Hamburg-Derby endet im Remis Polizei zufrieden, HSV frustriert
30.09.2018, 21:26 Uhr
Richtige Freude wollte bei den Spielern des HSV nach Abpfiff nicht aufkommen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Dank eines starken Polizei-Aufgebots bleibt das Derby zwischen dem Hamburger SV und dem FC St. Pauli von Ausschreitungen verschont. Dafür könnte sich aber die Ergebniskrise des HSV zu einem sportlichen Brandherd entwickeln.
Der Frust war Lewis Holtby anzusehen. Der Abpfiff lag wenige Minuten zurück, die Pfiffe der enttäuschten Fans waren kaum verklungen, als der Mittelfeldspieler wutentbrannt Richtung Kabine stampfte. Die Chance, nach zwei sieglosen Spielen in der zweiten Fußball-Bundesliga mit dem katastrophalen 0:5 gegen den SSV Jahn Regensburg, mit einem Sieg im Derby für eine positive Stimmung zu sorgen, hatte der Hamburger SV dem 0:0 gegen den FC St. Pauli vertan.
Kaum Torchancen, wenig Spielfluss - die Partie war nicht nur vom Ergebnis, sondern auch fußballerisch eine Nullnummer. "Wir wollten unbedingt den Derbysieg", sagte Holtby, als er sich wieder beruhigt hatte. "Aber wir waren vorne einfach nicht konsequent genug." Ähnlich enttäuscht war Sportvorstand Ralf Becker: "Die Fans wollten, dass wir unbedingt den Sieg einfahren. Von daher ist es schade, dass wir ihnen diesen Wunsch nicht erfüllen konnten."
In dem ersten Derby seit Februar 2011 ging es aber um mehr als Sport. Die Zweitliga-Stadt Hamburg war im Ausnahmezustand, nicht nur am Spieltag, auch zuvor. Provokationen zwischen den Fans beider Klubs ließen befürchten, es könne zu Ausschreitungen kommen. Vor einer Woche hatten 30 Anhänger des FC St. Pauli sechs HSV-Ultras verprügelt und eine für das Derby geplante Choreographie beschädigt. Wenige Tage später hatte jemand St.-Pauli-Puppen an den Hamburger Brücken wie an einem Galgen aufgehängt.
1800 Polizisten sicherten den Spieltag am Sonntag ab, nicht nur rund um das Volksparkstadion, sondern auch am Millerntor. Im Stadion des FC St. Pauli verfolgten 15.000 Fans das Derby auf einer Großleinwand. Beamte aus Bremen und Schleswig Holstein halfen aus. Die Polizei sperrte Straßen ab, um die Fan-Märsche abzusichern. Rund um das Stadion und auf dem Hamburger Kiez positionierte sie Wasserwerfer. Manch einer dürfte das an den G20-Gipfel von 2017 erinnert haben. Auch wenn der eine andere Dimension hatte.
Feuerwerk im Gästeblock
Der Aufwand lohnte sich: Abgesehen von ein paar "Stinkbomben" und etwas Feuerwerk im Gästeblock blieb der Spieltag von größeren Zwischenfälle verschont. "Das Konzept der Fantrennung ist voll aufgegangen", sagte der Hamburger Polizeipräsident Ralf Martin Meyer. "Auch das Ausschöpfen aller polizeilichen Möglichkeiten in Hinblick auf gewaltbereite Anhänger der beiden Vereine hat sicherlich zum Erfolg des Einsatzes beigetragen."
Weniger erfolgreich verlief der Tag für den Hamburger SV. Während der defensiv orientierte FC St. Pauli laut Torwart Robin Himmelmann "mit dem Punkt zufrieden" war, schlittert der HSV in eine Ergebniskrise: Seit drei Spielen wartet der Bundesliga-Absteiger nicht nur auf einen Sieg, sondern auch auf ein Tor. "Die Leichtigkeit des Offensivspiels ist uns verlorengegangen", sagte Trainer Christian Titz. Auch Becker fand klare Worte: "Wir schaffen es nicht, Torchancen zu entwickeln."
Eine bittere Erkenntnis für eine Mannschaft, die wohl den teuersten Kader der zweiten Liga hat. Allei aus wirtschaftlichen Gründen ist der HSV dazu verdammt, im Sommer 2019 wieder in die Bundesliga zurückzukehren. "Wir müssen die Probleme klar ansprechen und alles tun, damit wir unser Ziel erreichen", sagte Becker.
Holtby: Da kriege ich das Kotzen
Unruhe macht sich rund um den HSV breit. Die ersten Boulevard-Medien spekulierten bereits, wie viel Kredit der Trainer noch hat. Themen wie diese machen auch vor der Mannschaft nicht Halt. "Hier gibt es immer so viel Negatives, so viel Gegenwind", sagte Holtby. "Erst ist alles super und wir haben den Heilsbringer. Dann ist alles wieder scheiße. Dann wird da wieder etwas gesteckt und hier wieder etwas gesteckt. Da kriege ich das Kotzen. Das ist für eine junge Mannschaft wie unsere schwierig, weil die Spieler alles mitbekommen."
Der HSV steht zwar noch auf Tabellenplatz drei, könnte aber bereits am Montagabend diesen Rang an dem 1. FC Union Berlin verlieren. Und am Freitag wartet die nächste Aufgabe beim SV Darmstadt 98. "Nun heißt es Ruhe bewahren, Fresse halten und Gas geben", sagte Holtby. "Wir werden jetzt hier nicht alles in Frage stellen. Das wäre absoluter Nonsens." Möglicherweise ändert sich allerdings die Gefühlslage, sollte das nächste Erfolgserlebnis weiter auf sich warten lassen.
Quelle: ntv.de