Fußball

So läuft das Finale der Champions League Reals Ballett trifft Atléticos Duracell-Hasen

Auch auf diese beiden kommt es an: Reals Cristiano Ronaldo und Atléticos Diego Costa.

Auch auf diese beiden kommt es an: Reals Cristiano Ronaldo und Atléticos Diego Costa.

(Foto: imago/VI Images)

Es geht um die Krone des europäischen Fußballs, wenn heute die beiden besten Mannschaften Madrids in Lissabon aufeinandertreffen. Real gilt als Favorit, aber Atlético ist spanischer Meister. Und was macht Sami Khedira?

1. Welchem Verein sollte man die Daumen drücken?

Real - Atlético, Samstag, 20.45 Uhr

Real Madrid: Casillas - Carvajal, Varane, Ramos, Coentrão - Modric, Illarramendi (Khedira), di María - Bale, Benzema (Isco), Ronaldo. - Trainer: Ancelotti
Atlético Madrid: Courtois - Juanfran, Miranda, Godin, Filipe - Turan, Gabi, Tiago, Koke - Adrian (Costa), Villa. - Trainer: Simeone
Schiedsrichter: Björn Kuipers (Niederlande)

  Das kommt darauf an. Wer auf Glamour, Spektakel und Pomp steht, der unterstützt heute im Endspiel der Fußball-Champions-League (ab 20.45 Uhr/Liveticker bei n-tv.de und ZDF) das "Weiße Ballett". Wobei das Real Madrid aus dem Halbfinale gegen Bayern München nicht wirkte wie eine grazile Tanzkompanie - sondern eher wie die weiß-uniformierten Stormtroopers aus "Star Wars". Aber die Übersicht von Luka Modric, die Schnelligkeit von Gareth Bale und die Ballbehandlung von Cristiano Ronaldo sorgen weiterhin für die individuelle Klasse, die Real seit Jahrzehnten besonders macht.

Atlético stilisiert sich gern als Gegenentwurf zum VIP-Fußball des Stadtrivalen. "Wir sind das Team der Arbeiter", sagt Kapitän Gabi Fernández. Der Frontverlauf ist klar: Hier der Platzhirsch, da der Underdog. "Die Königlichen" gegen die "Matratzenmacher", der reiche Norden Madrids gegen den Süden, die wenigen Gewinner der spanischen Finanzkrise gegen die vielen Verlierer. Einer genauen Überprüfung hält das Schema nicht stand. Es stimmt, Real Madrid setzt so viel Geld um wie kein anderer Verein der Welt. Aber Atlético belegt immer noch Platz 20 dieser Liste. Unter den reichsten Klubs steht "Atléti" trotzdem am Ende der Transferkette. Die besten Spieler müssen verkauft werden - zuletzt Radamel Falcao, am Ende dieser Saison wohl Diego Costa.

Trotz alledem: Atlético hat in dieser Saison die Meisterscha ft gewonnen, als erstes Team seit Valencia 2004, das nicht Real Madrid oder FC Barcelona heißt. Der Erfolg hat sehr viel mit Trainer Diego Simeone zu tun. Er sei "die Batterie, die den Duracell-Hasen Atlético schneller und schneller macht", schrieb "AS". Sein Gegenüber Carlo Ancelotti lobt Simeones System in höchsten Tönen: "Perfekt im Positionsspiel, mit hundertprozentiger Konzentration und großartigem Charakter." Während der Italiener in Diensten von Real als eleganter Charmebolzen gilt, spricht Simeone die Sprache des einfachen Mannes. Nach dem Finaleinzug dankte er den Müttern seiner Spieler für die "großen Eier", die sie ihnen vermacht hätten. Superstars gegen eingeschworenes Team, reich gegen arm, Gentleman gegen Bulldozer - entscheiden Sie selbst.

2. Für wen spricht der Trend?

Geht es nach dem Wettanbieter bwin, ist Real in diesem königlichen Finale der klare Favorit. Für einen Euro gibt es im Falle eines Sieges im "Derbi madrileño en Lisboa" gerade einmal 1,91 Euro zurück. Wer auf Atlético setzt, bekommt das 3,8-fache. Was zumindest mit Blick auf die spanische Primera División ein wenig erstaunlich anmutet, schließlich hat sich Atlético in der just beendeten Saison zum ersten Mal seit 1996 den Meistertitel erkämpft - mit drei Punkten Vorsprung auf den FC Barcelona und eben Real, das am siebten Spieltag im September vergangenen Jahres wiederum erstmals seit 1999 ein Heimspiel im Bernabéu gegen den Nachbarn verlor. In der Rückrunde folgte dann im Estadio Vicente Calderón ein 2:2. In den beiden Halbfinalspielen des spanischen Pokals allerdings hatte Real die Nase vorne. Zu Hause gewannen die Königlichen mit 3:0, auswärts mit 2:0. Wohin geht also der Trend? Die einen sagen so, die anderen sagen so. Unentschieden geht’s jedenfalls nicht aus. Und der den deutschen Zuschauern aus Bremer und Wolfsburger Zeiten bestens bekannte Mittelfeldspieler Diego sagt: "Wir wollen Geschichte schreiben. Keiner von Real ist besser als einer von uns."

3. Auf welche Spieler kommt es an?

Voller Hoffnung: Atleticos Trainer Diego Simeone.

Voller Hoffnung: Atleticos Trainer Diego Simeone.

(Foto: dpa)

Bei Atlético dreht sich viel um Diego Costa, 25 Jahre alt.  Der spanische Nationalstürmer ist mit 27 Treffern in der Primera División und acht Toren in der Königsklasse der mit Abstand erfolgreichste Angreifer seiner Mannschaft. Allerdings hat er sich am Samstag vor einer Woche beim 1:1 im titelbringenden letzten Ligaspiel der Saison beim FC Barcelona einen Muskelfaserriss im rechten Oberschenkel zugezogen. Seitdem probiert er alles, um irgendwie doch noch rechtzeitig fit zu werden. So reiste er am Dienstag im Privatjet in Serbiens Hauptstadt Belgrad, um die Praxis der Ärztin Marijana Kovacevic aufzusuchen. Dort ließ er sich, wie es hieß, von der Frau mit dem Ruf einer Wunderheilerin mit Pferdeplazenta behandeln.

Am Donnerstag ließ Costa aus dem Trainingslager in den Bergen von Los Ángeles de San Rafael unweit von Madrid verlauten, er spüre keine Schmerzen mehr. Ob er heute im Sturm neben David Villa spielt? Trainer Diego Simeone hofft jedenfalls darauf. Als Ersatz stehen Raul Garcia und Adrián López Álvarez bereit.

Und bei Real? Freut sich der Portugiese Cristiano Ronaldo auf ein Heimspiel in Lissabon. Als er elf Jahre alt ist, kam er von der Blumeninsel Madeira in die Stadt, sieben Jahre spielte er dort für Sporting. Und hatte es anfangs nicht leicht. Die anderen Jungs machen sich über seinen Dialekt lustig, ein Wachstumsschub und Herzrhythmusstörungen stellen gar seine Laufbahn infrage. Er kämpfte sich durch und debütierte mit 17 für die "Leões", die Löwen. Mittlerweile darf er sich Weltfußballer nennen, hat auf dem Weg in dieses Endspiel 16 Tore geschossen und sagt: "Es wird ein ganz besonderes Finale, in meinem Land, in meiner Stadt." Zuletzt plagten ihn einige Wehwehchen, jetzt aber sei alles wieder prima. "Ich werde bei hundert Prozent sein."

4. Wer fehlt?

1990, WM-Halbfinale Deutschland gegen England. Paul Gascoigne kassierte eine Gelbe Karte - und begann zu weinen. Er wusste: Wenn sein Team ins Finale kommen würde, dann ohne ihn. 2002, WM-Halbfinale Deutschland gegen Südkorea. Michael Ballack unterbrach beim Stand von 0:0 einen Konter mit einem taktischen Foul, obwohl ihm eine Gelbsperre drohte - und sah Gelb. Zwei Minuten später schoss er das Siegtor. Im Finale fehlte Ballack, Deutschland verlor gegen Brasilien.

Die Liste ließe sich noch lange weiter führen. Roy Keane verpasste das legendäre Champions-League-Finale 1999 zwischen Manchester United und Bayern München, und sagte später: "Es war das schlimmste Erlebnis meiner Karriere." Das lässt ahnen, wie sehr Xabi Alonso gelitten haben muss, als Pedro Proenca ihm im Rückspiel gegen die Bayern die Gelbe Karte zeigte. In der 38. Minute, als beim Stand von 3:0 für Real alles schon entschieden war. Für Alonso ist es eine persönliche Tragödie, für sein Team eine enorme Schwächung. Zumal auch Karim Benzema und Pepe fraglich sind. Der Franzose laboriert an einer Adduktorenverletzung und trainierte zuletzt nicht mit dem Team. Die "Marca" geht allerdings davon aus, dass er für das Spiel fit sein wird. Anders sieht es bei Pepe aus, der gegen Bayern so starke Innenverteidiger hat Wadenprobleme und wird es wohl nicht schaffen. Übersichtlicher ist die Lage bei Atlético: Alle Mann sind an Bord – bis auf Diego Costa. Fällt er aus, wäre es für das Team von Diego Simeone ein herber Rückschlag.

5. Was ist mit Sami Khedira?

Niemand kommt nach Madrid, ohne auf diese eine Aufgabe geeicht zu werden: "La Décima war immer mein Ziel", sagte Sami Khedira. Er steht kurz davor, es zu erreichen. Es wäre eine der schönsten Geschichte dieses Finals. Man kann es sich gar nicht häufig genug in Erinnerung rufen: Vor 188 Tagen lag der deutsche Nationalspieler auf dem Mailänder Rasen und hielt sich sein rechtes Knie. Kreuzband- und Innenbandriss, die Weltmeisterschaft schien passé. Jetzt könnte der Mittelfeldmann im Champions-League-Finale auf dem Platz stehen. Nach sechs Monaten Reha und gerade einmal zwei Einsätzen in den letzten beiden Ligaspielen. In der Startelf wird Khedira allerdings wohl nicht auftauchen. "Er hat gut gespielt, aber im Moment hat Asier Illarramendi größere Chancen zu beginnen", sagte Trainer Carlo Ancelotti vor einer Woche. Allerdings habe er Vertrauen in den Deutschen. Das Nationalteam drückt Khedira die Daumen. Im Teamhotel in Südtirol schaut die Mannschaft gemeinsam das Finale. Teammanager Oliver Bierhoff hat schonmal sein Drehbuch präsentiert: "Mein Traum ist, dass er zum Einsatz kommt und in der 83. Minute das entscheidende Tor schießt."

6. Wie ist die Stimmung?

Darum muss sich niemand Sorgen machen. 61.000 Zuschauer passen ins wunderschöne Estádio da Luz zu Lissabon, ins Stadion des Lichts. 120.000 Fans aus dem 620 Kilometer entfernten Madrid werden in der portugiesischen Hauptstadt erwartet - dabei hat die Uefa den beiden Finalteilnehmern zusammen nur 34.000 Eintrittskarten zugestanden. Und auch am Cibeles-Brunnen in Madrid ist schon alles für die Siegesfeier der Königlichen bereitet. Doch auch die Party-Route von Atlético durch die spanische Hauptstadt steht für den Fall, dass die Elf von Trainer Diego Simeone das Trauma von 1974 besiegt. Vor fast auf den Tag genau 40 Jahren standen die Rojiblancos zum ersten und bis heute einzigen Mal im Finale der Königsklasse, das damals noch Europapokal der Landesmeister hieß. Und es war der deutsche Nationalspieler Hans-Georg "Katsche" Schwarzenbeck, der in Brüssel mit seinem Tor zum 1:1 kurz vor Ende der Verlängerung ein seinerzeit noch vorgesehenes Wiederholungsspiel für den FC Bayern erzwang. Das gewannen Franz Beckenbauer und seine Kollegen dann mit 4:0. Läuft es heute besser, ist Atlético nach Juventus Turin, Ajax Amsterdam, den Bayern und dem FC Chelsea der fünfte Klub des Kontinents, der darauf verweisen kann, in seiner Geschichte alle drei Europapokale gewonnen zu haben.

Quelle: ntv.de

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