Krawall und Krise bei Hertha Nun wackelt der Trainerstuhl
15.03.2010, 16:10 UhrOft trifft es die, denen es sowieso schon schlecht geht. Fußball-Erstligist Hertha BSC muss neben der sportlichen Krise nun auch noch mit Krawallen im eigenen Stadion fertig werden. Der Vorfall nach der 1:2-Niederlage gegen den 1. FC Nürnberg zieht neue Vorwürfe gegen die Abstiegskämpfer nach sich. Ungewiss ist offenbar die Zukunft von Trainer Friedhelm Funkel.

Hooligans randalieren nach der Begegnung Berlin-Nürnberg im Olympiastadion. Die Polizeigewerkschaft fordert Spiele ohne Zuschauer
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Ein leeres Fußballstadion – für ein Spiel eines Erstliga-Vereins eigentlich undenkbar, auch wenn der Abschied aus der ersten Bundesliga schon als sicher gilt. Einen Vorteil hätten gespenstisch leere Tribünen allerdings: Krawalle, wie sie beim Bundesliga-Spiel Hertha BSC Berlin gegen den 1. FC Nürnberg im Olympiastadion aufgekommen waren, gäbe es nicht. Rainer Wendt, Chef der deutschen Polizeigewerkschaft (DPoIG) verlangt jetzt solche "Geisterspiele" für den Abstiegskämpfer Hertha BSC Berlin. Den weniger radikalen Lösungsansatz, nämlich namensgebundene Eintrittskarten, die jeden Fan beim Kauf zur Identifizierung zwingen, hält er für unzureichend. "Bei Hertha, glaube ich, hilft das nicht weiter. Hier müssen noch drastischere Maßnahmen her, das heißt: Fußball ohne Zuschauer, " sagte Wendt bei n-tv.
Beim Spiel gegen Nürnberg waren etwa 150 gewalttätige Zuschauer in den Innenraum des Stadions gestürmt und hatten dort mit Stangen und Latten Werbebanden, Plastik- und Glaswände zerschlagen. Der Kontrollausschuss des DFB hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Hertha wird zu einer "zeitnahen Stellungnahme" aufgefordert, wie ein DFB Sprecher bestätigte. Ob Anklage vor dem Sportgericht erhoben wird, ist noch nicht entschieden, gilt aber als wahrscheinlich. Die Vorwürfe beziehen sich auf das Krawall-Management im Stadion. Strittig ist das Verhalten der Sicherheitskräfte, die sich vor der heranströmenden Hooligan-Truppe zurückgezogen hatten um die Kabineneingänge der Mannschaft zu schützen. Polizei-Gewerkschaftschef Wendt spricht von einer "hoffnungslosen Überforderung" der Ordnungskräfte.
Das Ende von Trainer Funkel?

Auch wenn Berlins Trainer Friedhelm Funkel schon bald seinen Posten verlieren könnte, die Probleme des Vereins wird er nicht mitnehmen.
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Vielleicht hat sich die Vereinsleitung vom Sicherheitspersonal inspirieren lassen. Hertha-Manager Michael Preetz geht jedenfalls in die Defensive. Er weist die Kritik zurück "Wir haben vom Deutschen Fußball-Bund in einer ersten Mitteilung erfahren, dass Klub und Sicherheitsdienst auf die Vorfälle besonnen reagiert hätten", sagte Preetz nach einem Training, zu dem Fans keinen Zugang hatten und das von der Polizei überwacht wurde. Die Anzahl der Polizei- und Sicherheitskräfte sei für das Spiel erhöht worden, weil es bereits im Vorfeld der Partie Hinweise auf Ausschreitungen gegeben habe, so der Manager.
Die Berliner stehen mit 15 Punkten auf dem letzten Tabellenplatz. Die Krawalle überschatten kurzzeitig, wie es um Hertha bestellt ist - und um Trainer Friedhelm Funkel. Wie die "Welt" berichtet, beschloss Preetz am Tag nach dem Spiel mit seinem Geschäftsfüher-Kollegen Ingo Schiller und dem Präsidium die Entlassung Funkels. Ob der Coach noch in dieser oder erst in der nächsten Saison gehen soll, sei noch unklar. Neben der Aufarbeitung der Ausschreitungen sei die Organisation der Zweitliga-Zukunft mitsamt neuem Trainers ein zentrales Thema der Sitzung gewesen. Zuvor hatte Klub-Präsident Werner Gegenbauer noch betont, dass die Diskussion um Chefcoach Friedhelm Funkel nicht neu eröffnet werde. Funkel schloss auch selbst einen Rücktritt aus. "Nein", sagte der 56-Jährige auf die Frage, ob er nach der schwachen Bilanz von nur elf Punkten in 19 Spielen unter seiner Leitung an ein Aufgeben denke.
Neuanfang in Liga zwei

Herthas Stürmer Theofanis Gekas greift sich nach dem Spiel an den Kopf. Die Niederlage gegen Nürnberg ist bezeichnend für die Krisensaison des Berliner Clubs.
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Auch der propagierte Neuanfang in der zweiten Bundesliga dürfte schwer werden, ob mit oder ohne Funkel. 35 Millionen Euro Schulden hat der Klub mittlerweile angehäuft. Das finanzielle Defizit erlaubt keinen Spielraum auf dem Transfermarkt. Die übrigen Leistungsträger hat der frühere Trainer Lucien Favre ohne Protest ziehen lassen. Sein Nachfolger Funkel führt seine Mannschaft auf dem Feld zu leidenschaftslos, zu defensiv, ohne Aufbruchsstimmung. Manager Michael Preetz sah die Bedrohung nicht kommen, flüchtet sich in Ausreden und baut stets auf die Zukunft. Soweit die Vorwürfe gegen Hertha BSC Berlin.
Und nun treffen den gebeutelten Verein auch noch die Ausschreitungen an deren Ende die Forderung nach Spielen ohne Zuschauer steht. Jene Zuschauer, die zurzeit wahrscheinlich das einzige sind, das dem Berliner Klub Leben einzuhauchen vermag. Von den Krawallmachern mal abgesehen.
Das Ergebnis, gäbe man der Forderung nach Geisterspielen nach, wären Hertha-Spiele mit tragisch anmutender Atmosphäre. Ironischerweise gäbe ein solches Bild eine passende symbolische Zusammenfassung der Krise ab, mit der sich der Verein seit längerer Zeit konfrontiert sieht und die er zu lösen offenbar nicht im Stande ist - Zumindest nicht als Erstligist.
Quelle: ntv.de