Effekte aus vorigem Jahrtausend La Liga startet mit "Spektakel"-Panne
12.06.2020, 12:28 Uhr
Freude. Jubel.
(Foto: REUTERS)
Die spanische Fußball-Liga läuft wieder. Und es läuft auch für den FC Sevilla, der mit einem Sieg im Derby gegen Betis direkt mal unterstreicht, dass er in der kommenden Saison Champions League spielen will. Was allerdings nicht so gut läuft: das angekündigte "Spektakel des Entertainments".
Merciol Soler hatte Großes versprochen. Nicht weniger als ein "Spektakel des Entertainments" würde die spanische Fußball-Liga ihren Fans zum Restart bieten, sagte der Chef für audiovisuelle Effekte, ein TV-Erlebnis, das die Geister-Atmosphäre quasi vergessen lasse - mit über Monate ausgefeilten Sounds und Grafiken, beeindruckend realistisch.
Was am Donnerstag dabei herauskam, war mehr als ernüchternd. Einen Teppich aus bunten Pünktchen trickste La Liga beim "Gran derbi historico" zwischen dem FC Sevilla und Betis Sevilla (2:0) virtuell über die Tribünen. Es sah mehr aus wie einst das Computer- und Konsolenspiel Fifa 98, keinesfalls aber wie eine fiebernde Zuschauermasse. Beim Eckball "stürmten" die Pixelfans auch mal versehentlich den Rasen: Dann lagen die Tribünen plötzlich am Strafraum.
Wechselte die Kameraperspektive danach auf Abstoß, waren drei Sekunden die leeren Ränge zu sehen, und dann: schwupps, waren sie wieder voll. Aber nur im Unterrang. Dazu gab es einen Soundteppich, der selten zum Spielgeschehen passte. "Null Atmosphäre", stellte "El Mundo Deportivo" fest, "in einem Stadion aus leerem Plastik".
"Besser so als gar kein Fußball"
Dennoch überwog in Spanien, das mit einer Viertelmillion registrierter Fälle und mehr als 27.000 Toten ungleich härter von der Corona-Pandemie getroffen wurde als Deutschland, die Freude über ein bisschen banale Ablenkung. "Es ist nicht das, was wir uns wünschen", kommentierte die "Marca", aber: "Besser so als gar kein Fußball." Die "AS" schrieb, der spanische Fan an sich habe "nach dem Spiel gelechzt".
Zwei Tore, ein umstrittener Foulelfmeter, den der ehemalige Dortmunder Marc Bartra verursachte, und ansehnliche Kombinationen waren die angemessene Entschädigung für die Technik-Ärgernisse. In der 20. Minute wurde im rot erstrahlenden Estadio Ramon Sanchez Pizjuan eine halbe Minute lang Applaus für Pfleger, Krankenschwestern und alle anderen Anti-Corona-Kämpferinnen und -Kämpfer eingespielt.
Eigentlich also, sagte ein Kommentator, wurde im "Derby der Stille" nur "die Wärme des Publikums" vermisst. Diskussionen über Sinn und Unsinn von Geisterspielen verlaufen ohnehin milder als in Deutschland. Allerdings feierten die Spieler des FC Sevilla die Tore von Lucas Ocampos (56., Elfmeter) und Fernando (62.) mit laut Hygienekonzept verbotenen Umarmungen. Ein Skandälchen: Vieles erinnerte an die Lage der Bundesliga vor einigen Wochen.
Am Wochenende werden dann auch die ganz Großen wieder einsteigen. Der FC Barcelona (am Samstag bei RCD Mallorca) geht mit zwei Punkten Vorsprung auf Real Madrid (am Sonntag gegen SD Eibar) in die letzten elf Spieltage einer historischen Saison, die monatelang unterbrochen war. Wer doch lieber das Konsolengefühl verspüren möchte: Am Donnerstag stellte der japanische Hersteller Sony in einer Online-Pressekonferenz parallel zum Sevilla-Derby die fünfte Generation seiner Playstation vor. Alles soll beeindruckend realistisch wirken.
Quelle: ntv.de, Thomas Nowag, sid