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Interview zu Karl, Bart, KanadaThomas Müller: DFB-Team tritt bei WM nicht als Favorit an

27.11.2025, 13:03 Uhr
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Thomas Müller hat viel Spaß in seiner neuen Heimat. (Foto: IMAGO/Imagn Images)

Seit drei Monaten ist Thomas Müller erst in Kanada und schon spielt sein Verein zum ersten Mal um den MLS-Titel mit. Warum er sich den Erfolg nicht zuschreiben will, wie genau er den FC Bayern noch beobachtet und wie er das DFB-Team einschätzt, verrät er im Interview mit RTL/ntv.

Thomas Müller ist weit weg von Deutschland - doch dem FC Bayern ist er noch immer ganz nah. Der langjährige Star des Klubs hält die Kontakte aufrecht, verrät er im Interview mit ntv/RTL. "Ich war sehr gut connected im Team", erklärt er und zählt etwa Manuel Neuer, Joshua Kimmich und Leon Goretzka auf, mit denen er weiterhin Kontakt hält. So beobachtet er trotz der Zeitverschiebung sehr genau, was sein Ex-Klub so treibt. Das sei "manchmal gar nicht so einfach, die Spiele am Mittagstisch zu schauen", so Müller. Auch die Trainingszeiten machen ihm einen Strich durch die Rechnung, sodass er häufiger auf Highlight-Zusammenfassungen zurückgreifen muss.

In denen sieht er aber, wie die Münchner durch die Saison fliegen. In der Bundesliga sind sie noch ungeschlagen: "Das Trainerteam rund um Vincent Kompany macht einfach einen sehr, sehr guten Job. Es macht richtig Spaß, der Mannschaft zuzuschauen." Der 35-Jährige drückt "die Daumen, dass das so weitergeht".

Einer der Pfeiler des Erfolgs ist Stürmer Harry Kane, dessen Vertrag im Sommer 2027 ausläuft. Die Gerüchte, dass Tottenham Hotspur den Kapitän der englischen Nationalmannschaft gern zurückhaben will, geistern herum. Der FC Barcelona soll ebenfalls um ihn werben. Auch, dass sich der FC Bayern bereits um eine Verlängerung bemüht. Müller rät da zur Gelassenheit: "Es ist ja noch genügend Zeit. Eineinhalb Jahre, das ist im Fußball eine halbe Ewigkeit."

Jüngst verlängert bis 2028 hat dagegen bereits Lennart Karl - der 17-Jährige, um den ein Hype entstanden ist. Er wird schon mit Lionel Messi verglichen, sein Tor gegen den FC Arsenal trägt trotz der ersten Saisonniederlage seines Teams nicht dazu bei, dass weniger Schlagzeilen produziert werden. Müller kennt diesen Hype, er selbst war mit der Weltmeisterschaft 2010 so richtig zum Star geworden - da war er gerade einmal 21 Jahre alt. Er kennt sich mit der Situation aus und rät Karl daher, "den Fokus auf dem Sport zu halten". Karl spiele "sehr erfrischend, macht auch Tore und hat wichtige Aktionen. Der Junge hat Spaß, daran zu arbeiten, er hat Spaß, sich zu verbessern." Dabei dürfe er aber nicht verbissen werden. 25 Jahre war Müller selbst beim FC Bayern, sagt daher voller Überzeugung: "Es ist das Schönste, was es gibt, für den FC Bayern zu spielen."

"Habe meine Note eingebracht"

Bei seinem neuen Klub gefällt es Müller aber auch ganz gut. Zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte erreichte Whitecaps FC das Halbfinale im Kampf um die MLS-Meisterschaft. Kaum ist er da, läuft es für den Klub, so sehen es viele. Er selbst wiegelt ab, will nicht zu viel Ruhm für den Erfolg einheimsen. "Das ist mir einen Hauch zu pauschal. Hier wurde auch vorher sehr gut gearbeitet", sagt er. "Aber klar, seitdem ich im August dazugekommen bin, habe ich auch meine Note mit eingebracht." Er scheue sich nicht, "Dinge anzusprechen, wenn ich das Gefühl habe, das könnte uns nach vorne bringen".

In der Nacht zu Sonntag geht es gegen San Diego FC um den Einzug ins Finale. Müller genießt die Aufmerksamkeit: "Wir sind gerade in aller Munde und das haben wir uns einerseits verdient, andererseits genießen wir das auch und und wollen natürlich das auch bestätigen." Möglich wäre im Finale ein Duell mit Messi und dessen Inter Miami - ein Wiedersehen nach dem WM-Finale 2014 und den Aufeinandertreffen der beiden in den Trikots der Bayern und des FC Barcelona. "Natürlich ist Lionel Messi die ganz große Nummer, auch in der MLS. Es wäre für uns eine super Sache, gegen Miami zu spielen", so Müller.

Aber auch ohne den Fußball genießt Müller sein neues Leben fernab der Heimat. "Ich wollte was erleben, ich wollte raus aus Europa", erklärt er seinen Wechsel nach Kanada. Und warum ausgerechnet Vancouver? "Ich wollte auch in einer Stadt sein, in der man was erleben kann" und in der es ein Team gibt, "das um den Titel mitspielen kann".

Bart ist ein Zufallsprodukt

Das könnte sich für Müller nun schneller erfüllen als er wohl selbst erwartet hat. Was dagegen zu erwarten war: Dass der Menschenfänger Müller sofort neue Fans um sich schart, die auch sein neues Aussehen feiern. Der Bart ist dabei mehr zufällig als geplant entstanden, sagt der Ur-Bayer. "Ich bin noch rasiert hier angekommen, dann aber Anfang September einmal hin- und hergeflogen und habe diesen Moment verpasst, an dem es angenehm ist mit dem Trockenrasierer. Und dann war der Bart lang, sodass ein Mitspieler gesagt hat: 'Weißt du was, das schaut ja ein bisschen ungepflegt aus.'" Schließlich wurde Müller zum Barbershop mitgenommen und "die Mitspieler fanden das gut".

Ganz schön viel erlebt hat Müller also, obwohl er die Zeit von Mitte August bis Ende November selbst als "Kurztrip" einschätzt. Von daher freue er sich schon jetzt auf die kommende Saison, bis 2026 läuft sein Vertrag, was danach kommt, lässt er offen. "Okay, es geht langsam dem Karriereende entgegen, bisher habe ich den Ausgang noch nicht gefunden, weil es einfach zu viel Spaß macht und der Körper noch zu gut funktioniert." Er wolle sich "nicht parallel schon auf Dinge vorbereiten", erklärt er seine volle Konzentration. Ob Trainerjob, Posten im Management oder was ganz anderes folgen werden, kann Müller noch nicht sagen.

Abgeschlossen hat er dagegen mit seiner Karriere im DFB-Trikot. 131 Länderspiele - Rückkehr zum Team inklusive - sind genug. Doch bei der Weltmeisterschaft wird er näher dran sein als viele deutsche Fans, schließlich wird seine neue Wahlheimat Vancouver im kommenden Jahr einer der Spielorte sein. Noch ist unklar, welche Teams bei ihm vor der Haustür spielen werden, die Auslosung findet erst noch statt. "Aber es ist schon eine große Vorfreude da", berichtet Müller von seinem eigenen Empfinden und der Haltung in der Stadt. Dem DFB-Team von Bundestrainer Julian Nagelsmann macht er aber keine allzu großen Hoffnungen. "Also wir haben genug Talente im Team, um auch um den Titel mitzuspielen", sagt er zwar, "aber es ist jetzt nicht so, dass wir als Favorit antreten."

Quelle: ntv.de, ara

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