Die Aufstellung von Borussia Dortmund ergibt sich dieser Tage fast von selbst - wer fit ist, kommt zum Einsatz. Entsprechend groß ist die Erleichterung nach dem Sieg gegen Sturm Graz. Zum Matchwinner wird dabei der einzige gestandene Profi, der es nicht in die Startelf geschafft hat.

Der neuerliche Sieg der Mentalität war besser als jede Eistonne oder Wadenmassage. Als der schweigsame Matchwinner Donyell Malen sein silbernes Köfferchen in einen Van lud und sich in eine eiskalte Nacht chauffieren ließ, hatte Borussia Dortmund auf der letzten Rille das Schlimmste überstanden - und ein verlorenes Selbstverständnis wiedergefunden.

"Einmal noch", sagte Trainer Nuri Sahin nach dem zweiten Sieg seiner Not-Elf innerhalb von vier Tagen beschwörend. "Einmal müssen wir noch! Ich kann keine Pause geben." Also: Noch am Samstag (15.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei ntv.de) in Mainz gewinnen, endlich ein Auswärtssieg, dann ist das ersehnte Ziel Länderspielpause erreicht. "Dann sind wir wieder da, auch in der Bundesliga oben dran und können durchatmen", betonte Sahin. Und die vielen Wunden lecken: Gegen Sturm Graz (1:0) hatten in der Champions League wieder neun verletzte Spieler gefehlt.

Der BVB scheint aber plötzlich Widerstände zu überwinden und Kraft aus der Not zu ziehen. Die "Vorlage" zu Malens Siegtor hatte Sahin quasi selbst gegeben: Er machte dem Niederländer nach dessen ungenügender Leistung im Pokal beim VfL Wolfsburg (0:1 n.V.) eine klare Ansage. Gegen RB Leipzig (2:1) und auch am Dienstag setzte er Malen als einzigen gestandenen Profi auf die Bank, mitten in eine Reihe unerfahrener Jünglinge.

Die Maßnahme zeigte Wirkung. Malen, der den BVB angeblich weiterhin verlassen will, schmollte nicht, sondern belebte nach seiner Einwechslung das Spiel. Der 25-Jährige traf erlösend (85.) - und er klärte in der Nachspielzeit im eigenen Strafraum. "DAS ist der Donny, den ich sehen will", lobte Sahin, "dann wird man auch mit einem Tor belohnt. Das freut mich für ihn."

Erstmals seit sieben Wochen kassiert der BVB kein Gegentor

Für Sahin selbst war der Sieg auch stabilisierend. Vor dem Duell mit Leipzig hatte er gewankt, inzwischen steht er wieder fest verwurzelt da. "Dass diese Mannschaft dieses Spiel am Ende noch gewinnt, zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind", lobte Sportdirektor Sebastian Kehl. Mit neun Punkten aus vier Champions-League-Spielen sei das Ziel, "das Bestmögliche rauszuholen und die Extraspiele in den Play-offs zu umgehen". Dafür muss der BVB in der neuen 36er-Ligatabelle unter die besten acht Mannschaften kommen.

Für den optimistisch schlank aufgestellten Kader wäre es ein Segen. "Julian Brandt ist am Anschlag. Serhou Guirassy ist am Anschlag", zählte Sahin auf, der starke Nico Schlotterbeck zeigte sich beeindruckt von seinen Teamkollegen. Für ihn selbst sei das Pensum als Innenverteidiger nicht so schlimm, "aber was die Jungs da vorne leisten, das ist Wahnsinn".

Andererseits profitiert der BVB auch von einer stärkeren Defensive. Schlotterbeck harmoniert sehr gut mit Kapitän Emre Can, der eigentlich auch nur ein Nothelfer in der Viererkette ist. Ergebnis war das erste Dortmunder Spiel ohne Gegentor seit sieben Wochen. Auch das: besser als jede Muskelkatersalbe. Und in Mainz sollen die ersten Rekonvaleszenten immerhin wieder im Kader stehen.