Fußball

Gündogan der bessere Schweinsteiger? Özil zaubert, die Gourmets raunen

Bei Real Madrid ist Mesut Özil in dieser Saison umstritten, in der Mannschaft von Joachim Löw hat er seinen Platz jedoch sicher.

Bei Real Madrid ist Mesut Özil in dieser Saison umstritten, in der Mannschaft von Joachim Löw hat er seinen Platz jedoch sicher.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der "Zauberer von Öz" wird Mesut Özil auch genannt, beim Freundschaftsspiel der deutschen Fußballer gegen Frankreich zeigt er, warum. Aber auch seine Kollegen dürfen sich eine sehr ordentliche Leistung bescheinigen lassen. Allein Mario Gomez fällt da etwas raus. An dieser Stelle von seniler Bettflucht zu sprechen, wäre aber absolut verfehlt.

Frankreich - Deutschland 1:2 (1:0)

Tore: 1:0 Valbuena (44.), 1:1 Müller (51.), 1:2 Khedira (74.)

Frankreich: Lloris - Sagna, Koscielny (46. Rami), Sakho, Evra - Cabaye, Matuidi (46. Capoue), Sissoko (80. Giroud) - Valbuena (86. Menez), Benzema, Ribéry

Deutschland: Adler - Lahm, Mertesacker, Hummels, Höwedes - Khedira, Gündogan - Müller (89. Lars Bender), Özil, Podolski (68. Schürrle) - Gomez (57. Kroos)

Schiedsrichter: Paolo Silvio Mazzoleni (Italien)

Zuschauer: 75.000 (ausverkauft)

Der Bundestrainer ließ hinterher erst gar keine Zweifel aufkommen. Mit 2:1 hatten Deutschlands beste Fußballer ihr Testspiel in Paris im mit 75.000 Zuschauern ausverkauften Stade de France gegen die Gastgeber gewonnen und waren damit zum ersten Mal seit 2008 erfolgreich in ein Jahr gestartet. Und Joachim Löw ließ hinterher flugs verlauten: "Wir waren die eindeutig bessere Mannschaft." Dabei wäre das gar nicht nötig gewesen.

Denn seine Mannschaft dominierte von Beginn an die Partie und ließ sich auch nicht aus dem Konzept bringen, als die Franzosen durch Mathieu Valbuena kurz vor der Pause in Führung gingen. Thomas Müller und Sami Khedira sorgten nach der Pause für den Sieg einer DFB-Elf, die bewies, dass sich bisweilen auch im Fußball Qualität durchsetzt. Und das, obwohl mit dem Münchner Bastian Schweinsteiger, den Dortmundern Mario Götze, Marco Reus und Marcel Schmelzer sowie dem ewigen Miroslav Klose von Lazio Rom fünf Spieler fehlten. Aber die, die dabei waren, machten ihre Sache gut. Und sorgten für den ersten Sieg in einem Freundschaftsspiel seit dem 31. Mai vergangen Jahres, als es kurz vor der Europameisterschaft in Leipzig einen 2:0-Sieg gegen Israel gab. Die deutschen Spieler in der Einzelkritik:

Starkes Comeback: Rene Adler.

Starkes Comeback: Rene Adler.

(Foto: dapd)

René Adler: Seine größten Taten vollbrachte der 28 Jahre alte Torhüter des Hamburger SV, als er nach einer knappen halben Stunde gegen Karim Benzema und kurz vor dem Abpfiff gegen Franck Ribéry seine Mannschaft vor einem Gegentor rettete. Das konnte er kurz vor der Pause beim besten Willen nicht, als Frankreichs Mathieu Valbuena, 167 Zentimeter groß, per Kopf zur Führung für die Gastgeber einnickte. Was lernen wir daraus? Es gibt im Fußball keine Kleinen mehr. Und René Adler wirkte nicht so, wie er hinterher gesagt hat, dass er sich vorher gefühlt habe. "Ich war richtig nervös, muss ich ehrlich zugeben." Und sonst? Hat er in seinem ersten Länderspiel nach 812 Tagen und seinem elften insgesamt gezeigt, dass er aus gutem Grund die Nummer zwei im deutschen Team ist - vor dem Mönchengladbacher Marc-André ter Stegen und Ron-Robert Zieler von Hannover 96. Aber ist er deswegen der bessere Manuel Neuer? Nein. Der Münchner, in Paris ausnahmsweise auf der Bank, ist gesetzt. Sagt auch Adler. "Heute ist es mir egal, ob ich bald wieder die Nummer zwei bin. Wir haben ein sehr gutes Team. Die Rollenverteilung ist klar." Er will nur mit zur Weltmeisterschaft.

Philipp Lahm: Der 29 Jahre alte Münchner hatte sich als Kapitän und rechter Außenverteidiger deswegen so auf seinen 96. Einsatz im Trikot der Nationalmannschaft gefreut, weil er im Stade de France zu Saint Denis gegen seinen Vereinskollegen Franck Ribéry spielen durfte. Und war zur Genüge damit beschäftigt, den Flügelflitzer der Franzosen in Schach zu halten. Wenn es vor dem Tor der DFB-Elf gefährlich wurde, war der meist mittenmang. Dennoch: Knapper Punktsieg für Phillip Lahm, defensiv war das gut. Bisweilen fand er sogar die Zeit, sich ins Angriffsspiel einzuschalten. Nur dass seine Flanken selten dort ankamen, wo sie ankommen sollten. Nämlich beim Mitspieler. Es gibt aber in Deutschland auf dieser Position keinen Besseren. Und Bundestrainer Joachim Löw wäre angesichts der Dauerbaustelle auf der linken Abwehrseite nach wie vor froh, wenn er noch so einen hätte.

Per Mertesacker: Der Innenverteidiger des FC Arsenal stand im Abwehrzentrum meist dort, wo er stehen muss. Das 86. Länderspiel des 28-Jährigen war das Beste seit längerer Zeit, zumal er auch unter Druck fein mit dem Kollegen Mats Hummels harmonierte. Fast hätte er sogar sein drittes Tor für Deutschland erzielt, da waren bei seinem Kopfball in der 21. Minute nach einer Ecke von Mesut Özil nur die Fingerspitzen von  Frankreichs Torhüter Hugo Lloris und die Latte vor. Schade eigentlich, sonst wäre er glatt als der bessere Mario Gomez durchgegangen. Und für die deutsche Elf wäre es das erste Tor nach einem Eckball seit dem 11. November 2011 gewesen. Zu viel Konjunktiv? Damals traf übrigens der Leverkusener Simon Rolfes beim 3:3 in Kiew gegen die Ukraine zum 2:3. Nach einer Ecke von Özil.

Rettete in der Schlussphase mehrmals: Mats Hummels.

Rettete in der Schlussphase mehrmals: Mats Hummels.

(Foto: REUTERS)

Mats Hummels: Das ist jetzt wenig überraschend, aber der 24 Jahre alte Dortmunder harmonierte in der Abwehrzentrale gut mit dem Kollegen Per Mertesacker, in der Spieleröffnung wechselten sich die beiden ab, Mats Hummels passte allerdings häufiger fehl. Wirkte in seinem 24. Länderspiel beim Gegentor ähnlich unentschlossen wie sein Mitstreiter, als er nach Karim Benzemas Freistoß an die Latte des deutschen Tores ein wenig zu lange in Schockstarre verharrte. Ansonsten gewann er die entscheidenden Zweikämpfe und rettete, vor allem nach der Pause, mehrmals in höchster Not, ragte in dieser Phase aus der allgemeinen Konfusion wohltuend souverän heraus. Einmal allerdings hat er sich richtig geärgert - als Franck Ribéry, dieser Schlingel, ihm den Ball durch die Beine spielte.

Benedikt Höwedes: Ohne dem Schalker zu nahe treten zu wollen - eine Lösung für die Problemzone der DFB-Elf am linken Ende der Viererkette ist der 25-Jährige nicht. Zumal er normalerweise in der Innenverteidigung  oder auf der rechten Seite spielt. Das heißt aber nicht, dass sein elftes Länderspiel ein schlechtes war. Er hat das als überraschend in die Startformation beförderter Aushilfskellner gut gemacht, je länger die Partie dauerte, desto besser wurde er, zumindest in der Defensive, zumindest in den Zweikämpfen. Auch wenn er niemals der bessere Philipp Lahm wird. Angriffsspiel ist seine Sache nicht, obwohl er sich redlich bemühte, seinem Vordermann Lukas Podolski zur Seite zu stehen. Und ein neuer Flankengott aus dem Kohlenpott wird aus ihm in diesem Leben auch nicht mehr. Sucht er den Mitspieler, findet er den Balljungen.

Sami Khedira: Nicht nur, weil er nach einer königlichen Kombination mit dem Kollegen Mesut Özil aber so was von lässig das Siegtor schoss, war der 25 Jahre alte Mittelfeldspieler von Real Madrid in seinem 37 Länderspiel einer der Besseren seiner Mannschaft - trotz einiger Fehlpässe und wegen seines konstruktiven wie unermüdlichen Beitrags zum Spielaufbau.  Hinterher war er voll des Lobes. "Mesut kann den Ball so gut spielen wie fast kein Zweiter auf der Welt. Er kennt meine Laufwege." Sami Khedira - "Zur Pause war es ein ungerechtes Ergebnis, weil wir schon in der ersten Halbzeit sehr guten Fußball gespielt haben" - ist auf gutem Weg, auf der Sechserposition vor der Abwehr der bessere Bastian Schweinsteiger zu werden. Zumal der Münchner in letzter Zeit just vor Testspielen verletzt oder krank abmeldet und in Paris fehlte.

Präsentierte sich auf der Sechserposition als ernsthafte Alternative: Ilkay Gündogan.

Präsentierte sich auf der Sechserposition als ernsthafte Alternative: Ilkay Gündogan.

(Foto: dapd)

Ilkay Gündogan: Nach seinen Leistungen für Borussia Dortmund gab es Menschen, die ernsthaft der Meinung waren, der 22-Jährige sei auf gutem Weg, als Schweinsteiger-Ersatz der bessere Schweinsteiger zu werden. Stets anspielbar, großes Laufpensum, guter Ballverteiler - und Vorbereiter zum Ausgleich. Und wer Joachim Löw zuletzt über ihn reden hörte, könnte meinen, der Bundestrainer glaubt das auch. Ganz so weit ist es noch nicht. Aber Ilkay Gündogan muss damit leben, als Aufsteiger der Saison zu gelten. Dabei absolvierte er im Stade de France auf der Doppelsechs an der Seite von Sami Khedira erst seine fünfte Partie in Deutschlands wichtigster Fußballmannschaft. Zumindest hat er fürs erste Toni Kroos von dieser Position verdrängt. Und Joachim Löw sagte hinterher: "Er hat einen enormen Sprung gemacht, hat mir klasse gefallen." Der so Gelobte blieb bescheiden: "Gegen eine solche Mannschaft wie Frankreich zu spielen, macht viel Spaß. Das sind die Mannschaften, mit denen wir uns messen müssen. Ich habe versucht, meine gute Form auch in der Nationalmannschaft zu zeigen."

Thomas Müller: Dem 23 Jahre alten Münchner gelang in seiner 29. Partie für Deutschland sein erster Länderspieltreffer seit 15 Monaten. Und das in eiskalter Torjägermanier, die vermuten lässt, dass Thomas Müller längst der bessere Mario Gomez ist. Nicht nur das zeigt: Es ist ihm prima gelungen, seine überragende Form aus der Bundesliga in die Nationalmannschaft mitzunehmen. Was er auf dem rechten Flügel veranstaltete, schnell, ideenreich, unberechenbar und mit guten Pässen, hätte ihm früher den Titel "ständiger Unruheherd" beschert, wegen zu großen Floskelverdachts ist das aber zu Recht aus der Mode gekommen. Thomas Müller ist einfach gut, neben Mesut Özil die überragende Erscheinung in einer sehr ordentlichen deutschen Mannschaft. Er selbst sagt: "Ich glaube, wir haben ein ganz gutes Spiel gemacht. Wir haben gewonnen, wir haben scheinbar die Siegermentalität in uns." Nach 89 Minuten kam für ihn der Leverkusener Lars Bender, 23 Jahre alt, auf den Rasen und so zu seinem elften Länderspiel.

Unnachahmlicher Spielgestalter: Mesut Özil verzückte nicht nur die deutschen Fans.

Unnachahmlicher Spielgestalter: Mesut Özil verzückte nicht nur die deutschen Fans.

(Foto: dapd)

Mesut Özil: Nur nach sechs Minuten, als der 24 Jahre alte Madrilene in seinem 44 Länderspiel die Chance zur frühen Führung vergab, schien es, als sei er noch nicht ganz bei der Sache. Danach aber lieferte er eine Vorstellung, die selbst die französischen Zuschauer im ausverkauften Rund raunen ließ und sie als wahre Fußballgourmets enttarnte. Stellvertretend sei hier sein Zuckerpass mit dem Außenrist genannt, den Vereinskollege Khedira zum Siegtreffer nutzte. Selbst Didier Deschamps, der Trainer des Gegners, musste zugeben: "Es ist sehr schwer, ihm den Ball wegzunehmen." Und der Bundestrainer konstatierte: "Er spielt auf einem Riesen-Niveau. Bei fast allem, was er macht, findet er immer eine gute Lösung."

Lukas Podolski: Die gute Nachricht vorneweg: Erstmals seit dem verlorenen Halbfinale gegen Italien in Warschau bei der Europameisterschaft im Sommer stand der 27 Jahre alte Mittelfeldspieler des FC Arsenal in der Startelf. Und er tat in seinem 107. Länderspiel das, was er zuletzt immer getan hatte: Er kümmerte sich auf der linken Seite vermehrt um die Defensive. Was ihm regelmäßig ein Extralob des Bundestrainers einbringt. So auch dieses Mal. Ihm sei wichtig gewesen, dass die Außenspieler auch nach hinten arbeiten. "Das hat der Lukas auch gemacht, deswegen war ich zufrieden mit ihm." Die Kehrseite der Medaille ist, dass es ihm damit an der Durchschlagskraft im Angriff fehlt. So auch dieses Mal. Besonders auffällig ist das, wenn auf der anderen Seite des Spielfelds ein Thomas Müller wirbelt. Argumente für einen Stammplatz hat Lukas Podolski jedenfalls nicht gesammelt. Nach 68. Minuten kam für ihn Leverkusens André Schürrle, 22 Jahre alt, Länderspiel Nummer 21.

Mario Gomez: Fiel vor allen Dingen auf, als der 27-Jährige nach einer knappen in seinem 58. Länderspiel für seinen Münchner Vereinskollegen Toni Kroos ausgewechselt wurde. Bis dahin hatte er als einziger nomineller Stürmer, eskortiert von den französischen Innenverteidigern Laurent Kosciellny und Mamadou Sakho, nicht allzu viel mit dem Spiel zu tun. Auch wenn er zu Beginn der Begegnung so viel lief, dass Mehmet Scholl wahrscheinlich von seniler Bettflucht gesprochen hätte. Es bleibt dabei: Mario Gomez ist nicht der bessere Miroslav Klose, der sich ein Band gerissen hat und deswegen absagen musste. Zu seiner Entschuldigung sei gesagt, dass er erst lange verletzt war und zuletzt trotz Genesung beim FC Bayern nur noch Ergänzungsspieler war. Ähnlich diplomatisch wie dieser Euphemismus drückte es auch der Bundestrainer aus: "Er war kräftemäßig vielleicht noch nicht in der Lage, dieses Tempo, was die anderen Spieler gegangen sind, 90 Minuten mitzugehen."

Quelle: ntv.de

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