Fußball

Legende, Legia und Olympia Polens hässlicher Kampf gegen die LGBT-Community

Auch Polens Legende Boniek steht im Mittelpunkt des Skandals.

Auch Polens Legende Boniek steht im Mittelpunkt des Skandals.

(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)

Die Olympischen Winterspiele in Peking sind ein Politikum. Doch wie ein Blick ins Nachbarland Polen zeigt, versuchen auch die dort regierenden Nationalkonservativen den Sport für ihre politischen Zwecke zu missbrauchen. Ihr Hauptfeind: Die LGBT-Community.

Wie politisch ist der Sport? Wie sehr versuchen Politiker und Parteien den Sport für ihre Zwecke zu missbrauchen? Es sind Fragen, die nicht nur durch die momentan stattfindenden Olympischen Winterspiele in Peking von Brisanz sind, sondern immer wieder und natürlich auch in Europa. Ein gutes Beispiel dafür ist Deutschlands Nachbarland Polen.

Im Sommer, während der Spiele in Tokio, sorgten dort die Coming-outs zweier Athletinnen für Debatten, die weit über die sportlichen Belange hinausgingen. Grund dafür war Staatspräsident Andrzej Duda. Eigentlich ist der sportbegeisterte Politiker dafür bekannt, dass er polnischen Athleten bei Erfolgen schneller gratuliert, als ein Liveticker die Ergebnisse verkündet. Doch als eine der zwei Athletinnen in Tokio Bronze gewann, ließ sich Duda mit seinen Glückwünschen erstaunlich lange Zeit. Im Präsidentschaftswahlkampf 2020 sorgte Duda noch mit LGBT-feindlichen Aussagen weltweit für Schlagzeilen.

Skandal um geleakte Mails

Wie sehr die Nationalkonservativen den Sport für ihre LGBT-feindliche Kampagne zu nutzen versuchen, offenbarte in der vergangenen Woche nun ein weiterer Skandal. In dessen Mittelpunkt stehen Mariusz Chłopik, der im September vergangenen Jahres ins Management des krisengeschüttelte Topvereins Legia Warschau wechselte, die polnische Fußball-Legende Zbigniew Boniek, die Windsurferin Zofia Noceti-Klepacka, sowie der private E-Mail-Account von Michał Dworczyk, dem Chef der Staatskanzlei.

Die E-Mails des nationalkonservativen Politikers sorgen zwischen Oder und Bug seit dem Sommer für Schlagzeilen. Verantwortlich dafür sollen russische oder belarussische Hacker sein, die sich Zugang zu dem elektronischen Briefverkehr Dworczyks verschafft haben und diesen seit Monaten unter dem Titel "Poufna Rozmowa" (Vertrauliches Gespräch) auf einer eigenen Internetseite sowie anderen Plattformen wie dem Messengerdienst Telegram verbreiten. Seitdem bekommen die Polen nicht nur einen Einblick darauf, wie wenig sich die Regierungspolitiker um Cybersicherheit kümmern und selbst hochbrisante politische Themen über ihre privaten Mails abarbeiten, sondern auch in deren Personalpolitik, ihre Einflussnahme auf die staatlichen Medien oder wie sie mit deren Hilfe auch Diffamierungskampagnen gegen unliebsame Richter und Oppositionspolitiker geplant und durchgeführt haben.

Hetzkampagne mit Sport-Promis

Eine Rolle spielte in mehreren Mails der bereits erwähnte Mariusz Chłopik. Was wenig verwunderlich ist. Bevor der Schwiegersohn eines ehemaligen PiS-Gesundheitsministers zu Legia Warschau kam, war er nicht nur Bankmanager, sondern auch Kommunikationsberater von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. In der Funktion soll er sich laut geleakter Mails unter anderem beim TVP-Intendanten Jacek Kurski für eine Diffamierungskampagne gegen bestimmte Richter eingesetzt haben. Letzte Woche wurde nun bekannt, dass Chłopik offenbar auch an einer Diffamierungskampagne gegen die LGBT-Community beteiligt war. "Ich glaube, wir müssen mehr Personen aus der Welt der Promis finden, die LGBT kritisieren werden. Bisher gelang es uns mit Boniek und Klepacka", schrieb dieser im März 2019 in einer Mail, die unter anderem an Dworczyk, Ministerpräsident Morawiecki und weitere wichtige PiS-Politiker und deren Spin Doctors adressiert war. Im Anhang befand sich noch ein Screenshot eines LGBT-kritischen Artikels der Boulevardzeitung "Super Express".

Obwohl Chłopik zu dem Zeitpunkt noch nicht bei Legia Warschau tätig war, sind die Enthüllungen für den Spitzenverein aus der polnischen Hauptstadt mehr als peinlich. Denn die von Chłopik mitkoordinierte Anti-LGBT-Kampagne war eine Antwort auf die Politik des liberalen Warschauer Bürgermeisters Rafał Trzaskowski, der durch die Einführung der sogenannten "LGBT-Charta" die Hauptstadt für sexuelle Minderheiten freundlicher machen wollte. Warschau als Stadt ist aber auch ein wichtiger Geldgeber des polnischen Rekordmeisters Legia. Die Stadt finanzierte vor zehn Jahren den Neubau des Stadions. Zudem schloss die Stadt mit Legia einen Werbevertrag ab.

Staatskonzerne und der Sport

Bei den Umständen ist es nicht verwunderlich, dass das Warschauer Rathaus schon kurz nach der Veröffentlichung der Mails von Legia eine Aufklärung verlangte. Die es wohl aber nicht geben wird. Ohne die Authentizität der Mails zu verneinen, trat Chłopik Ende letzter Woche von seinem Amt zurück. Doch offene Fragen bleiben um die in den Mails erwähnten Sport-Promis Zbigniew Boniek und Zofia Noceti-Klepacka. Beide erklärten zwar öffentlich, sich nicht von Chłopik für irgendwelche Kampagnen eingespannt haben zu lassen, doch Tatsache ist, dass beide in den vergangenen Jahren durch LGBT-feindliche Aussagen negativ aufgefallen sind. Besonders die Windsurferin Klepacka avancierte durch diese zu einer Heldin der Nationalkonservativen.

Fakt ist zudem, dass beide von Geldern staatlicher Konzerne profitierten, an deren Spitze PiS-Vertraute stehen. Der ehemalige Juve-Star Zbigniew Boniek fiel zwar öfters durch PiS-kritische Aussagen auf, gleichzeitig war er aber auch bis Herbst letzten Jahres Präsident des polnischen Fußballverbandes PZPN. In seiner Amtszeit wurde die staatliche Bank PKO, bei der auch Chłopik als Manager tätig war, Titelsponsor der Ekstraklasa. Der staatliche Mineralölkonzern Lotos ist wiederum Hauptsponsor der polnischen Nationalmannschaft. Noceti-Klepacka wird dagegen vom staatlichen Energiekonzern PGE gesponsert.

Lewandowski vertritt das andere Polen

Und dies ist im polnischen Sport kein Einzelfall. Das Sponsoring polnischer Staatsunternehmen ist allgegenwärtig. In einem Umfeld, in dem man sich mit sexuellen Minderheiten schwertut. So gehören homophobe Plakate immer noch zum alltäglichen Repertoire polnischer Ultras. Regierungsnahe Medien echauffieren sich regelmäßig über regenbogenfarbene Kapitänsbinden, Flaggen und andere "LGBT-Propaganda" in westlichen Stadien. Und die Frage, wie man mit einem schwulen Mitspieler in der Kabine umgehen würde, war über Jahre Standard in den Interviews einiger polnischer Sportmedien.

Dass sich aber etwas tut, bewies Bayern-Stürmer Robert Lewandowski. Als der Kapitän der polnischen Nationalmannschaft im vergangenen August bei einer Pressekonferenz gefragt wurde, ob er auch eine regenbogenfarbene Armbinde tragen würde, erklärte er: "Jeder von uns ist ein Mensch. Jeder hat Emotionen, jeder verdient es unterstützt zu werden. Daher sehe ich da auch kein Problem". Übertragen wurde die Pressekonferenz vom staatlichen TVP.

Quelle: ntv.de

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