Mourinhos Aus bei Man United "The Special One", das war einmal
18.12.2018, 16:38 Uhr
Jose Mourinho
(Foto: Action Images via Reuters)
Der reichste Klub der Welt und "The Special One": Manchester United und José Mourinho, das hätte eine Erfolgsgeschichte werden sollen. Stattdessen muss der Portugiese nach zweieinhalb Jahren gehen. Weil er Vertrauen und den Anschluss verloren hat.
Mit der Ära José Mourinho begann bei Manchester United im Sommer 2016 auch die Ära des Paul Pogba. Für 105 Millionen Euro verpflichtete der englische Fußball-Rekordmeister den französischen Mittelfeldstar von Juventus Turin - ein neuer Starspieler als Geschenk für den neuen Startrainer des altehrwürdigen Starklubs. Manchester United wollte nach drei Jahren in der Bedeutungslosigkeit wieder oben angreifen und um Titel mitspielen.
Zweieinhalb Jahre später scheint der Klub von der Spitze weiter entfernt als vorher. Pogba ist zwar noch immer einer der besten Spieler der Welt, erst vor wenigen Monaten hat er mit der französischen Nationalmannschaft die Weltmeisterschaft gewonnen. Aber bei Mourinho hatte der Franzose mit seiner exzentrischen Art und seinem Sinn für ausgefallene Mode schon vor langer Zeit jeden Kredit verspielt. Am Sonntag schmorte er erneut 90 Minuten lang auf der Bank. Im Spitzenspiel gegen den FC Liverpool, den Tabellenführer der Premier League, das United chancenlos verlor. Keinen Kredit mehr übrig hatte nach dieser Lektion auch Mourinho. "The Special One", der einst mit dem FC Porto, dem FC Chelsea, Inter Mailand und Real Madrid Titel um Titel gewann, steht - oder besser: stand - in seiner dritten Saison als Trainer von Manchester United nach 17 Spieltagen mit dem Klub nur auf dem sechsten Tabellenplatz. Der Rückstand auf die Spitze beträgt 19 Punkte. Der Champions-League-Platz ist elf Punkte entfernt. Es ist zu diesem Zeitpunkt die schlechteste Punkteausbeute des Klubs seit der Saison 1991/1992 und ein deutlicher Abfall im Vergleich zur letzten Saison, die United auf dem zweiten Platz beendet hatte.
Flop über Flop über Flop
Verantwortlich dafür machte Mourinho immer seine Spieler, ihre fehlende Qualität und mangelhafte Einstellung. Ständig forderte er mehr Konzentration und Einsatz ein und von der Klubführung neue Transfers. Auch wenn es die Beteiligten immer wieder bestritten haben: So verliert man die Unterstützung in Kabine und Vorstand.
Dabei ist es mitnichten so, dass Manchester United in der Ära Mourinho zu wenig Geld ausgegeben hat. Seit Amtsantritt des Portugiesen investierte der Klub 466 Millionen Euro in neue Spieler. Allein 42 Millionen Euro überwies man vor der Saison 2016 für Henrikh Mkhitaryan an Borussia Dortmund. Nur anderthalb Jahre später ergriff der empfindsame Armenier wieder die Flucht: Im Tausch für Alexis Sanchez wechselte er zum FC Arsenal. Aber auch der chilenische Stürmer, ausgestattet mit einem Rekordgehalt von mutmaßlich fast 600.000 Euro die Woche, erwies sich seitdem als Flop: In 30 Spielen für United erzielte er nur vier Tore. Genauso wie 100-Millionen-Mann Paul Pogba verbringt er aktuell mehr Zeit auf der Bank als auf dem Platz. Und 60-Millionen-Mann Fred, eingekauft im vergangenen Sommer? Schafft es meist nicht einmal dahin.
Besonders auf dem Kieker hatte Mourinho immer auch seine Innenverteidiger. Jene Innenverteidiger, die der Klub erst in den Jahren zuvor teuer verpflichtet hatte. Im Sommer 2016 kaufte Manchester United nicht nur "The Special One" ein, sondern auch den Ivorer Eric Bailly für 38 Millionen Euro. Ein Jahr später legte der Klub nach und holte für 35 Millionen Euro den Schweden Victor Lindelöf in den englischen Norden. Viel Geld für scheinbar unbrauchbare Teilzeitkräfte.
Eine Abwehr, sechs Rechtsverteidiger
Aber die Geschichten von Pogba, Mkhitaryan, Sanchez, Fred, Bailly und Lindelöf fügen sich ein in die Planlosigkeit, die Verein und Trainer seit Monaten ausstrahlen. Beinahe willkürlich wechselte Mourinho von einem Spiel zum nächsten Startelf und Formation. Allein auf der Position des Rechtsverteidigers durften sich seit Beginn der Premier-League-Saison sechs Spieler versuchen. Sich als Mannschaft einspielen und Sicherheit gewinnen? Unter diesen Umständen unmöglich. Mit 29 Gegentoren stellt United derzeit die zweitschlechteste Defensive der Premier League.
Genauso planlos präsentierte sich unter Mourinho auch die Offensive, wenn die Mannschaft denn überhaupt einmal nach vorne spielen durfte. Trotz hochtalentierter Angreifer wie dem Belgier Romelu Lukaku, Anthony Martial aus Frankreich oder Eigengewächs Marcus Rashford wollte Mourinho - erfolglos - Tore verhindern, nicht schießen. Das liegt auch daran, weil der Portugiese nicht mit der Zeit gegangen ist. Während fast die gesamte Konkurrenz in England mittlerweile auf das technisch anspruchsvolle Spiel setzt, gibt es bei Mourinho Altbewährtes: robuste Kanten, die für Einsatz und Athletik stehen und Fußball eher arbeiten als spielen.
So hat der Portugiese den englischen Rekordmeister in nur zweieinhalb Jahren zu einem Angsthasen-Klub geformt, der sich gegen andere Fußball-Größen hinten reinstellt und auf Fehler wartet, weil er nicht mithalten kann. Eine Bankrotterklärung für jeden United-Fan und den noch immer reichsten Klub der Welt mit einem Wert von 3,3 Milliarden Euro. Eine Bankrotterklärung, die auch die Vereinsführung nicht länger ignorieren konnte. Mourinho hat zu wenig aus den schier unendlichen Möglichkeiten von Manchester United gemacht. Nur zwei Titel - der Ligapokal und die Europaliga - stehen auf der Habenseite. Der Portugiese ist nicht mehr "Special", er ist gewöhnlich. Zu gewöhnlich für eine gemeinsame Ära.
Quelle: ntv.de