Fußball

Ist Hertha wirklich ein Team? Peinlicher Elfer-Zoff gefällt nur dem Trainer

Zwei streiten, nur einer darf schießen.

Zwei streiten, nur einer darf schießen.

(Foto: imago images/Matthias Koch)

Hertha BSC ist Tabellenletzter der Fußball-Bundesliga. Klar, das sagt nach zwei Spieltagen noch nicht besonders viel aus. Ein deutlicheres Zeichen, dass im Team von Trainer Pal Dardai schon wieder etwas schiefläuft, ist der absurde Streit, den sich zwei Stürmer im Spiel gegen den VfL Wolfsburg leisten.

Auf dem Bolzplatz hat derjenige das Sagen, der den Ball mitbringt. Wer darf in welches Team? Wer muss ins Tor? Wer darf schießen? Da gibt es mal Diskussionsversuche, die werden aber meist schnell abgewiegelt. Ein Problem wird es, wenn mehrere einen Ball mitbringen zum Treffen. Und absurd wird es, wenn es sich bei denen, die einen Ball mitbringen und sich streiten, um Fußballprofis handelt. So wie beim Spiel von Hertha BSC gegen den VfL Wolfsburg.

Hertha BSC - VfL Wolfsburg 1:2 (0:0)

Berlin: Schwolow - Pekarik, Boyata (84. Torunarigha), Stark, Plattenhardt - Serdar (84. Zeefuik), Ascacibar - Lukebakio, Kevin-Prince Boateng (43. Jovetic), Dilrosun (67. Richter) - Selke (85. Tousart). - Trainer: Dardai

Wolfsburg: Casteels - Mbabu, Lacroix, Brooks, Roussillon (89. Gerhardt) - Schlager (90. Guilavogui), Arnold - Baku, Philipp (70. Nmecha), Steffen (70. Brekalo) - Weghorst. - Trainer: van Bommel

Schiedsrichter: Dr. Matthias Jöllenbeck (Freiburg)

Tore: 1:0 Lukebakio (60. Foulelfmeter nach Videobeweis), 1:1 Baku (74.), 1:2 Nmecha (88.)

Ex-Herthaner John Anthony Brooks hatte Dodi Lukebakio in der 58. Minute gefoult, Schiedsrichter Matthias Jöllenbeck ließ zunächst weiterlaufen. Doch dann schaltete sich der Video-Schiedsrichter ein, Jöllenbeck entschied nach kurzem Blick auf die Bilder schnell auf Elfmeter - und dann dauerte es. Davie Selke hatte sich den Ball auf dem Punkt zurechtgelegt. Doch auch Lukebakio wollte schießen, die beiden diskutierten und sogar Kapitän Dedryck Boyata musste eingreifen. Der sprach ein Machtwort in der sehr kuriosen Debatte. Was Selke übrigens hinterher bei Sky anders darstellte: "Ich weiß nicht, wie lange wir da gesprochen haben. Gefühlt waren es fünf Minuten. Ich wollte schießen und habe mich gut gefühlt. Er wollte es auch und hat die letzten Elfmeter hier verwandelt. Ich bin ja erst wieder kurz da. Bevor wir noch ein paar Minuten weiter herumquatschen, habe ich ihn dann schießen lassen."

Mit einem Klapser von Neuzugang Stevan Jovetic schritt schließlich Lukebakio - der Gefoulte - zum Punkt. Sieger im Duell mit Selke. Und kurz darauf auch Sieger im Duell mit Wolfsburgs Torhüter Koen Casteels. 1:0-Führung für Hertha im erstmals mit mehr als 18.000 Zuschauern zumindest wieder etwas besuchten Olympiastadion.

"Das sieht nicht gut aus"

Die Führung reichte allerdings nicht, Wolfsburg traf durch Ridle Baku (74.) und Lukas Nmecha (88.) noch zweimal, fuhr mit einem 2:1 zurück nach Niedersachsen. Und die Hertha bleibt auch im zweiten Spiel punktlos. Als einziger Bundesligist - damit also Tabellenletzter. "Es ist ein Start, den du mit dir rumschleppst, der es nicht einfach macht für die nächsten Wochen", kritisierte der neue Sport-Geschäftsführer Fredi Bobic.

Aber nicht nur der Endstand, auch der Elfmeter-Streit sagte Bobic gar nicht zu: "Mir hat das nicht gefallen, da bin ich ganz ehrlich", so der Ex-Nationalspieler bei Bild-TV: "So etwas kann man einfacher regeln, schon vor dem Spiel. Dass es diese Diskussion auf dem Platz gab, sieht nach außen nicht gut aus."

Es sieht so aus wie das, was Hertha schon länger mit sich herumschleppt: Ein Team, das keines ist. Sondern eine Ansammlung von durchaus hochtalentierten Spielern, die es aber nicht gemeinsam zeigen. Das, was Trainer Pal Dardai schon nach Ende der vergangenen Saison harsch kritisiert hatte: "Die wichtigste Lehre ist hart: Wir haben es am Schluss als Team geschafft. Aber in diesem Moment hat Hertha noch keine Mannschaft. Es gibt keine Stammelf, keine Achse." Er wollte sie formen, hatte sich nach Bedenkzeit gemeinsam mit dem Klub entschieden, seine zweite Amtszeit als Hertha-Chefcoach auszuweiten. Er wollte ein Team bauen, keine gut klingenden Namen aufstellen: "Es gab diesen Moment, in dem man gespürt hat, dass Spieler, die eigentlich teure Leistungsträger sein sollten, nicht einmal eine normale taktische Ordnung halten können", war ein weiterer Kritikpunkt.

"Keiner ist heute spaziert"

Seitdem haben die Stürmer Jhon Cordoba und Jessic Ngankam, Rechtsaußen Matthew Leckie, Linksaußen Nemanja Radonjic, die Mittelfeldspieler Eduard Löwen und Matteo Guendouzi sowie die Verteidiger Omar Alderete und Luca Netz den Klub verlassen. Neu dabei sind Kevin-Prince Boateng und Suat Serdar im Mittelfeld, sowie die Offensiven Marco Richter und Stevan Jovetic - im Sturm darf auch der zurückgekehrte Selke wieder ran. Ganz schön viel Bewegung - ergibt das ein besseres Team als vorher?

Der Trainer findet: ja. "Keiner ist heute spaziert, alle haben gearbeitet. Das ist ein Fortschritt." So sagte er es nach der 1:2-Pleite gegen Wolfsburg. Kein Fortschritt allerdings, der dem Team hilft, muss auch Dardai zugeben. "Das Ergebnis ist nicht okay. Die Tabelle sieht nicht gut aus." Deutlicher äußerste sich Richter: "Jetzt ist wieder alles im Eimer, alles ist Kacke. Wir müssen das ganze extrem schnell abhaken." Und als Nächstes folgt das Spiel beim FC Bayern. Immerhin: "Wenn alle denken, da holst du gar nichts, umso besser."

"Zeit wird eng"

Doch Transferdiskussionen überschatten die Vorbereitung auf das Duell mit dem Dauer-Meister: Was macht Matheus Cunha? Der Olympiasieger mit Brasilien hat sein letztes Spiel für die Hertha wohl schon absolviert. Alles sieht danach aus, dass er Berlin noch verlassen wird - vermutlich in Richtung spanische Hauptstadt Madrid. Dardai hatte ihn schon gar nicht mehr für den Kader gegen Wolfsburg berufen, nachdem er beim Saisonstart gegen Köln nur halbherzig gespielt hatte. Bobic sagte: "Dass es Gespräche mit anderen Vereinen gibt, ist klar." Nicht nur mit Atletico Madrid. Noch aber scheint das Angebot zu niedrig, Hertha will den 22-Jährigen, der im Januar 2020 für 18 Millionen Euro von RB Leipzig gekommen war nicht für unter 30 Millionen Euro ziehen lassen.

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Geht Cunha, bislang der Kreativspieler des Teams, braucht Hertha Ersatz: "Wir werden sicher noch was machen", sagte Bobic bei Bild TV. Im Offensivbereich und auf dem Flügel wird gesucht. "Wir werden auch noch jemanden abgeben. Es muss ein Zug-um-Zug-Geschäft sein, aber die Zeit wird eng", sagte Bobic ohne Namen zu nennen.

Ein Tor gegen Köln, ein Tor gegen Wolfsburg, ein Tor im Pokal gegen Meppen - rosig ist die Ausbeute des Sturms bislang nicht. Das kann auch der streitbare Selke nicht übertünchen, dem Dardai vor dem Wolfsburg-Duell einen "Dachschaden" attestiert hatte. "Aber einen sehr positiven! Er will unbedingt spielen. Darüber bin ich sehr froh." Die Kabbelei vor dem Elfmeter kommt noch hinzu, wobei Dardai versuchte, auch die ins Positive umzudeuten: "Wenn zwei den Elfmeter schießen wollen, ist das besser, als wenn elf Spieler Sportschokolade in der Hose haben", sagte der Ungar: "Das bedeutet, dass sie die Eier haben und Tore machen wollen." Er habe "keinen Streit gesehen". Da hatte er eindeutig eine andere Brille auf als Bobic - und der Rest der Zuschauer.

Quelle: ntv.de

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