Fußball

FC Bayern ist der Boss Marc Cucurella flüchtet gedemütigt aus der Allianz Arena

Marc Cucurella hatte keinen guten Abend.

Marc Cucurella hatte keinen guten Abend.

(Foto: picture alliance / IPP)

Beim Sieg des FC Bayern gegen Chelsea steht der Spanier Marc Cucurella ungewollt immer mal wieder im Mittelpunkt. Seit der EM 2024 wird er in Deutschland für alle möglichen Dinge verantwortlich gemacht. Auch in München hagelt es Pfiffe - und dann ist da noch sein Gegenspieler Michael Olise.

Marc Cucurella wollte nur noch weg. Der Verteidiger des FC Chelsea stürmte nach dem Abpfiff seines spanischen Landsmanns Jose Maria Sanchez Martinez in Richtung Spielertunnel der Allianz Arena. Er durfte nicht. Ein mit Jacken behangener Chelsea-Assistent zeigte auf die sich auflösende Menge an Chelsea-Fans im Oberrang, bedeute ihm, dass er sich noch verabschieden müsse. Trotz des 1:3 (1:2) zum Auftakt der Königsklasse im Auswärtsspiel beim FC Bayern. Respekt muss sein. Der Dank an die mitgereisten Fans ist ein ungeschriebenes Gesetz im Fußball.

Cucurella wartete also. Dabei wollte er nur weg. Während sich weit entfernt von Cucurella die anderen Spieler beider Mannschaften abklatschten und der Neu-Bayer Nicolas Jackson mit einigen alten Teamkameraden ein Pläuschen hielt, stand der Spanier allein. Er starrte in die Leere. Gemeinsam mit dem Rest der Mannschaft ging es dann in Richtung Gästeblock. Ein kurzer Dank ganz hoch unters Dach des Stadions und dann nichts wie weg. Marc Cucurella hatte wirklich genug. Der Abend sollte endlich ein Ende haben.

Olise als Symbol

Der Bösewicht mit den zotteligen Haaren hatte sich in Deutschland mal wieder seine Ration Hass abgeholt. Das hatte ihn niedergeschlagen zurückgelassen. Sein Vergehen? Ein Handspiel im EM-Viertelfinale zwischen Deutschland und Spanien. Der Schiedsrichter hatte es nicht gesehen, den VAR es nicht weiter interessiert.

Über 90 Minuten war der Spanier von weiten Teilen der Zuschauer bei jedem Ballkontakt mit lautstarken Pfiffen überzogen worden, auf dem Platz hatte er sich 90 Minuten lang mit Bayerns Flügelspieler Michael Olise auseinandersetzen müssen. Als das da längst für Chelsea verlorene Spiel in die letzten Minuten ging, feierte die Nordkurve den 23-jährigen Franzosen mit Sprechchören. Er hatte den über das Feld eilenden, sich in jeden Ball schmeißenden Spanier auf dem Platz in die Schranken gewiesen. Manchmal mit legalen Mitteln, manchmal nicht.

Olise war das beste Beispiel für die beeindruckende Art und Weise der Bayern an diesem milden September-Abend in München. Sie wollten Chelsea nicht nur mit spielerischen Mitteln besiegen, sondern in den entscheidenden Momenten auch in die Köpfe des Gegners gelangen. Damit waren sie sehr erfolgreich. Sie spielten ihr Wissen und ihre Erfahrung aus. Sie positionierten sich damit am ersten Spieltag im Favoritenfeld der Champions League. Der erste Härtetest der Saison nach dem meist lockeren Warmlaufen in Bundesliga und Pokal durfte als mit Sternchen bestanden bewertet werden.

Noch ist Spätsommer ...

Klar, da war die Verletzung von Josip Stanisic. Der musste kurz nach der Pause das Feld verlassen. Da waren die Anpassungsschwierigkeiten von Jonathan Tah. Der war, mit Gelb vorbelastet, überhaupt nicht aus der Pause gekommen. Er sollte geschützt werden. Das Team sollte geschützt werden. Das Spiel jedoch war ein erneuter Beweis für die Stärke der ersten Elf der Bayern. Der Beweis für die Stärke aller Bayern wird ohnehin erst im Frühling eingefordert. In diesen Monaten haperte es zuletzt an Kadertiefe, Spielglück und Geduld.

Doch noch ist Spätsommer, noch ist alles neu in dieser Saison, noch ist Zeit für Zeichen. Die setzten die Bayern. Es war nämlich keineswegs überraschend, als Sportdirektor Christoph Freund nach der Partie die Aggressivität der Bayern-Mannschaft herausstellte. Diese mache das Team gerade aus. Das war gut zu sehen.

Die Bayern hatten nicht nur Harry Kane mit seinen beiden beinahe schon obligatorischen Treffern und seinen Läufen ins Mittelfeld. Sie hatten nicht nur Joshua Kimmich, der sich der persönlichen Bewachung von Enzo Fernandez mit seinen Standards entziehen konnte. Sie hatten auch nicht nur Serge Gnabry, der als anderer Spieler aus der Sommerpause gekommen ist. Sie hatten eine Mannschaft auf dem Platz.

In des Gegners Kopf

Die Bayern waren aggressiv, attackierten Chelsea früh und verursachten damit Chaos in der Verteidigung des Gegners. Sie zogen nach Ballverlusten sekundenschnell ein Foul, wie DFB-Kapitän Joshua Kimmich. Der hatte in der 19. Minute vor dem Chelsea-Strafraum den Ball hergeschenkt und sich dann so gehandelt, dass er doch noch einen Freistoß zugesprochen bekam. Sie krochen in den Kopf des Gegners.

Als das Spiel nach dem 2:1 durch Cole Palmer, eingeleitet durch einen Ballverlust von Olise am Strafraum der Blues, zu kippen drohte, foulte Serge Gnabry den Argentinier Fernandez an der Mittellinie. Der Ball hatte sich da längst weiterbewegt, der Schiedsrichter Jose Maria Sanchez Martinez das offensichtliche Foul aber nicht als offensichtliches Foul eingestuft. Weltmeister Fernandez konnte nicht einmal mehr protestieren. Es war nutzlos. Die Bayern waren Boss.

All das aber war nichts gegen das Duell Cucurella gegen Olise und den Rest des Stadions. Der Spanier stand von vornherein auf verlorenem Posten. Nach 90 Sekunden setzten die ersten Pfiffe ein. Da stand er nur an der Seitenlinie und wollte einen Einwurf ausführen. Auf der Tribüne johlten die Zuschauer. Für sie war es ein Spaß, eine längst vom Ereignis im Jahr 2024 entkoppelte Gelegenheit, den zum Erzfeind der deutschen Anhänger erkorenen Spanier durch die Manege zu jagen. Die Kommentatoren im englischen Fernsehen fragten sich unterdessen, was hier überhaupt passiert. Die Erinnerung im Rest-Europa reicht nicht so weit. In Deutschland sind die Pfiffe längst unangenehme Folklore.

Olise spielt mit Cucurella

Sie wurden am Mittwoch nie weniger, immer mehr. Einmal, als Cucurella der Ball nach einem Schuss von Olise tatsächlich nahe des Strafraums an den Unterarm sprang, waren Halluzinationen von einer möglichen sofortigen Festnahme des Spaniers nach dem Jedermann-Festnahmerecht auf dem Spielfeld kaum mehr Halluzinationen. In diesem Moment war das absolut im Bereich des Möglichen.

Dazu kam es dann nicht. Das machte die Sache für Cucurella aber nicht besser. Denn sein Gegenspieler Olise war ja auch noch da. Der französische Nationalspieler quälte ihn. Olise hatte einst bei Chelsea in der Jugend gespielt und zeigte an diesem Abend seine große Klasse und auch das, was ihm noch fehlt. Seine Hereingabe verwandelte Chelsea-Verteidiger Trevoh Chalobah unglücklich zum 1:0 für die Bayern (20.). Ein eigenes Tor gelang ihm nicht. Dabei hatte er in der zweiten Halbzeit eine Chance aus der Kategorie "Musste machen", machte er aber nicht.

Während Olise an diesem Abend Fußball spielte, spielte er mit Cucurella. Immer wieder fand er Wege vorbei. Was gegen den Chelsea-Verteidiger nicht so einfach ist. Cucurella ist sehr hartnäckig. Das war Olise egal. Mal pflückte er einen Pass aus der Luft, kontrollierte ihn, nur um sofort den Ball mit einem simplen Pass in den Raum hinter den Spanier zu legen. Mal spielte er den Ball über Cucurella und mal drehte er seinen Körper um Cucurella.

Schubser gegen Cucurella als Kraftschub

Zwei Aktionen aber blieben besonders in Erinnerung. Als Bayern nach dem Anschlusstreffer durch Palmer kurzzeitig das Momentum zu verlieren drohte, holte Olise das Publikum mit einem simplen Zaubertrick mit ins Boot. Ein verlorenes Laufduell mit seinem Gegner endete mit einem kräftigen Schubser von hinten gegen Cucurella, der auf die Erde stürzte und so wieder alle begeisterte. Aus mysteriösen Gründen sah der Franzose dafür kein Gelb. Das machte den Weg frei für den nächsten Schubser in der 85. Minute. Für dieses Scharmützel kassierte Olise Gelb und die Anerkennung der Nordkurve, vor der sich die Situation zugetragen hatte. "Olise, Olise, Olise", schallte es von da.

"Ja, Gott", sagte Jan-Christian Dreesen, der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern in der Mixed Zone. Dreesen hatte, wie alle Bayern, einen hervorragenden Abend gehabt. Er strahlte und war zu Scherzen aufgelegt. Er sprach über den Sieg gegen den "Club-World-Cup-Gewinner" und wie sehr er in diesen Momenten Fan und nicht Vorstandsvorsitzender ist und dann sprach er eben auch über das Duell und diese eine letzte Szene zwischen Olise und Cucurella und sagte: "Ja, Gott. Olise hat ja in Teilen Standing Ovations bekommen. Ich weiß nicht, ob das sein muss, aber klar ist: Ich glaube, dieses Spiel gegen Spanien hängt noch vielen nach." Eine persönliche Wertung wolle er da gar nicht treffen. Nur so viel: "Ich persönlich bin Sportsmann. Ich freue mich, wenn alle ordentlich, regelgerecht und fair spielen."

Wenig später, da war Dreesen gerade weg, stürmte Cucurella vorbei. An Gesprächen in der Mixed Zone hatte er kein Interesse. Er wollte nur noch weg. Eilig gezückte Kameras dokumentierten seine Flucht aus der Allianz Arena.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen