WM 2022: Katar statt Vereinigte Staaten US-Fußball kämpft um Status
03.12.2010, 11:35 UhrIn Washington sollte die Party steigen, wenn Fifa-Präsident Sepp Blatter die USA als Austragungsort der WM 2022 verkündet. Statt dessen sorgt die Wahl Katars für Katerstimmung. Der Fußball in den Vereinigten Staaten ist den europäischen Ligen längst auf den Fersen - und kämpft gegen das schlechte Bild in der Öffentlichkeit.
Voller Hoffnungen haben sich Fans und Offizielle im Museum für Pressegeschichte, dem "Newseum", mitten in Washington versammelt. "Wir holen uns heute die WM”, lässt Robert Sweeney, Präsident der Sportvereinigung Washingtons, auf dem Podium vor der Fifa-Abstimmung unter dem Applaus von einigen Fans und der Presse siegesgewiss verlauten. Ben Olsen, der ehemalige amerikanische Nationalspieler und jetzige Trainer des Hauptstadtklubs DC United spricht gar davon, im Jahre 2022 die beste Fußball-Liga der Welt aufbieten zu können.
Oft und gerne schwärmen Offizielle an diesem Morgen, vor der Verkündung des Ergebnisses aus Zürich von der letzten Weltmeisterschaft 1994 in Amerika: der immer noch gültigen Rekordzahl von 3,587 Millionen Besuchern, der tollen Stimmung und dem enormen Schub, den die WM für den amerikanischen Fußball gebracht hat. Viel hat sich seitdem geändert in den USA. Es gibt 15.000 lizenzierte Trainer, vier Millionen registrierte und - laut Fifa – 24,4 Millionen unregistrierte aktive Fußballer im Land. Das sind die Zweitmeisten auf der Welt, und das bedeutet einen riesigen Pool an potentiellen Fußballtalenten.
Frankreich auf den Fersen
Auch auf Klubebene hat sich in Amerika etwas getan. Bekannte Stars wie David Beckham oder Thierry Henry verleihen der Major League Soccer (MLS) mehr und mehr Attraktivität. Der Zuschauerschnitt in der MLS liegt bei über 18.000 und ist damit fast auf einem Niveau mit französischen Ligue 1, zu deren Spielen im Schnitt 19.900 Besucher kommen. Die Liga, als Auflage der Fifa für die Ausrichtung der WM 1994 gegründet, nahm 1996 ihren Spielbetrieb auf und brachte auch bekannte amerikanische Spieler hervor. Der derzeit prominenteste ist wohl Landon Donovan. Vielen ist er aus der Bundesliga bekannt, er versuchte sich bei Bayer Leverkusen und Bayern München und spielt derzeit für die LA Galaxy. Für die amerikanische Nationalmannschaft ist er seit Jahren eine unverzichtbare Stütze.
Trotz des zunehmenden fußballerischen Erfolgs der MLS und des amerikanischen Nationalteams hat der Fußball in den USA immer noch einen schweren Stand. Das hat weniger mit der Qualität der Liga zu tun, als vielmehr mit der Aufmerksamkeit und dem Stellenwert, der ihm zu Teil wird. American Football und Baseball bestimmen das sportliche Tagesgeschehen in den Medien und somit auch auf der Straße.
Viele Spieler in Problemvierteln
"Früher und auch heute noch wird Fußball teilweise als Sport für ärmere Menschen gesehen", vermutet Doug Wright als einen der Gründe, warum Football und Baseball populärer sind. "Für die anderen Sportarten braucht man eine teure Ausrüstung, beim Fußball nur einen Ball." Zudem spielten viele Lateinamerikaner in den Problemvierteln der Städte Fußball, deshalb habe der Sport teilweise einen schlechten Ruf. Der 30-jährige Doug ist seit Jahren Fan und sieht in der WM 1994 einen Katalysator für die Entwicklung des amerikanischen Fußballs. 2022, so seine Hoffnung, könnte den nächsten Push bringen, den nächsten Schritt.
Doch nach der Verkündung der Ergebnisse auf der Leinwand im Newseum ist die US-Bewerbung Geschichte. Die Fans reagieren geschockt, die gute Stimmung ist verflogen. "Ich bin total enttäuscht und traurig, mit Katar hätte ich nie gerechnet", sagt Doug. Die Entscheidung, im Jahr 2018 die WM in Russland auszutragen, ist für ihn noch nachvollziehbar. Wieso jedoch Katar, ein Land mit 1,6 Millionen Einwohnern und einer Größe von Schleswig-Holstein, WM-Gastgeber wird, ist für ihn nur schwerlich zu verstehen. Seine Vermutung: "Die WM geht dahin, wo das Geld liegt."
Quelle: ntv.de