Fußball

Die Kitschweltmeister aus dem Südpazifik Tahitis Kicker erobern die Herzen

Jonathan Tehau ist der Mann, der in der 57. Minute beim Stand von 0:3 diese Geschichte schrieb, die in die Geschichte eingehen wird, indem er nach einer Ecke den Ball aus spitzem Winkel ins gegnerische Tor köpfte.

Jonathan Tehau ist der Mann, der in der 57. Minute beim Stand von 0:3 diese Geschichte schrieb, die in die Geschichte eingehen wird, indem er nach einer Ecke den Ball aus spitzem Winkel ins gegnerische Tor köpfte.

(Foto: REUTERS)

Es ist nicht so, dass sie am Ball nichts können. Aber der Confed Cup ist für Tahitis Fußballer mindestens eine Nummer zu groß. Ist ihnen egal - sie schießen ein Tor, freuen sich wie Bolle und wandeln auf dem Grat zwischen Rührung und Kitsch.

Die Frage ist ja, was der Quatsch soll. Warum dürfen die mitspielen? Dass Tahitis Amateurfußballer bei diesem Confederations Cup in Brasilien überfordert sind, war klar. Und so haben sie auch gegen zeitweise lustlos wirkende Nigerianer ihr erstes Gruppenspiel in Belo Horizonte mit 1:6 verloren. Und es gehört nicht viel Scharfsinn zu der Prognose, dass der Meister aus Ozeanien am Donnerstag gegen Spanien und am Sonntag Uruguay ebenfalls kein Land sehen wird. Was soll das also? Das hat mit Spitzensport nichts zu tun.

Was soll also die Aufregung? Nur weil es Menschen gibt, die von der Geschichte des tapferen Außenseiters nicht genug bekommen können? Genau, eben 'drum. Weil's so schön ist. Weil es berührt. Weil die Spieler aus Thaiti das erreicht haben, wovon mutmaßlich jeder Hobbykicker träumt. Einmal auf die große Bühne, einmal ins Rampenlicht. Nicht nur für die Warhol'sche Viertelstunde, sondern volle 90 Minuten. Einfach stolz sein, dabeisein zu dürfen.

Wer wissen will, was nur die Aussicht darauf mit Menschen macht, der sollte sich ansehen, wie sie im Vereinsheim des Regionalligisten BSV Schwarz-Weiß Rheden ausgerastet sind, als ihnen das Los für die erste Runde des DFB-Pokals den FC Bayern München bescherte. Die Geschichte ist nicht neu, aber das ist sie ja selten, auch im Roman. Junge trifft Mädchen, das war's. Oder im Sport: David gegen Goliath. Es kommt darauf an, wie die Geschichte erzählt wird. Die Männer aus Tahiti können das gut. Verdammt nah am Kitsch, aber ergreifend.

"Vahirua is better than Messi"

Sie hatten bei der Nationalhymne Tränen in den Augen und schenkten dem Gegner vor ihrem ersten großen internationalen Auftritt Muschelketten. Der Verband verkündetet über Twitter: "I'm crying: The Brazilian Screaming fans: Tahiti." Und Trainer Eddy Etaeta, den seine Spieler "Dad" nennen, konstatierte: "Wir haben die Herzen der Brasilianer erobert". Im der Tat waren die meisten der 20.187 Zuschauer im Estadio Mineirao auf Seiten der Außenseiter; wie sollte es auch anders sein? Die haben alles gegeben, auch wenn alle sahen, warum sie in der Weltrangliste auf Platz 139 stehen.

Vor allem aber: Sie erzielten ein Tor. Und feierten, als hätten sie die Weltmeisterschaft gewonnen. Mit einem kollektiven Paddelschlag als Hommage an den Volkssport Bootsrennen. Jonathan Tehau ist der Mann, der in der 57. Minute beim Stand von 0:3 diese Geschichte schrieb, die in die Geschichte eingehen wird, indem er nach einer Ecke den Ball aus spitzem Winkel ins gegnerische Tor köpfte. Zumindest in die Tahitis mit seinen knapp 187.000 Einwohnern. Der Fußballverband jedenfalls drehte noch während der Partie mächtig auf: "This goal was not only from Tahiti! Was all Oceania countries!" Also für die 30 Millionen Menschen in Australien, Neuseeland und auf den Inseln im Südpazifik. Und huldigte auch dem Mann, der die Vorlage gab mit einer exklusiven Hymne: "Vahirua is better than Messi".

Marama Vahirua besser als der argentinische Weltfußballer Lionel Messi? Immerhin ist er der einzige im Team, der mit Fußballspielen sein Geld verdient - beim griechischen Zweitligisten Panthrakikos FC in Komotini, ganz im Nordosten des Landes. Eddy Etaete war ergriffen: "Allein ein Tor zu schießen, ist mehr als wir erwarten konnten. Es ist unglaublich. Wir können stolz sein. Wir haben gekämpft." Das klingt pathetisch, verdammt nah am Kitsch. Aber schön. Die Welt wird sie als glückliche Verlierer in Erinnerung behalten. Nigerias Torhüter Vincent Enyeama jedenfalls sagte hinterher: "Wir hätten auch zu ihnen gehalten, wenn wir nicht gegen sie gespielt hätten."

Quelle: ntv.de, mit dpa und sid

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen