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Hertha, der Kampf geht weiter Lars Windhorst träumt immer noch vom Big City Club

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Hertha-Investor Lars Windhorst achtete am Sonntag auf jedes Detail.

(Foto: IMAGO/Nordphoto)

Die Rede von Lars Windhorst auf der Mitgliederversammlung von Hertha BSC wird mit Spannung erwartet. Als der Investor ans Mikrofon tritt, kommt es zu Tumulten. Der 45-Jährige hat schon ganz andere Dinge erlebt, bleibt ruhig, verspricht neues Geld und geht gewiss nicht als Verlierer.

Lars Windhorst kam und kündigte an, nicht mehr zu gehen. Nach über sechs Stunden in der Messehalle 20 im Berliner Westend war der schillernde Investor an der Reihe. Windhorst hatte vorher die meiste Zeit sitzend in der ersten Reihe verbracht. Und wie der Rest der über 2800 Mitglieder dem Schauspiel beigewohnt. Gemeinsam hatten sie den kommissarischen Präsidenten aus dem Amt vertrieben, um verstorbene Mitglieder getrauert, den Berichten aus den Abteilungen gelauscht und Geschäftsführer Fredi Bobic gehört, doch Windhorst war der Magnet der Versammlung.

Begleitet von lautem Gejohle, einigem Applaus anderer und einem Banner mit seinem durchgestrichenen Konterfei trat der Mann auf die Bühne, der aus dem einst biederen Verein eine gigantische Unterhaltungsmaschine geformt hatte - zulasten des sportlichen Erfolgs und der Einigkeit. Der 45-jährige Investor trat vor einen tief gespaltenen Verein, der momentan ohne CEO, ohne Trainer und ohne Präsidenten oder Vizepräsidenten dasteht. Ohne sportlichen Erfolg sowieso.

Seit Windhorsts Geld im Sommer 2019 nach Berlin gelangte, ging es stets bergab. Immerhin gelang am vergangenen Montag noch auf den letzten Drücker der Klassenerhalt im Relegationsspiel beim Hamburger SV. Kevin-Prince Boateng coachte, Felix Magath ging später Holz hacken, aber die Probleme verschwanden dadurch nicht. Nur das größte Unglück wurde abgewendet. Noch in der Nacht nach dem Klassenerhalt hatte erst Finanzgeschäftsführer Ingo Schiller seinen Rückzug zum Herbst 2022 erklärt und wenig später hatte sich der umstrittene Präsident Werner Gegenbauer nach 14 Jahren im Amt sofort zurückgezogen.

Windhorst will mit Hertha nach Europa

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Präsident Gegenbauer ist weg, Investor Windhorst wird bleiben.

(Foto: IMAGO/Matthias Koch)

Die ewigen Chaos-Tage im Westend. Für Außenstehende ein Quell steter Freude, für den Verein und seine Mitglieder eine immense Belastung. "Wir sind der peinlichste Verein Deutschlands", meldete sich ein Mitglied am Sonntag ernüchtert zu Wort.

Trotzdem hatten die Mitglieder Windhorst mit Spannung erwartet. Der umstrittene Investor, der so viel Geld wie Unruhe über den Verein brachte, wurde schon Stunden vorher wie ein Popstar begrüßt. Vor Beginn seiner Rede dann kam es zu einigen Turbulenzen, es gab Gegenwind. Das war zu erwarten gewesen. Er setzte gegen das laute Gebrüll einiger mehrfach an. Irgendwann klappte es. In knapp 15 Minuten skizzierte er sodann seine Vision einer neuen Hertha, gab ein Update seiner Idee eines Big City Clubs.

Das hörte sich dann so an: "Es ist gesellschaftlich, politisch, strategisch eine tolle Sache, wenn man es gemeinsam schafft, diesen historischen Hauptstadtverein zu einer Größe zu führen. In Deutschland oder auch, hoffentlich, über die Grenzen Deutschlands hinaus." Die Antwort darauf kam postwendend aus dem Plenum. "Deine Zeit ist vorbei", brüllten die, die Windhorst nicht in ihrem Verein sehen wollen und sich aufgrund ihrer Wut vom Versammlungsleiter einen Ordnungsruf einhandelten.

Immer wieder wüste Beschimpfungen

Es war das erste Mal, dass Windhorst zu den Hertha-Mitgliedern sprach. Er hatte sich die Eintrittskarte was kosten lassen, 375 Millionen Euro gewissermaßen, und wollte sich das jetzt nicht verderben lassen. Nicht von den Ultras, nicht von den anderen, die voller Wut gegen ihn wetterten. Er nannte sie "eine Minderheit", registrierte den Applaus, wirkte davon unbeeindruckt. Er hatte sicher schon schlimmere Veranstaltungen erlebt. Der Auftritt schien dem Investor große Freude zu bereiten. So viel Freude, dass er sein Bleiben versprach. Er kündigte es auf seine eigene Art an.

"An die Ultras oder wer auch immer ihr seid, gerichtet: Windhorst raus - geht nicht. Weil, das gibt's nicht. Windhorst raus - das geht nur, wenn ich im Präsidium sitzen würde oder im Aufsichtsrat. Dann könntet ihr mich abwählen", sagte er auf dem Podium stehend. "Ich bin Gesellschafter. Es ist mir eine große Ehre, hier bei euch Gesellschafter sein zu dürfen …" Weiter kam er nicht. Applaus und aus dem Plenum schallte ein "Du bist ein dummer Penner" zurück.

Er will doch nur mitdiskutieren

Das interessierte den Mann, der so viel Geld für so wenig Ertrag in den Klub gesteckt hat, nicht. Er werde nicht gehen, sondern vielmehr langfristig, so "10, 20, 30 Jahre" bleiben und wenn notwendig auch noch einmal frisches Geld hinterherjagen. Die Bedingung: "Wenn es einen richtigen Neustart gibt." Denn nur so könne man seine Ziele erreichen. "Ich möchte, dass Hertha BSC extrem erfolgreich sein wird", sagte er unter dem Applaus der Mitglieder und offenbarte, was ihn so antreibt: "Mir geht es nicht darum, mitzuentscheiden, aber ich möchte mitdiskutieren. Die beste Idee gewinnt. Ich habe auch ein Telefonbuch und kann Leute vielleicht anrufen."

Windhorst ließ alle Beschimpfungen an sich abprallen, zitierte einmal den ehemaligen Kanzler Helmut Kohl, unter dem er vor seinen zahlreichen Abstürzen einst zum "Wirtschafts-Wunderkind" ausgerufen wurde, brüstete sich mit dem Rücktritt Gegenbauers ("Hätte ich mich nicht geäußert im April oder so, hätte es keine Chancen auf einen Neustart gegeben") und beschwerte sich über die vielen Gerüchte. Vom angeblich neuen Trainer, Sandro Schwarz ist im Gespräch, habe er erst aus der Zeitung erfahren. Ein Unding für Windhorst. Der Name des Trainers wollte ihm jedoch nicht einfallen.

Abgang mit erhobener Faust

Ganz am Anfang hatte Thorsten Manske, der da noch kommissarische Präsident der Hertha war, versucht, den Bruch zwischen altem Präsidium und dem Investor zu kitten. Er bot Windhorst einen Neustart zum "Wohle unseres Klubs und im Sinn Ihres Investments" an. "Ich reiche Ihnen die Hand", rief er Windhorst zu, der in der ersten Reihe zuhörte. "Lassen Sie uns in bessere, respektvolle Zeiten segeln. Die Zukunft muss jetzt hier und heute beginnen. Es ist ein Aufbruch in eine neue Zeitrechnung."

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Eine neue Zeitrechnung, die, das war die schlechte Nachricht für den Vizepräsidenten, ohne Manske beginnen wird. Mit einer Rede, die man durchaus als drohend beschreiben kann, hatte er sich ins Aus manövriert. Er überstand einen Abwahlantrag nur knapp, packte seine Sachen und ging. Windhorst brauchte sich um Manskes Hand nicht mehr zu scheren. Es wird Windhorst, der später über die schlechte Zusammenarbeit mit Gegenbauer - und somit auch Manske - klagte, eine Freude gewesen sein.

Jetzt auch noch der kommissarische Präsident weg, nur noch fünf von neun möglichen Mitgliedern im Präsidium, immerhin noch handlungsfähig. Aber kein neuer Präsident in Sicht. Am 26. Juni wird gewählt. Aus der Deckung gewagt hat sich bislang nur der ehemalige Capo der Ostkurve, Kay Bernstein, der den Klub zurück in die Stadt holen und einen will. Doch das mit der Einigung ist so eine Sache. Die gibt es nur zu den Bedingungen des Investors. Die werden nicht zu erfüllen sein. Und der Investor bleibt. "Ich gehe hier nicht weg", sagte Windhorst gegen Abschluss seiner Rede. Mit erhobener Faust verließ er wenig später die Bühne. Die Menge dankte es ihm mit viel Empörung und noch mehr Applaus. Er ging nicht als Verlierer.

Quelle: ntv.de

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