Belgien zelebriert die Niederlage Türkei bejubelt Mesut Özil
12.10.2011, 16:58 Uhr
Mesut Özil traf zum 1:0 für Deutschland - zur Freude der Türkei.
(Foto: dpa)
Die türkische Presse versöhnt sich mit Mesut Özil, weil der deutsche Nationalspieler dem Land eine Chance in den Playoffs der EM-Qualifikation verschafft - mit seinem Treffer gegen Belgien. Die Fans der "Roten Teufel" feiern derweil bei ihrer Niederlage, als hätten sie die Sensation geschafft.
Die Fußball-Schützenhilfe hat die deutsch-türkische Freundschaft beflügelt und Mesut Özil vom verlorenen Sohn zum Helden in seinem Heimatland gemacht. "Der Sieg der Deutschen mit Mesut ist unser Sieg", schreibt die Tageszeitung "Radikal" am Mittwoch nach dem 3:1 von Deutschland gegen Belgien, mit dem die Türkei noch in die Playoffs der EM-Qualifikation gelangte. "Es ist die Zeit für ein Dankeschön und eine Entschuldigung bei Mesut."
Vier Tage nach der 1:3-Schlappe der Türkei in Istanbul gegen Deutschland, die der Mannschaft von Nationaltrainer Guus Hiddink noch um das Erreichen von Gruppenplatz zwei bangen ließ, hat sich die Tristesse am Bosporus in Jubelstimmung gewandelt. Doch das 1:0 gegen Aserbaidschan durch ein Tor von Burak Yilmaz in der 60. Minute war eine Zitterpartie. "Nach einer schwierigen Saison im türkischen Fußball ist die Mannschaft im Playoff", sagte Hiddink nach dem Spiel. "Das war das Ziel. Wir wussten, dass es schwer wird."
Unmöglich wäre es geworden, wenn Belgien in der zeitgleichen Begegnung in Düsseldorf gewonnen hätte. Deshalb verfolgten die Türken mit bangen Herzen das Duell am Rhein. "Unsere Augen waren auf das Spiel, die Ohren aber nach Deutschland gerichtet", schrieb der türkische Fußball-Kommentator Kenan Basaran.
"Wir sind Mesut (glücklich)", lautete die doppeldeutige Schlagzeile der Zeitung "Vatan". Schließlich hat Mesut Özil mit seinem Traumtor und genialen Pässen der Türkei die Tür zur EM-Endrunde 2012 in Polen und der Ukraine offen gelassen. "Mehr Gutes kann Mesut nicht machen", lobte deshalb "Radikal" den zuletzt wegen seiner sportlichen Fahnenflucht von den Landsleuten geschmähten und ausgepfiffenen Star von Real Madrid.
Belgien mit breiter Brust
Enttäuscht, aber nicht deprimiert waren die Belgier nach dem verlorenen "Endspiel" gegen Deutschland. "Ich denke, dass das kleine Belgien in den ersten 25 Minuten gezeigt hat, dass es einen guten Fußball spielen kann", meinte Nationaltrainer Georges Leekens. "Wir sind etwas größer geworden."
Der mit einem Vertrag bis 2014 ausgestattete Coach will die junge Mannschaft um Kapitän Vincent Kompany weiterentwickeln und fit für die Qualifikation für die WM 2014 machen. "Der Weg ist noch nicht zu Ende", sagte Leekens, der das deutsche Team respektvoll als "Maschine" bezeichnete. "Ich habe die deutsche Mannschaft noch nie so gut gesehen", schloss sich Marc Wilmots, Co-Trainer und Ex-Schalker, dem Lob an. Nach den beiden Toren von Mesut Özil (30.) und André Schürrle (33.) war das Feuer der "Roten Teufel" erloschen. "Wir haben alles versucht, doch die Deutschen waren so effizient: Sie haben in vier Minuten alles kaputt gemacht", so Wilmots.
Trotzdem gab es Szenen frenetischen Jubels im belgischen Block, die an die "Meisterschaft der Herzen" von Schalke 04 erinnerten. Ein großer Teil der 5000 belgischen Fans wähnte ihre "Roten Teufel" der Fußball-EM 2012 ganz nahe, doch dann kam die Ernüchterung: Ähnlich wie die Schalker 2001 waren die Belgier einer Fehlinformation aufgesessen. Die Türkei lag gegen Aserbaidschan nicht hinten, am Ende gewann sie sogar 1:0, und der belgische Traum von einem großen Turnier war nach dem 1:3 in Deutschland wieder einmal ausgeträumt.
Das Kuriose: Obwohl statt der ersten sportlich erreichten EM-Teilnahme seit 1984 letztlich die fünfte erfolglose Qualifikation für ein Großturnier stand, ging die große Fete nach kurzem Schock einfach weiter. Ein Dutzend bengalische Feuer, Jubelgesänge in Dauerschleife und stehende Ovationen - so feiern normalerweise nur Sieger.
Standleitung nach Istanbul
"Ich war schon überrascht. Wir liegen 0:3 zurück und die Fans feiern uns", sagte Belgiens Co-Trainer Marc Wilmots. Erinnerungen an die Schalker Vier-Minuten-Meisterschaft kamen beim früheren 'Kampfschwein' jedoch aus zwei Gründen nicht auf: Zum einen war Wilmots in der betreffenden Saison für ein Jahr von Schalke nach Bordeaux gewechselt, zum anderen bemerkte das Trainerteam auf der Bank sofort den Fehler: "Wir hatten eine Standleitung nach Istanbul. Wir wussten sofort, dass es noch 0:0 steht."
Dass die belgischen Anhänger ihr Team so euphorisch feiern, war für Wilmots "ein Signal, dass sie mit Blick auf 2014 an uns glauben". Denn trotz der abermals verpassten Quali - zuletzt waren die Belgier bei der WM 2002 Teilnehmer einer Endrunde - ist rund um die "Roten Teufel" eine große Euphorie ausgebrochen.
"Wir haben in 10 Spielen 20 Tore geschossen - mit solch einer Mannschaft können sich die Fans hervorragend identifizieren", sagte Wilmots. Und auch sein Chef George Leekens stellte zufrieden fest: "Wir sind gute Botschafter, die unser Land im Ausland würdig repräsentieren. Seit einem Jahr haben die Fans ihre Liebe zur Nationalmannschaft wiederentdeckt."
Quelle: ntv.de, rpe/dpa/sid