Fußball

Neuer Ärger um Abramowitsch-Klub Dieses Fußballspiel steht im Zeichen des Todes

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Vielen Fans ist es schlicht egal, wer ihre Spieler und Stadien und Erfolge bezahlt.

(Foto: picture alliance / Newscom)

Die englische Premier League ist die beste Fußball-Liga der Welt. Doch der russische Angriff auf die Ukraine hat den Blick auf die Liga geändert. Auch, weil es am Wochenende zu einem Fußball-Spiel im Zeichen des Todes kam. Mit einem neuen Vorschlag zieht Chelsea weiteren Unmut auf sich.

Vielleicht können sie nicht anders. Vielleicht nehmen sie die Opferrolle dankbar an. Vielleicht sind es die letzten Hilferufe eines in Zeitlupe von einem riesigen Wolkenkratzer stürzenden Giganten. Noch ist alles unklar. Doch die Welt des englischen Traditionsvereins Chelsea ist aus den Fugen geraten. "Romans Königreich" ist schneller eingestürzt als sich die SPD von Ex-Kanzler Gerhard Schröder distanziert hat.

Und so lamentieren Welttrainer Thomas Tuchel und der FC Chelsea weiter über die harten Auswirkungen der Sanktionen für den russischen Noch-Eigentümer Roman Abramowitsch auf den englischen Traditionsklub. Nun will der amtierende Champions-League-Sieger das kommende FA-Cup-Spiel beim FC Middlesbrough hinter verschlossenen Türen austragen: aus Gründen der "sportlichen Integrität". Die englische Regierung reagiert erbost, der Gegner, Middlesbrough spricht von einem "bizarren Vorschlag" ohne "jede Grundlage".

Chelsea darf aufgrund der Sanktionen bekanntlich keine Eintrittskarten für zukünftige Spiele mehr verkaufen und überhaupt nur dank einer Sonderlizenz weiterspielen. Der Verein der deutschen Nationalspieler Antonio Rüdiger, Kai Havertz und Timo Werner arbeitet an einer Lösung mit den Behörden, um zumindest die Zuschauer zurückzubringen. Die Behörden verharren auf dem Standpunkt, dass Abramowitsch keinen Penny mehr an dem Klub verdienen darf.

"Bizarr und unbegründet"

Da die Positionen verhärtet sind, will Chelsea den kommenden Gegner ebenfalls abstrafen. Der soll sein Spiel gegen die Blues eben vor verschlossenen Türen austragen, forderte der Klub und brachte damit alle gegen sich auf. "Dieser Vorschlag ist sowohl bizarr als auch völlig unbegründet", teilte Middlesbrough in einem Statement mit. Allen Beteiligten seien die Gründe für die Sanktionen klar und eine Bestrafung der Gastgeber entbehre daher "jeder Grundlage" und es sei daher "äußerst ironisch", wenn Chelsea sich nun auf die "sportliche Integrität" berufe, um ein Spiel hinter verschlossenen Türen zu fordern.

"Chelsea sollte sich weniger damit beschäftigen, ob ein paar Tausend Fans bei einem Spiel dabei sein können und sich darauf konzentrieren, den Verein in die Hände einer Person abzugeben, die keine Verbindung zu einem Kriegstreiber hat", zitierte "Politico" eine Quelle aus der britischen Regierung. Das Statement zeige zudem, dass Chelsea nicht verstanden habe, in welch schwieriger Situation sich der Verein befindet, so die Quelle weiter. Anders als die britische Regierung reagierte der englische Fußballverband FA bislang noch nicht. Man wolle darüber bald entscheiden, hieß es, während das Geraune in der englischen Medienlandschaft nahelegte: Chelseas Vorschlag kommt nicht so gut an. Dieses Geraune erreichte im Laufe des Tages auch den Klub, der den Antrag am Abend zurückzog. Der Ärger blieb.

Das Spiel im Zeichen des Todes

Ein Stück nördlicher als Middlesbrough liegt die alte Industriestadt Newcastle, dessen lokaler Klub jahrelang von der Sehnsucht nach einem neuen Eigentümer getrieben wurde. United befindet sich seit Herbst 2021 in den Händen eines saudischen Staatsfonds ist, der direkt mit Kronprinz Mohammed bin Salman in Verbindung zu bringen ist. Und der nun als "reichster Klub der Welt" unter den "Wir haben mehr Geld als ihr"-Gesängen der mitgereisten Fans am Sonntag in London auf Chelsea traf.

Es war ein Spiel im Zeichen des Todes. Ein Krieg und 81 Tote war die Überschrift über dem Duell der britischen Traditionsvereine, die sich an die dunkle Seite verkauft haben und deren Fans, aber auch Funktionäre davon wenig wissen wollen. Saudi-Arabien hatte am Samstag 81 Menschen an einem einzigen Tag hinrichten lassen. Es war der blutigste Tag der Geschichte des Königreichs Saudi-Arabiens.

Zu diesem barbarischen Akt sollte sich Newcastle-Trainer Eddie Howe nach dem 0:1 bei Chelsea äußern. Doch der gab sich betont unpolitisch. "Ich werde nur Fragen zum Spiel und zum Fußball beantworten", antwortete der 43-jährige, der sich mit seinem Wechsel zu den "Magpies" nach der Klub-Übernahme bewusst auch für das saudische Blutgeld entschieden hatte. Davon wollte er jedoch nichts wissen. Er sei nur bei Newcastle, um die Fußballmannschaft zu trainieren. "Ich weiß sehr wohl, was in der Welt vor sich geht, aber ich konzentriere mich darauf, eine Mannschaft zu formen, die Fußballspiele gewinnt."

Eine Antwort, die nicht überall gut ankam. "Eddie Howe muss in den kommenden Tagen eine Entscheidung treffen. Die wird darüber entscheiden, ob er ein Mann mit Prinzipen oder ein Sündenbock für seine saudischen Auftraggeber ist", kommentierte der "Mirror": "Der Newcastle-Trainer hat die Wahl, eine ehrliche Meinung zur Hinrichtung von 81 Männern durch Saudi-Arabien am Wochenende zu äußern. Er kann sich zu den saudischen Bombenangriffen auf den Jemen äußern. […] Oder er kann sich hinter der Erklärung verstecken, dass er nur ein Fußballtrainer ist, der Chris Wood dazu bringen soll, Tore zu schießen und Allan Saint-Maximin, mehr Defensivarbeit zu leisten."

Tuchel kritisiert Regierung

Das Spiel gegen Newcastle United war für Chelsea das vorerst letzte Heimspiel an der Stamford Bridge vor ausverkauftem Haus. Die Tickets waren bereits verkauft, bevor die Sanktionen Abramowitsch und somit auch Chelsea trafen. Bei den nächsten Ligaspielen werden nur die Dauerkarten-Inhaber Zutritt zum Stadion nahe der Themse finden. Auch Tickets an Auswärtsfans werden nicht mehr verkauft. Das hatte jedoch nicht zu einem weiteren Chelsea Antrag geführt. Sie hatten nie darauf gepocht, auch die Heimspiele aus Gründen der "sportlichen Integrität" vor leeren Rängen zu spielen. Dabei wäre das aufgrund der Argumentation für das Spiel bei Middlesbrough mehr als naheliegend. Es hätte zumindest auch den Abramowitsch-Rausch der Chelsea-Fans stoppen können.

Am Sonntag hatten die Anhänger der Blues nämlich den Namen Abramowitschs skandiert. Zudem hatte der Verein nichts gegen ein Banner für den sanktionierten Eigentümer unternommen. So war an der Stamford Bridge ein in den russischen Nationalfarben gehaltener Fetzen Stoff mit der Aufschrift "The Roman Empire" (Romans Königreich) zu sehen. Die Gesänge hatten bei der britischen Regierung für Verstimmung gesorgt.

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"Es ist Zeit, dass das aufhört. Wir erkennen die starken Gefühle der Menschen für ihren Verein an, aber das entschuldigt kein Verhalten, das momentan vollkommen unangemessen ist", hatte ein Sprecher von Premierminister Boris Johnson zu Wochenbeginn erklärt. Nicht unbedingt zur Freude von Thomas Tuchel, der auf der Pressekonferenz vor dem Champions-League-Spiel in Lille die Motive der Regierung infrage stellte.

"Ich weiß nicht, ob das in diesen Zeiten zu den wichtigsten Dingen gehört, die im Parlament diskutiert werden müssen", sagte Tuchel: "Ich weiß nicht, ob die Diskussion über Fangesänge im Parlament bedeutet, dass wir uns über die Prioritäten dieser Regierung Sorgen machen müssen. Ich brauche dazu keinen Kommentar abzugeben. Es gibt wichtigere Dinge zu besprechen und zu erledigen." Da war Tuchel auf einer Linie mit der Regierungsquelle von "Politico", die eben die Dringlichkeit eines Besitzerwechsels herausstellte. Eine saudische Investorengruppe soll sich für den FC Chelsea interessieren.

Quelle: ntv.de

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