren Frauen und Kindern", sagte Abwehrspieler Dominique Heintz hinterher gelöst: "Wir spielen hier auch für Deutschland, deshalb wollten wir uns nicht blamieren und auch das vierte Spiel verlieren. Nun können wir unseren Kindern und Enkeln erzählen, dass wir in der Europa League auch gewonnen haben und nicht bloß dabei waren."

Der kuriose Kölner Kantersieg über Borissow bot alles, was die FC-Fans so lange vermissen mussten.
(Foto: imago/T-F-Foto)
Das Lachen war Heintz und den Kölnern aber auch gegen Borissow zunächst vergangen. Zwar schoss sich Teamkollege Simon Zoller in der 16. Minute als erster Kölner Europacup-Heimtorschütze seit 9178 Tagen in die Vereinsannalen, seit Frank Ordenewitz' 2:0 beim Heimsieg über Celtic Glasgow 1992. Dann aber drehte Borissow die Partie binnen 130 Sekunden durch ein "Scheißtor und ein Traumtor", wie FC-Abwehrspieler Dominic Maroh befand. Nicht nur Heintz dürfte da im Stadion gedacht haben, "ich bin schon wieder im falschen Film. Nimmt das denn gar kein Ende?"
Nahm es diesmal, dank einer surrealen zweiten Halbzeit - in der dem FC so viele Tore gelangen wie in der Bundesliga insgesamt in zehn Partien, nämlich vier. Zwei davon erzielte Yuya Osako, der nach der Pause für den unter höhnischem Beifall der Köln-Fans ausgewechselten Christian Clemens kam. In der 54. Minute stach Joker Osako erstmals, nach feiner Ablage von Frederik Sörensen nahm der Japaner den Ball mit der Brust an und setzte ihn mit einem technisch feinen Schuss ins lange Eck.
Anders als nach dem Tor in der ersten Halbzeit blieb Köln dieses Mal aktiv und versuchte den Schwung für ein drittes Tor zu nutzen. Leonardo Bittencourt (56.) scheiterte noch, Sehrou Guirassy machte es mit seinem direkt verwandelten Freistoß besser. FC-Torwart Timo Horn hielt mit mehreren guten Paraden den ersten Europapokalsieg seit einem Vierteljahrhundert zunächst fest - ehe erneut Osako (82.) mit seinem zweiten Treffer und Milos Jojic (90.) für die lange vermisste Euphorie in Köln Müngersdorf sorgten.
"Für Einiges entschädigt"
"Die fünf Tore haben für Einiges entschädigt, was in den letzten Wochen hier von uns geboten worden ist. Es war da teilweise sehr schwer für die Fans, weiter hinter uns zu stehen", sagte FC-Torwart Timo Horn bei Sport1. "Wir haben Gott sei Dank genau die richtige Reaktion gezeigt."
FC-Trainer Peter Stöger kommentierte die Euphorie nach dem erlösenden Schützenfest mit einem Schmunzeln: "Das ist eben Köln. Zwei Jahre gewinnst du kein Spiel. Und dann gewinnst du einmal und bist gefühlt im Europa-League-Halbfinale." Ganz so weit sind die Kölner noch nicht. Trotz des Erfolgs vor 45.200 Zuschauern im nicht ganz ausverkauften Kölner Stadion bleibt der FC mit drei Zählern Schlusslicht der Gruppe H. Aber: Bei zwei Punkten Rückstand auf Rang zwei ist das Weiterkommen aber wieder möglich. Nach den zwei Siegen im DFB-Pokal feierte der FC nun auch im Europacup den ersten.
Der soll am Sonntag auch in der Liga gelingen, Gegner beim elften Anlauf ist das von der Europaliga traumatisierte statt euphorisierte 1899 Hoffenheim. "Gravierend viel hat dieses Spiel nicht verändert", sagte Stöger angesichts von zwei Punkten aus zehn Liga-Spielen: "Es ist ein anderer Wettbewerb. Aber besser als 2:5. Ob es uns wirklich weiterhilft, wissen wir vielleicht an Weihnachten."
Quelle: ntv.de, cwo/dpa