"Kann der UEFA nicht recht sein" Rummenigge und das "große Problem des Fußballs"
29.03.2022, 18:27 Uhr
Karl-Heinz Rummenigge will neue Regeln für einen faireren Wettbewerb.
(Foto: Roland Weihrauch/dpa/Archivbild)
Karl-Heinz Rummenigge scheidet im Sommer 2021 als Boss des FC Bayern aus, doch der langjährige Vorstandsvorsitzende des Rekordmeisters ist natürlich weiter Teil des Fußballgeschäfts. Derzeit als Mahner und vermeintlicher Kämpfer für den fairen Wettbewerb.
Bayern Münchens ehemaliger Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge vermisst im Fußball die Konsequenzen aus der Corona-Pandemie. "Das große Problem des Fußballs ist, dass der Fußball nicht bereit ist, aus diesen Dingen Konsequenzen zu ziehen", sagte der 66-Jährige im Podcast TOMorrow - der Business & Style Podcast und fügte an: "Die Gehälter steigen nach wie vor, die Ablösesummen steigen nach wie vor und jede Industrie, die während einer Krise ihre Budgets hochfährt, wird dafür irgendwann eine Rechnung zahlen müssen."
Rummenigge hatte im Sommer 2021 nach zwei Jahrzehnten den Vorstandsvorsitz beim deutschen Rekordmeister FC Bayern an Oliver Kahn übergeben. In der Bilanz zur "Corona-Saison" 2020/2021 wies der Rekordmeister im vergangenen November für die FC Bayern München AG Gehaltskosten in Höhe von 348,9 Millionen Euro aus - ein Plus von 11 Prozent gegenüber der Vorsaison. Dennoch erwirtschaftete der Klub trotz gesunkener Einnahmen einen Gewinn.
"Kann der UEFA nicht recht sein"
Rummenigge nimmt auch die UEFA in die Pflicht. "Es könnte, glaube ich, jetzt der große Wurf sein, in dem man den Klubs Werkzeuge an die Hand gibt, was seriöseres Finanzieren betrifft, was zum Beispiel Verschuldungsgrade betrifft. Nicht mehr ausgeben als man einnimmt. Das ist der Sinn vom Financial Fairplay", sagte der Europameister von 1980.
Ein Problem sei die englische Premier League. "Die Premier League treibt im Moment den Fußball, insbesondere in Europa, vor sich her. Sie sind zwar auf Top-Niveau, aber das kann der UEFA nicht recht sein, dass eine Liga eine solche Dominanz mittlerweile ausübt", sagte Rummenigge und ergänzte: "Der einzige Klub, der noch mithalten kann, ist ein französischer Klub namens Paris."
Die 50+1-Regeln in Deutschland sieht er als "ein Riesen-Riesen-Handicap". Die große Frage, die man sich in der Bundesliga stellen müsse, "wie lange können wir uns mehr Tradition als Wettbewerbsfähigkeit leisten?" Laut Rummenigge sei "die Tradition ein hohes Gut in unserem Land, das von gewissen Fans auch sehr geschätzt wird. Aber wenn wir 50+1 nicht irgendwann in eine Passform bringen, so dass trotzdem Investoren in die Bundesliga investieren dürfen, dann stellt sich die Frage, wie lange die Bundesliga die Wettbewerbsfähigkeit aufrecht erhalten kann." Die internationalen Wettbewerbe würden "nur auf dem Transfermarkt entschieden werden", sagte Rummenigge, "und da können wir mit den Engländern nicht mithalten."
"Relikt aus alten Tagen"
Beim amtierenden Champions-League-Sieger FC Chelsea pumpte der Russe Roman Abramowitsch als Eigentümer in den vergangenen rund 20 Jahren viele Milliarden Pfund in den Kader, am Ende stand der große Triumph - und die gewaltige Sorge um die Zukunft: Wegen seiner Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin wurde der Oligarch jüngst von der britischen Regierung persönlich mit Sanktionen belegt. Abramowitsch muss den Klub verkaufen, der Champions-League-Sieger darf nur mit einer Sondergenehmigung weiterspielen. Die Ausgaben müssen bis zu einem Verkauf radikal gedeckelt werden, der Abgang mehrerer Leistungsträger im Sommer ist wohl unvermeidbar.
Die 50+1-Regel gilt Fans und vielen Funktionären als Bastion gegen den ungehemmten Einfluss von Investoren auf den Wettbewerb. Als zentrale Ziele der Regel hatte der DFB bei ihrer Einführung 1998 formuliert, "formuliert, dass „die organisatorische Verbindung von Leistungssport (Lizenzmannschaften) und Breitensport gewährleistet“ bleibt und „die Ausgliederung möglichst neutral für die Wettbewerbssituation der Bundesligen und der verbandlichen Strukturen“ zu gestalten ist." Für Rummenigge ist die Regel schlicht "ein Relikt aus alten Tagen."
Die Premier League steht unter Druck, weil auch aufgrund wachsweicher, eher inexistenter Vorgaben Investoren in die Liga kommen, an deren moralischer Integrität mindestens berechtigte Zweifel bestehen. So ist der Traditionsklub Newcastle United seit Kurzem im Besitz eines saudischen Staatsfonds, der direkt mit Kronprinz Mohammed bin Salman in Verbindung zu bringen ist. Das führte kurz nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine zu dem für die Liga enorm peinlichen Match zwischen Abramowitsch-Klub Chelsea und Newcastle United und dem Investment der Scheichs, die wenige Tage zuvor 81 Menschen öffentlich hatte enthaupten lassen. Es war der blutigste Tag der Geschichte des Königreichs Saudi-Arabiens.
Quelle: ntv.de, ter/sid