Englands Sensations-Champ in Europa Leicester City nimmt Fahrt auf
03.11.2016, 11:16 Uhr
Bestens gelaunt: Leicesters Fans in Kopenhagen.
(Foto: AP)
Als Neuling in der Champions League fühlt sich Leicester City unter den besten Fußballteams Europas wohl. Das Achtelfinale ist so gut wie gebucht. Auch in der Premier League läuft's besser. Nur Ron-Robert Zieler ist unglücklich.
Im kühlen Stadion des FC Kopenhagen hat sich am Mittwochabend Geschichte wiederholt - zu Gunsten von Leicester City. Beim Hinspiel des englischen Fußballmeisters gegen den dänischen vor zwei Wochen musste Leicesters dänischer Torwart Kasper Schmeichel in der letzten Minute sein ganzes Können aufbieten. Mit einer kunstvollen Parade wehrte er den Versuch von Kopenhagens Angreifer Andreas Cornelius ab und sicherte seinem Team so den 1:0-Erfolg. Und jetzt, im Rückspiel in seiner Heimatstadt, zeigte Schmeichel wieder eine herausragende Rettungstat. Wieder auf den letzten Zentimetern des Spiels, wieder gegen Cornelius. Schmeichel war wieder einmal der entscheidende Mann. "Er ist in toller Form, darüber bin ich sehr glücklich", sagte Leicesters Trainer Claudio Ranieri.
Durch das 0:0 in einer Partie ohne Höhepunkte blieb das Team auch im vierten Vorrundenspiel dieser Champions-League-Saison ohne Gegentor. Das war vorher keinem Neuling des Wettbewerbs gelungen. Zwar verpasste der Klub den vorzeitigen Einzug ins Achtelfinale, weil er nach zuvor drei Siegen zum ersten Mal Punkte abgeben musste. Doch es bestehen kaum Zweifel, dass Leicester dieses Ziel in den verbleibenden beiden Gruppenspielen gegen Brügge und in Porto erreichen wird. Der Sensationsmeister der vergangenen Premier-League-Saison kommt auf der internationalen Bühne an.
Entsprechend ausgelassen ist die Stimmung bei den Fans. Nach dem Abpfiff in Kopenhagen jubelten die mehr als 3000 Anhänger aus England wie nach einem Sieg. Mit Gesängen feierten sie Trainer Ranieri, den Architekten des Erfolgs. Die Profis des Vereins aus den East Midlands schlenderten zu später Stunde bester Laune durch die Interviewzone. "Zehn Punkte, das vierte Mal zu Null, das ist großartig", fasste Verteidiger Christian Fuchs Leicesters Europapokal-Kampagne zusammen. Er war früher bei Mainz 05, dem VfL Bochum und auf Schalke beschäftigt. Seit vergangenem Jahr spielt er für Leicester. Just hat er seinen Vertrag vorzeitig bis 2019 verlängert. "Wir fühlen uns gut. Mit jedem Punkt wächst das Selbstvertrauen", sagte Fuchs. In seiner Stimme war Angriffslust zu vernehmen.
"Mit jedem Punkt wächst das Selbstvertrauen"
Während es in der Champions League blendend läuft, verkauft sich Leicester in der Liga unter Wert und ist auf der Suche nach der Magie der Meistersaison. Nach zehn Spielen ist der Klub Tabellenelfter. Aus vielfältigen Gründen. Die Gegner haben sich auf Leicesters Spiel eingestellt, sie wissen, was sie erwartet. Überraschen kann Ranieris Team niemandem mehr, anders als in der vergangenen Saison. Leistungsträger wie Jamie Vardy suchen ihre Form. Der Angreifer steuerte 24 Tore zum Titelgewinn bei, wurde zu Englands Fußballer des Jahres gewählt. In dieser Saison gelangen ihm erst zwei Treffer. Beim torlosen Remis in Kopenhagen war er kaum zu sehen.
Erschwerend kommt für Leicester der Spielplan hinzu. Die Mannschaft hatte es in der Premier League in dieser Saison schon mit Arsenal, Liverpool, Manchester United, dem Chelsea und zuletzt Tottenham Hotspur zu tun. Mit Teams also, gegen die man verlieren kann. "Die haben alle viel Geld in die Mannschaft gesteckt. Das darf man nicht vergessen", sagte Verteidiger Fuchs. Er unterschlug allerdings, dass auch Leicester im Sommer nicht untätig war. Mehr als 77 Millionen Euro gab der Klub für neues Personal aus. Teuerster Zugang war der algerische Angreifer Islam Slimani von Sporting. Er kostete 30 Millionen Euro, Rekord für Leicester.
Mittlerweile scheint sich der Klub stabilisiert zu haben. Das 0:0 beim FC Kopenhagen, der im eigenen Stadion eine Macht ist, war das vierte Spiel nacheinander ohne Niederlage, wettbewerbsübergreifend. In der Liga gab es beim 3:1 gegen Crystal Palace die beste Saisonleistung und beim 1:1 gegen Tottenham ebenfalls einen guten Auftritt. "Unser Start war ein bisschen rumpelig. Aber so langsam fühlt es sich schon wieder an wie in der vergangenen Saison", sagte Verteidiger Fuchs. Leicester nimmt Fahrt auf. Und die kommenden Gegner in der Meisterschaft, West Bromwich und der FC Watford, sind schlagbar. Danach steht das Spiel gegen Brügge an, bei der Einzug ins Champions-League-Achtelfinale klar gemacht werden soll.
Nicht dabei helfen wird wohl Ron-Robert Zieler. Der deutsche Torwart, Mitglied des Weltmeisterkaders von 2014, wechselte zu dieser Saison von Absteiger Hannover 96 zum englischen Titelträger, ist aber nur Ersatz. Weil er Kasper Schmeichel vor sich hat - einen Mann für entscheidende Rettungstaten.
Quelle: ntv.de