Ewiges Talent oder Weltstar? Poldi muss seinen van Gaal finden
08.09.2010, 14:51 Uhr
Podolski feiert seinen Treffer zum 1:0
(Foto: Reuters)
Die starke Leistung des viel gescholtenen Podolski gegen Aserbaidschan wirft die Frage auf, warum ihm trotz seiner hervorragenden Anlagen Klasse und Konstanz eines Schweinsteiger fehlen. Die Antwort ist einfach.

Zwischen DFB-Lust ...
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Die Spielzeit im Kölner Rhein-Energie-Stadion hat die 90 Minuten schon längst überschritten, die deutschen Spieler haben mit ihrer Pflichtaufgabe gegen Aserbaidschan schon abgeschlossen, als sich Lukas Podolski zu einer letzten energischen Aktion entschließt. Gegen drei Verteidiger setzt sich der Kölner durch, passt zielgenau in den Strafraum, wo der Ball über Cacau bei Miroslav Klose landet, der mühelos zum Endstand von 6:1 einschieben kann.
Nein, an diesem Abend stand wirklich nicht der Spieler auf dem Platz, den eine große Boulevardzeitung noch nach dem Spiel gegen Belgien von "Prinz Poldi" in "Problem Poldi" umtaufen wollte. Podolski ging entschlossen in die Zweikämpfe, riss mit langen Laufwegen Lücken, und bewies neben seiner Abschlussstärke auch Spielübersicht. Dementsprechend zufrieden zeigte sich auch der Bundestrainer: "Wie Lukas mit unglaublicher Schnelligkeit in die Tiefe sprintet, ein Tor selbst macht und andere vorbereitet über die linke Seite – das ist schon gefährlich." Joachim Löw weiß genau, wie wichtig Podolski für das deutsche Spiel ist, auch wenn es die Kritiker des Kölners nicht wahr haben wollen.
Vorurteile und unfaire Vergleiche
Die dürfte die Leistung gegen Aserbaidschan, wenn überhaupt, nur bis zum nächsten misslungenen Auftritt verstummen lassen. Sie sehen nur ihr Bild von Podolski als Schönwetterspieler und Spezialisten für Fußballzwerge bestätigt – ein Vorurteil, das sich seit einem Ausraster von Podolskis ehemaligem Arbeitgeber Uli Hoeneß ("Das Problem ist, wenn man gegen Liechtenstein zwei Tore macht, wird man hochgejubelt") hartnäckig hält. Dieses Label wird aber einem Spieler, der es im Alter von 25 Jahren schon auf 20 Spiele und 8 Tore bei Welt- und Europameisterschaften bringt, nicht annähernd gerecht.

... und FC-Frust: Findet Podolski seinen van Gaal, kann er diesen Teufelskreis durchbrechen.
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Sicher, Lukas Podolski hat trotz seiner Erfolge bislang nicht die Karriere hingelegt, die sich Fußball-Deutschland von einem Wunderkind erwartet, das den 1. FC Köln in der Saison 2004/2005 mit 24 Toren in 30 Spielen fast im Alleingang zum Aufstieg in die erste Liga schoss. Deswegen trifft der Vorwurf, nicht genug aus seinem Talent gemacht zu haben, den Kölner nicht zu Unrecht. Der Vergleich zu Bastian Schweinsteiger, der in der letzten Saison zu einer Führungsfigur und bei der Weltmeisterschaft in Südafrika zum Weltstar gereift ist, ist schnell bei der Hand. Aber nur wenn man diesen Vergleich oberflächlich zieht, wird man ihn zuungunsten Podolskis auslegen.
Was in diesem Zusammenhang gern vergessen wird, ist der Fakt, dass es einen Geniestreich Louis van Gaals brauchte, um aus einem verheißungsvollen Talent den Schweinsteiger zu machen, der er heute ist. Er erkannte die wahren Fähigkeiten des Münchners und versetzte ihn in die defensive Mittelfeldzentrale, die im modernen Fußball so eminent wichtig ist.
Die Position ist das Problem
Lukas Podolski hatte dieses Glück bislang nicht. Joachim Löw findet zwar die richtige Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche, um Topleistungen aus dem 25-Jährigen herauszukitzeln. Die passende Position bietet er Podolski allerdings nicht. Zu oft muss der defensiv limitierte Instinktfußballer einen klassischen Mittelfeldspieler geben und ist mit dieser Aufgabe schlicht überfordert. Gegen Aserbaidschan war das kein Problem, da die Osteuropäer keine nennenswerten Offensivaktionen starteten. Außerdem stellte Löw Podolski den Ruhepol Philipp Lahm zur Seite. Gegen starke Gegner ist selbst Lahm allerdings mit der Zusatzarbeit überfordert, man denke nur an das EM-Halbfinale 2008 gegen die Türkei.
Löw wird sich also von Spiel zu Spiel entscheiden müssen, was er für seine Spielausrichtung dringender braucht: einen sprintstarken und schussgewaltigen Offensivmann, der in der Defensive seine Schwächen hat, oder einen systemtreuen Spieler wie Toni Kroos, der dafür weniger Torgefahr ausstrahlt.
Soldo findet keine Lösung
Auch in Podolskis Verein liegt die Problemlage ähnlich. FC-Trainer Zvonimir Soldo, der nach nun 36 Erstliga-Spielen immer noch keine klare taktische Ausrichtung gefunden hat, hat es bislang nicht vermocht, seinen Star gewinnbringend einzusetzen. Oft alleingelassen und gefangen im meist defensiven FC-Korsett, macht Podolski dabei nicht selten einen unglücklichen und unmotivierten Eindruck. Vom faulen Prinz Poldi ist dann die Rede, und abgehalfterte Experten wie Udo Lattek schütten kübelweise Hohn über dem Stürmer aus ("Woran merkt man in Köln, dass Donnerstag ist? Lukas Podolski kommt das erste Mal zum Training.").
Und nicht nur die FC-Fans dürften sich dann wünschen, dass endlich ein Louis van Gaal erscheine, um das Versprechen einzulösen, das Lukas Podolski noch immer ist.
Quelle: ntv.de