"Schwuchtel, Hurensohn" Herthas Reese sendet emotionalen Weckruf nach üblen Beschimpfungen
20.07.2024, 17:28 Uhr
Fabian Reese musste gegen Cottbus verletzt vom Platz und spricht nun Klartext.
(Foto: IMAGO/Contrast)
Hertha-Star Fabian Reese klagt an: Nachdem er im Spiel bei Energie Cottbus rüde umgetreten wird, soll er von gegnerischen Fans derbe beleidigt worden sein. Der Berliner Kapitän appelliert an die Werte des Fußballs - und sendet einen eindringlichen Weckruf nach unschönen EM-Erlebnissen.
Fabian Reese ist der Kapitän und der beste Spieler von Hertha BSC und musste unter der Woche einen bitteren Rückschlag hinnehmen: Im Testspiel bei Energie Cottbus verletzte der 26-Jährige sich durch ein brutales Foulspiel von Filip Kusic und musste mit einem dicken Sprunggelenk bereits in der 16. Minute ausgewechselt werden. Nun meldet sich Reese in den Sozialen Medien mit einem emotionalen Appell, weil er keine Entschuldigung von Kusic erhalten habe - und zusätzlich beim Gang vom Platz noch von Fans von Energie wüst beschimpft worden sei.
In einer Story auf Instagram meldete sich der Linksaußen, der in der vergangenen Saison in 35 Pflichtspielen 13 Treffer erzielt und 17 Tore vorbereitet hatte, am Nachmittag mit so eindringlichen wie wichtigen Worten. Zunächst erklärte der Berliner: "Wir alle lieben diesen Sport und er gehört wie Essen und Trinken zu unserem Leben." Fußball sei sein Elixier und dafür würde er leiden, so Reese. Dann aber kam er auf die Werte des Sports zu sprechen und die Fairness, die "eine ganz zentrale Rolle" einnähme.
Es sei wichtig, schrieb Reese, "dass der Sport, den wir alle so lieben, diese Werte beibehält und beschützt. Dazu zählt auch, dass man sich nach einem Foul die Hand gibt, sich entschuldigt und das Thema wieder geklärt ist." Das ist aus Sicht des Gefoulten anscheinend nicht passiert. "Wenn das nicht der Fall ist und auch nach dem Spiel weder in der Kabine noch per Nachricht einmal ein 'Sorry, es tut mir leid' kommt, verlieren wir auf lange Sicht das Wertegerüst für unseren Sport aus den Augen."
"Hass nicht als Ventil im Fußball"
Doch nach diesen wachrüttelnden Worten ist Reese längst nicht fertig. Er beschrieb auf einer weiteren Tafel seiner Story das "sehr schreckliche Gefühl", das ihm zuteilwurde, als er "vor Schmerzen" ausgewechselt werden musste und sich eine Ungewissheit über ihn legte, wie lange er wohl nicht spielen werden könne.
"Wenn man dann gestützt in die Kabine an den gegnerischen Fans vorbeigeht und dutzende Schreie wie 'Schwuchtel, Hurensohn' und noch deutlich schlimmere Beschimpfungen an den Kopf bekommt", appellierte Reese, "entfernen wir uns vor diesem Wertegerüst." Der Hertha-Kapitän forderte, dass der "Hass nicht als Ventil im Fußball" genutzt werden dürfe und man stattdessen "den Fußball hochleben lassen" solle.
Reeses Worte wirken wie ein Weckruf für mehr Miteinander und gegen den Hass knapp eine Woche nach dem Ende der Europameisterschaft in Deutschland, die neben tollem Fußball auch viele hässliche Momente offenbarte. Denn die EM besuchten auch Extremisten und Nationalisten aus verschiedenen europäischen Ländern. In der Vorrunde zeigten Balkan-Streitigkeiten tief sitzenden Hass, etwa als während des Spiels zwischen Kroatien und Albanien in Hamburg Fans beider Teams sangen: "Tötet, tötet, tötet den Serben". Oder als in Gelsenkirchen und München serbische Banner eine Landkarte zierte, auf der Kosovo ein Teil Serbiens war. Dazu stand als Slogan geschrieben: "Keine Kapitulation".
Während im österreichischen Fanblock im Spiel gegen Polen in Berlin auf einem Plakat "Defend Europe" zu lesen war, ein Slogan von neu-rechten Bewegungen, etwa der rechtsextremen Identitären Bewegung (IB), zeigte der türkische Spieler Merih Demiral türkischen Fans den "Wolfsgruß", ein Symbol der rechtsextremen Grauen Wölfe. Da waren außerdem die ungarischen Fans, die den Hitlergruß zeigten, den in Deutschland nach dem Sylt-Video mancherorts verbotenen Gigi-D'Agostino-Song "L'amour toujours" sangen und beim Fan-Marsch vor der Partie gegen die DFB-Elf und anschließend im Stadion Banner mit der Aufschrift "Free Gigi" hochielten.
Werte des Sports erhalten
Auch deutsche Fans sangen rund um die EM immer wieder die rassistische Version des Gigi-D'Agostino-Songs und bereits vor dem Turnier hatten in einer repräsentativen Umfrage von Infratest dimap 21 Prozent der Befragten sagt, dass sie in der deutschen Nationalmannschaft lieber mehr weiße Spieler hätten. Anhängerinnen und Anhänger der DFB-Elf pfiffen im Halbfinale und Finale den Spanier Marc Cucurella vehement aus, nachdem sein unabsichtliches Handspiel im Viertelfinal-Aus der deutschen Mannschaft nicht gepfiffen wurde. Online wurden während EM in Deutschland mehr als 1000 Hasskommentare gegen die DFB-Elf gemeldet.
Wenn nun der verletzt vom Platz humpelnde Reese im LEAG Energie-Stadion von Cottbus, bis 2023 noch offiziell Stadion der Freundschaft, übel beschimpft wird, nimmt auch die neue Saison schon wieder unschöne Zügen. Hertha und Cottbus hegen eine nachbarschaftliche Rivalität, die in diesem Fall wohl wieder einmal nicht gesund ausgelebt wurde.
Fabian Reese selbst muss nach dem Foul ein beschädigtes Syndesmoseband und Innenband im rechten Knöchel auskurieren und sechs bis acht Wochen pausieren. Vielleicht gelingen ihm in dieser Zeit weitere treffende Worte, die die Werte des Sports ein kleines bisschen erhalten.
Quelle: ntv.de