Müssen die Weltmeister zittern? Löw bleibt unantastbar - und macht Druck
03.07.2017, 09:22 Uhr
Immer mit der Ruhe, Freunde.
(Foto: dpa)
Joachim Löw ist stolz und zeigt das. Warum auch nicht? Schließlich gewinnt er mit einem Nachwuchsteam den Confed Cup. Dass die DFB-Elf nun als WM-Favorit gilt, moderiert er mit der Lässigkeit eines Mannes, dem alles gelingt.
Es war nur ein Jokus, das hat er gleich betont. Aber gesagt hat es ein sichtlich gut gelaunter Bundestrainer am Sonntagabend im Bauch des Krestowski-Stadions zu St. Petersburg dann doch. Eigentlich müsse er nun darüber nachdenken, welchen der daheimgebliebenen Spieler er mit zu diesem Team nehme. Das sind, nur zur Erinnerung, unter anderem die Weltmeister Manuel Neuer, Benedikt Höwedes, Jérôme Boateng, Mats Hummels, Thomas Müller, Sami Khedira, Mesut Özil, Toni Kroos und Mario Götze. Aber es war ja nur ein Spaß und seine Art, seine Freude und seinen Stolz auszudrücken.
Schließlich hatte die DFB-Elf, die in dieser Zusammensetzung nie wieder auflaufen wird, vor 57.268 Zuschauern Chile im Endspiel mit 1:0 (1:0) besiegt und somit zum allerersten Mal den Konföderationenpokal der Fifa gewonnen. Die Mannschaft, die als Perspektivteam nach Russland aufgebrochen war, hatte sich in den fünf Spielen kontinuierlich gesteigert und am Ende mit etwas Glück und einem beeindruckenden Siegeswillen auch den Südamerikameister in einer kampfbetonten und nach der Pause hektischen Partie niedergerungen, nachdem das Gruppenspiel noch 1:1 ausgegangen war. Und Joachim Löw war stolz auf seine Mannschaft - und wohl auch auf sich.
Sein Plan ist aufgegangen, aus dem eher ungeliebten Turnier das Beste zu machen und es einfach mal mit einer jungen Mannschaft zu probieren: "Das ist eine absolute Freude. Wir haben drei Wochen lang eine unglaubliche Leistung gezeigt und auch heute um jeden Meter gekämpft. Die Jungs haben das großartig gemacht." Und er eben auch. Seit 2014, seit er mit seiner Mannschaft den Weltmeistertitel in Brasilien gewonnen hat, gilt er als unantastbar. Sagen wir es so: Seine Position hat sich in diesem Sommer nicht verschlechtert. Es ist sein Verdienst, dass er das Signal ausgesandt hat: Kommt alle, hier geht was. Kommt und spielt! Nun darf er unwidersprochen bilanzieren: "Jeder Spieler, der hier war, hat auf jeden Fall eine bessere Position, als er es vor dem Confed Cup hatte. Davon werden wir profitieren."
Schier unerschöpflicher Pool
Er betonte aber auch: "Wir haben zu Hause noch einige sehr gute Spieler." Doch es ist ihm gelungen, den Konkurrenzkampf ein Jahr vor der Weltmeisterschaft in Russland auf ein Niveau zu treiben, wie es sich jeder Trainer nur wünschen kann. Es sind ja nicht nur die Confed-Cup-Jünglinge, die in diesem Sommer reüssierten. Die U21 hatte just am Freitag in Polen die Europameisterschaft gewonnen. Alles in allem kann der Bundestrainer aus einem schier unerschöpflichen Pool von Akteuren einen Kader für die WM basteln. Auch wenn er immer wieder betont, dass der Weg zur Weltklasse für diese jungen Spieler noch ein sehr weiter ist - Joachim Löw muss ein glücklicher Mann sein. Diese Wahl ist keine Qual, sondern ein Glück.
Interessant wird, wie der Bundestrainer das moderiert, er, der doch für seine Treue bekannt ist. Andererseits: Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger sind ja nicht mehr dabei. Und wer weiß: Vielleicht machen sich die Etablierten nun doch langsam Gedanken, auch, weil der erfolgreichen Sommer-Combo des DFB nun die Sympathien zufliegen. Jedenfalls hielten es Müller, Höwedes, Özil und Hummels für opportun, flugs via Twitter zu gratulieren. Tenor: überragend, super, wunderbar. Aber die Sieger von heute sind die Konkurrenten von morgen. Mit Spielern wie Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Jonas Hector, Timo Werner und Julian Draxler, aber auch mit Antonio Rüdiger, Sebastian Rudy, Lars Stindl, Matthias Ginter, Shkodran Mustafi, Emre Can und Niklas Süle ist zu rechnen. Nicht mit allen, aber mit einigen. Der Fehler, den Löw nach der WM 2014 und vor der EM 2016 in Frankreich machte, als er es versäumte, die Mannschaft zu verjüngen, wird ihm nicht noch einmal passieren: "Wir haben Alternativen geschaffen. Das war das allerhöchste Ziel - das haben wir erreicht."
WM-Favorit? "Damit haben wir kein Problem"
Löw zeigte sich nach dem Finalsieg nahezu beseelt: "Diese Wochen haben unglaublich Spaß gemacht. Das ist ja auch als Trainer eine Freude und eine Bestätigung meiner Arbeit." Den Umstand, dass die deutsche Mannschaft nun unweigerlich als Favorit auf den WM-Titel gilt, moderierte er mit der Lässigkeit eines Mannes, dem derzeit alles gelingt. Zum einen gebe es noch andere gute Teams, Siege beim Confed Cup und bei der U21-EM böten keine Garantie auf eine erfolgreiche Titelverteidigung bei der WM. Und zum anderen sei es ja so, dass Deutschland eh immer zum Kreis der Anwärter auf den Pokal gehöre, ganz gleich, bei welchem Turnier: "Damit müssen wir umgehen - und haben damit auch kein Problem.
Ein Problem hatte er auch damit nicht, dass - während er vor den Journalisten über das Große und Ganze referierte -, seine Confed-Cup-Sieger die Pressekonferenz stürmten. Schon zuvor waren die "Campeones-Campeones"-Gesänge aus der Kabine deutlich zu hören gewesen, dann enterten die Spieler, angeführt von Can und Kimmich, den Saal. Sie sangen "Die Nummer eins der Welt sind wir" und bespritzten den Bundestrainer mit Sekt und Bier. Tja, was Fußballer halt so machen, wenn sie etwas gewinnen. Löw nahm's gelassen und mit einem nachsichtigen Lächeln hin, auch wenn sein schönes blaues Hemd und sein volles Haar ein wenig nass geworden waren. Als alles vorbei war, sagte er freundlich tschüss, griff nach dem Pokal vor ihm auf dem Tisch, stutzte und sagte: "Oh, der klebt ja." Ihn kann nichts mehr erschüttern. Vor allem war er nämlich "megastolz".
Quelle: ntv.de